teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


 

Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789)

Die soziale Zusammensetzung der Studenten

 
GESCHICHTE
Grundbegriffe der Geschichte Europäische Geschichte  ● Frühe Neuzeit (1350-1789) Zeitalter der Renaissance (ca.1350-1450) Reformation und Glaubenskriege (1517-1648) Zeitalter der Entdeckungen (1415-1531) Absolutismus und Aufklärung (ca. 1650-1789) Beginn des bürgerlichen Zeitalters Einzelne sozial- und mentalitätsgeschichtliche Aspekte Überblick [ Studentenleben Überblick Die Universität: ein Personenverband mit besonderen Rechten Die innere Organisation der Universitäten   Soziale Zusammensetzung der Studenten Der Gang eines Studiums Studierende und ihre Abschlüsse  Das Leben in der Burse Die Deposition Pennalismus Trinkgelage in Pluderhosen Studentensprache Textauswahl ▪ Bausteine ▪ Links ins Internet ] Deutsche Geschichte
 

»Geschichte der Universität (Wikipedia)
»Kloster- und Domschulen

»Mittelalterliche Universität
»Entwicklung der Universitäten im deutschsprachigen Raum
»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens

Die soziale Zusammensetzung der Studenten an den Universitäten der ▪ frühen Neuzeit (1350-1789) war sehr unterschiedlich und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie hing insbesondere vom Wandel der Universitäten ab, die mit der ▪ frühneuzeitlichen Staatsbildung mehr und mehr in Dienst der weltlichen und geistlichen Obrigkeit gestellt wurden, um als Landesuniversitäten den Bedarf an Fachleuten für den Aufbau einer modernen Verwaltung der Territorien zu decken.

Zunächst einmal gab es keine formalen Kriterien, die die Aufnahme in den ▪ Personenverband einer Universität regelten. Ständische Privilegien, wie sie ansonsten die gesamte Gesellschaft auszeichneten, spielten dabei also keine Rolle.

Ob man indessen ein Studium auch mit einem ▪ akademischen Abschluss krönen konnte, war etwas ganz anderes. Die meisten Personen, die als immatrikulierte Studenten zeitweilig oder auf längere Zeit zu als ▪ akademische Bürger einer Universität angehörten, schafften nicht einmal das ▪ Bakkaulareat, die Prüfung mit der die ▪ Artistenfakultät, welche Voraussetzung für ein Studium an den höheren Fakultäten (Medizin, Recht und vor allem Theologie) war, nämlich nicht.

In der Regel lag dies wohl weniger daran, dass die Studenten in der Artistenfakultät schon nach Leistungen ausgesiebt worden sind, sondern daran, dass sie auf Dauer einfach nicht die finanziellen Mittel aufbringen konnten, um ihren Unterhalt zu sichern.

Wer an eine Universität gehen wollte, musste allerdings zumindest elementare Kenntnisse im Lesen und Schreiben und im Rechnen haben, hatte im besten Fall schon eine der städtischen »Lateinschulen oder höheren Schulen besucht. Andernfalls war an ein Mitkommen in den Fächern der »Artistenfakultät, in der die sogenannten sieben freien Künste unterrichtet wurden. Unter Kunst verstand man damals auch intellektuelle geprägte Fähigkeiten, also neben Musik auch Grammatik, Logik, Dialekt, Geometrie, Mathematik und vor allem Latein, die intellektuelle Verkehrssprache der Zeit. Die bäuerliche Bevölkerung und die Unterschichten waren bis weit ins 18. Jahrhundert hinein in ihrer überwiegenden Mehrzahl ohnehin Analphabeten.

Die soziale Zusammensetzung der Studenten war sehr unterschiedlich. Ihre Zuordnung kann nicht nach ökonomischen Kriterien erfolgen, da darüber keine entsprechenden Daten vorliegen bzw. keine detaillierten Untersuchungen vorliegen. So bleibt vieles, was dazu gesagt werden kann, unbefriedigend. 

