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»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens
Die soziale
Zusammensetzung der Studenten an den Universitäten der ▪
frühen Neuzeit (1350-1789) war
sehr unterschiedlich und dies gleich in mehrfacher Hinsicht. Sie
hing insbesondere vom Wandel der Universitäten ab, die mit der ▪
frühneuzeitlichen Staatsbildung mehr und mehr in Dienst der
weltlichen und geistlichen Obrigkeit gestellt wurden, um als
Landesuniversitäten den Bedarf an Fachleuten für den Aufbau einer
modernen Verwaltung der Territorien zu decken.
Zunächst einmal gab
es keine formalen Kriterien, die die Aufnahme in den ▪
Personenverband
einer Universität regelten. Ständische Privilegien, wie sie
ansonsten die gesamte Gesellschaft auszeichneten, spielten dabei
also keine Rolle.
Ob man indessen ein
Studium auch mit einem ▪ akademischen Abschluss krönen konnte, war
etwas ganz anderes. Die meisten Personen, die als immatrikulierte
Studenten zeitweilig oder auf längere Zeit zu als ▪
akademische Bürger
einer Universität angehörten, schafften nicht einmal das ▪
Bakkaulareat, die
Prüfung mit der die ▪
Artistenfakultät,
welche Voraussetzung für ein Studium an den höheren Fakultäten
(Medizin, Recht und vor allem Theologie) war, nämlich nicht.
In der Regel lag
dies wohl weniger daran, dass die Studenten in der Artistenfakultät
schon nach Leistungen ausgesiebt worden sind, sondern daran, dass
sie auf Dauer einfach nicht die finanziellen Mittel aufbringen
konnten, um ihren Unterhalt zu sichern.
Wer an eine
Universität gehen wollte, musste allerdings zumindest elementare
Kenntnisse im Lesen und Schreiben und im Rechnen haben, hatte im
besten Fall schon eine der städtischen »Lateinschulen
oder höheren Schulen besucht. Andernfalls war an ein Mitkommen in
den Fächern der »Artistenfakultät,
in der die sogenannten sieben freien Künste unterrichtet wurden.
Unter Kunst verstand man damals auch intellektuelle geprägte
Fähigkeiten, also neben Musik auch Grammatik, Logik, Dialekt,
Geometrie, Mathematik und vor allem Latein, die intellektuelle
Verkehrssprache der Zeit. Die bäuerliche Bevölkerung und die
Unterschichten waren bis weit ins 18. Jahrhundert hinein in ihrer
überwiegenden Mehrzahl ohnehin Analphabeten.
Die soziale
Zusammensetzung der Studenten war sehr unterschiedlich. Ihre
Zuordnung kann nicht nach ökonomischen Kriterien erfolgen, da
darüber keine entsprechenden Daten vorliegen bzw. keine
detaillierten Untersuchungen vorliegen. So bleibt vieles, was dazu
gesagt werden kann, unbefriedigend.
Solange der Adel
Interesse an der akademischen Ausbildung besaß und seine männlichen
Zöglinge noch eher an die Universitäten als auf »Kavalierstour
quer durch schickte, waren die
adeligen Studenten meist in einer besonders privilegierten
Lage. Je nach sozialem Status residierten sie in eigens gemieteten
Häusern oder kamen zur Miete in wohlhabenden Bürgerhäusern unter.
Sie führten auch in der Universitätsstadt meist ein privilegiertes,
vom Leben der übrigen Studenten sozial klar abgetrenntes Leben. Die
Adeligen mussten bei der Immatrikulation oft die die höchsten
Gebühren bezahlen und waren deshalb natürlich besonders gern
gesehen. So kam man ihnen, wie z. B. in Wien auch damit entgegen,
dass man "ihnen gestattete, ihre gesellschaftlich privilegierte
Stellung auch innerhalb der universitären Gemeinschaft zu wahren.
Dies fand z. B. in Ausnahmen von den Bekleidungsvorschriften und in
der Sitz- und Rangordnung bei Vorlesungen und universitären
Feierlichkeiten seinen Ausdruck. Obwohl Adelige auch unter
Absolventen der Artistenfakultät zu finden sind, war das Studium der
Rechtswissenschaften für Studenten 'von Stand' die bevorzugte
Option." (Maisel
2018)
Die übrigen
Studenten wurden - so wie dies in den Matrikelverzeichnissen
vermerkt wurde - in die Gruppen der diviles,
der Wohlhabenden, und die der pauperes (Armen) unterschieden.
Dabei geht es bei dieser Unterscheidung nicht um eine
kriteriengeleitete Unterscheidung sozialer Armut, wie wir sie heute
zu definieren gewohnt sind.
Der Status eines
"armen Studenten" im Sinne der pauperes war in heutigen Kategorien
gesprochen keine »absolute
Armut, ein Armutsniveau, bei dem sich ein Menschen die unbedingt
erforderliche Ernährung und lebenswichtige Bedarfsartikel des
täglichen Lebens nicht mehr leisten kann, und hat auch mit der
sonstigen
»Armut im Mittelalter und in der frühen Neuzeit nur insofern zu
tun, dass pauperes unter den Studenten natürlich zum Teil auch
bettelarm waren. Studentische Arme im Sinne der aktenkundigen
pauperes der Matrikelverzeichnisse von Universitäten "waren von 'Standesarmut'
betroffen, d. h. sie besaßen nicht das für ein standesgemäßes
Studentenleben notwendige Budget." (Denk
2018. Hervorh. d. Verf.)
Die
pauperes erhielten oft Befreiungen von
den anfallen Gebühren für die ▪
Immatrikulation,
▪ Deposition und die Prüfungen
bis hin zur Promotion. An manchen Universitäten wurden sie auch
durch Stipendien gefördert.
Dies lag aber weniger daran, dass man
den sozial Schwachen unter die Arme greifen wollte. Maßgeblich dafür
war wohl die Überzeugung der Zeit, dass Bildung eben ein
Gottesgeschenk und deshalb auch nicht zwingend etwas kosten solle,
auch wenn die Gebühren, die von denen eingezogen wurden, die sie
bezahlen konnten, einen ganz wesentlichen Anteil an der Finanzierung
der Universitäten darstellten. Im Übrigen waren auch die pauperes
dazu verpflichtet, die ihnen erlassenen Gebühren zurückzuzahlen,
wenn sie später einmal dazu in der Lage sein sollten.
Wer genau zu den
pauperes zählte, ist nicht ganz einfach zu sagen, zumal es dafür
keine einheitlichen Kriterien gab. So gehörten in Wien zu dieser
Gruppe "sowohl Personen, deren
Geldmittel ständig knapp bemessen waren als auch solche, die nur
zeitweise – z. B. wegen der Reisekosten zum Studienort – über (zu)
wenig Geld verfügten. Da die Matrikel kaum Angaben zu den Familien
der Studenten geben, können nur vereinzelt Aussagen über deren
sozialen Status getroffen werden. Unter den als pauperes
Immatrikulierten finden sich Vertreter verschiedener Schichten – vom
(niederen) Adel bis hin zu bäuerlichen Familien. Das verbindende
Element dieser heterogenen Gruppe war die Unfähigkeit, die von der
Universität geforderten Gebühren aufzubringen. Diese Form der Armut
darf nicht mit der gängigen Definition gleichgesetzt werden, nach
der diejenigen als arm einzustufen sind, die nicht oder nur mühsam
die Mittel für die täglichen Grundbedürfnisse aufbringen können.
Studentische Arme waren von
'Standesarmut' betroffen". (Denk
2018)
Weil die Zuordnung
eines Studenten zu den divines oder pauperes oft nicht so einfach
war, entschied oft der Rektor der Universität oder der Dekan der
Fakultät nach Augenschein, also danach wie das äußere
Erscheinungsbild des Studenten war und wie dieser sich selbst
einschätzte. Dass gerade die Selbsteinschätzung ein bei Studenten
beliebtes Mittel war, um sich Gebühren zu sparen, dürfte
einleuchten.
An der Wiener
Universität jedenfalls waren bis 1450 fast die Hälfte der
Immatrikulierten als arme Studenten zumindest teilweise von Gebühren
befreit. Weil der Universität damit beträchtliche Einnahmen
entgingen, wurde der Gebührendispens allerdings nach und nach
eingeschränkt. Dabei wurde die "Armutsgrenze" deutlich nach oben
verschoben. So legte die Universität Wien 1510 fest, "dass nur
jene Studenten Anspruch auf Gebührenbefreiung hätten, die nicht mehr
als 10 Gulden an jährlichen Einkünften besaßen und dies mit
schriftlichen Zeugnissen belegen konnten. Zum Vergleich: ein
Schreiber im Wiener Bürgerspital, dessen Arbeit zu den am höchsten
dotierten des Spitals gehörte, erhielt zu dieser Zeit 8 bis 10
Gulden Jahresbesoldung." (Denk
2018)
Außer Gewährung von
Dispensen und der Einrichtung besonderer studentischer Armenhäuser,
in Wien die sogenannten Kodreien, kümmerte sich die Universität
wenig um die sonstigen Lebenshaltungskosten der Studenten, die wenn
sie nicht hinreichend von ihrer Familie, einem Gönner oder einer
Gönnerin oder durch die verschiedenen Stipendienstiftungen der
Universität abgesichert waren, in sehr prekären Lebensverhältnissen
leben konnten. Eine der Möglichkeiten, sich durchzuschlagen, war
das, was Fabricius
(1907, S.26), einmal "Famulieren"
nannte, nämlich sich im Rahmen des ▪
Pennalverhältnis von einem
"wohlhabenden Studenten mit unterhalten" zu lassen "ohne dies als
Almosen hinnehmen zu müssen."
Der ▪
Pennalismus und die damit
zusammenhängenden "Missstände wie Vernachlässigung der Studien,
'aggressives Betteln', Störung der Nachtruhe oder Ausnutzung
jüngerer Schüler, die für ältere 'anschaffen' mussten" und die
Störung der öffentlichen Ordnung durch studentische Umtriebe aller
Art, rief aber immer wieder die Universitäten selbst sowie die neuen Landesherren
auf den Plan, die mit ihrer ▪
Policey-Gesetzgebung ▪
sozialregulierend und
sozialdisziplinierend
in das Universitäts- und Studentenleben eingriffen und schon
vergleichsweise früh ▪
Auswüchse des Pennalismus verboten, der aber keine Form der
Diskriminierung der pauperes war, sondern als ein über längere Zeit
durchgeführtes Ritual der Landsmannschaften angesehen werden kann,
einen eigenen Korpsgeist zu entwickeln. Ob die Berichte, die es über
die von Pennalern in Leipzig zeitweise agierenden Diebesbanden von
Pennälern (vgl. Füssel 2005,
S.22) auch eine soziale Komponente hatte, also vor allem von
pauperes gebildet wurden, kann hier nicht geklärt werden.
Im 18. Jahrhundert
wendete sich die Stimmung allmählich gegen die Universitätsbildung
der pauperes. Fortan forderten Landesfürsten immer öfter eine
strengere Prüfung der intellektuellen Eignung der Armen, um ihnen
den Zugang zur universitären Ausbildung zu erschweren. (vgl.
Denk 2018)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
06.12.2024