Solange der Adel Interesse an der akademischen Ausbildung besaß und seine männlichen Zöglinge noch eher an die Universitäten als auf »Kavalierstour quer durch schickte, waren die adeligen Studenten meist in einer besonders privilegierten Lage. Je nach sozialem Status residierten sie in eigens gemieteten Häusern oder kamen zur Miete in wohlhabenden Bürgerhäusern unter. Sie führten auch in der Universitätsstadt meist ein privilegiertes, vom Leben der übrigen Studenten sozial klar abgetrenntes Leben. Die Adeligen mussten bei der Immatrikulation oft die die höchsten Gebühren bezahlen und waren deshalb natürlich besonders gern gesehen. So kam man ihnen, wie z. B. in Wien auch damit entgegen, dass man "ihnen gestattete, ihre gesellschaftlich privilegierte Stellung auch innerhalb der universitären Gemeinschaft zu wahren. Dies fand z. B. in Ausnahmen von den Bekleidungsvorschriften und in der Sitz- und Rangordnung bei Vorlesungen und universitären Feierlichkeiten seinen Ausdruck. Obwohl Adelige auch unter Absolventen der Artistenfakultät zu finden sind, war das Studium der Rechtswissenschaften für Studenten 'von Stand' die bevorzugte Option." (Maisel 2018)

Die übrigen Studenten wurden - so wie dies in den Matrikelverzeichnissen vermerkt wurde - in die Gruppen der diviles, der Wohlhabenden, und die der pauperes (Armen) unterschieden. Dabei geht es bei dieser Unterscheidung nicht um eine kriteriengeleitete Unterscheidung sozialer Armut, wie wir sie heute zu definieren gewohnt sind.

Der Status eines "armen Studenten" im Sinne der pauperes war in heutigen Kategorien gesprochen keine »absolute Armut, ein Armutsniveau, bei dem sich ein Menschen die unbedingt erforderliche Ernährung und lebenswichtige Bedarfsartikel des täglichen Lebens nicht mehr leisten kann, und hat auch mit der sonstigen »Armut im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nur insofern zu tun, dass pauperes unter den Studenten natürlich zum Teil auch bettelarm waren. Studentische Arme im Sinne der aktenkundigen pauperes der Matrikelverzeichnisse von Universitäten "waren von 'Standesarmut' betroffen, d. h. sie besaßen nicht das für ein standesgemäßes Studentenleben notwendige Budget." (Denk 2018. Hervorh. d. Verf.)

Die pauperes erhielten oft Befreiungen von den anfallen Gebühren für die ▪ Immatrikulation, ▪ Deposition und die Prüfungen bis hin zur Promotion. An manchen Universitäten wurden sie auch durch Stipendien gefördert.

Dies lag aber weniger daran, dass man den sozial Schwachen unter die Arme greifen wollte. Maßgeblich dafür war wohl die Überzeugung der Zeit, dass Bildung eben ein Gottesgeschenk und deshalb auch nicht zwingend etwas kosten solle, auch wenn die Gebühren, die von denen eingezogen wurden, die sie bezahlen konnten, einen ganz wesentlichen Anteil an der Finanzierung der Universitäten darstellten. Im Übrigen waren auch die pauperes dazu verpflichtet, die ihnen erlassenen Gebühren zurückzuzahlen, wenn sie später einmal dazu in der Lage sein sollten.

Wer genau zu den pauperes zählte, ist nicht ganz einfach zu sagen, zumal es dafür keine einheitlichen Kriterien gab. So gehörten in Wien zu dieser Gruppe "sowohl Personen, deren Geldmittel ständig knapp bemessen waren als auch solche, die nur zeitweise – z. B. wegen der Reisekosten zum Studienort – über (zu) wenig Geld verfügten. Da die Matrikel kaum Angaben zu den Familien der Studenten geben, können nur vereinzelt Aussagen über deren sozialen Status getroffen werden. Unter den als pauperes Immatrikulierten finden sich Vertreter verschiedener Schichten – vom (niederen) Adel bis hin zu bäuerlichen Familien. Das verbindende Element dieser heterogenen Gruppe war die Unfähigkeit, die von der Universität geforderten Gebühren aufzubringen. Diese Form der Armut darf nicht mit der gängigen Definition gleichgesetzt werden, nach der diejenigen als arm einzustufen sind, die nicht oder nur mühsam die Mittel für die täglichen Grundbedürfnisse aufbringen können. Studentische Arme waren von 'Standesarmut' betroffen". (Denk 2018)

Weil die Zuordnung eines Studenten zu den divines oder pauperes oft nicht so einfach war, entschied oft der Rektor der Universität oder der Dekan der Fakultät nach Augenschein, also danach wie das äußere Erscheinungsbild des Studenten war und wie dieser sich selbst einschätzte. Dass gerade die Selbsteinschätzung ein bei Studenten beliebtes Mittel war, um sich Gebühren zu sparen, dürfte einleuchten.

An der Wiener Universität jedenfalls waren bis 1450 fast die Hälfte der Immatrikulierten als arme Studenten zumindest teilweise von Gebühren befreit. Weil der Universität damit beträchtliche Einnahmen entgingen, wurde der Gebührendispens allerdings nach und nach eingeschränkt. Dabei wurde die "Armutsgrenze" deutlich nach oben verschoben. So legte die Universität Wien 1510  fest, "dass nur jene Studenten Anspruch auf Gebührenbefreiung hätten, die nicht mehr als 10 Gulden an jährlichen Einkünften besaßen und dies mit schriftlichen Zeugnissen belegen konnten. Zum Vergleich: ein Schreiber im Wiener Bürgerspital, dessen Arbeit zu den am höchsten dotierten des Spitals gehörte, erhielt zu dieser Zeit 8 bis 10 Gulden Jahresbesoldung." (Denk 2018)

Außer Gewährung von Dispensen und der Einrichtung besonderer studentischer Armenhäuser, in Wien die sogenannten Kodreien, kümmerte sich die Universität wenig um die sonstigen Lebenshaltungskosten der Studenten, die wenn sie nicht hinreichend von ihrer Familie, einem Gönner oder einer Gönnerin oder durch die verschiedenen Stipendienstiftungen der Universität abgesichert waren, in sehr prekären Lebensverhältnissen leben konnten. Eine der Möglichkeiten, sich durchzuschlagen, war das, was Fabricius (1907, S.26), einmal "Famulieren" nannte, nämlich sich im Rahmen des ▪ Pennalverhältnis von einem "wohlhabenden Studenten mit unterhalten" zu lassen "ohne dies als Almosen hinnehmen zu müssen."

Der ▪ Pennalismus und die damit zusammenhängenden "Missstände wie Vernachlässigung der Studien, 'aggressives Betteln', Störung der Nachtruhe oder Ausnutzung jüngerer Schüler, die für ältere 'anschaffen' mussten" und die Störung der öffentlichen Ordnung durch studentische Umtriebe aller Art, rief aber immer wieder die Universitäten selbst sowie die neuen Landesherren auf den Plan, die mit ihrer ▪ Policey-Gesetzgebung sozialregulierend und sozialdisziplinierend in das Universitäts- und Studentenleben eingriffen und schon vergleichsweise früh ▪ Auswüchse des Pennalismus verboten, der aber keine Form der Diskriminierung der pauperes war, sondern als ein über längere Zeit durchgeführtes Ritual der Landsmannschaften angesehen werden kann, einen eigenen Korpsgeist zu entwickeln. Ob die Berichte, die es über die von Pennalern in Leipzig zeitweise agierenden Diebesbanden von Pennälern (vgl. Füssel 2005, S.22) auch eine soziale Komponente hatte, also vor allem von pauperes gebildet wurden, kann hier nicht geklärt werden.

Im 18. Jahrhundert wendete sich die Stimmung allmählich gegen die Universitätsbildung der pauperes. Fortan forderten Landesfürsten immer öfter eine strengere Prüfung der intellektuellen Eignung der Armen, um ihnen den Zugang zur universitären Ausbildung zu erschweren. (vgl. Denk 2018)

Weiter mit:

»Geschichte der Universität (Wikipedia)
»Kloster- und Domschulen

»Mittelalterliche Universität
»Entwicklung der Universitäten im deutschsprachigen Raum
»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 25.02.2022

   
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
 

   
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz