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der Universität (Wikipedia) »Kloster-
und Domschulen »Mittelalterliche Universität
»Entwicklung der Universitäten im deutschsprachigen
Raum »Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens
Das Trinken alkoholischer Getränke, vor allem von Bier, gehörte
zu nahezu allen geselligen Zusammenkünften der Studenten in der frühen
Neuzeit. Allerdings schlugen die Studenten dabei oftmals auch so
über die Stränge, dass ihre Feiern und exzessiven Saufgelage immer
wieder zum öffentlichen Ärgernis wurden.
Dabei war
übermäßiger Alkoholkonsum in der frühen Neuzeit keineswegs eine
Erscheinung, die nur junge Leute bzw. Studenten betrag. Noch immer
waren es vor allem Adelige, die exzessive Saufgelage veranstalteten
und zu deren Umgangsformen es einfach gehörte, alkoholische Getränke
zu sich zu nehmen. Im Grunde mündeten alle festlichen Zusammenkünfte
des Adels, insbesondere Hochzeiten u. ä. in mehr oder weniger
ausgiebigen Trinkgelagen. Das Zutrinken wurde dabei zur "Trinkfehde"
umfunktioniert, bei der es galt den anderen "halb todt
niederzutrinken oder zu zechen. Man hielt dies für eben so rühmlich,
als über den Feind einen Sieg davon tragen." (vgl.
Krünitz ab 1773, »Oeconomische
Eyncklopädie)
Damit das Ganze
nicht allzu sehr aus dem Ruder lief, wurden an manchen Höfen
Trinkordnungen erlassen, die regelten, wie das Trinken bei der Tafel
ablaufen und wie und wie auf die Gesundheit (das sogenannte
Gesundheitstrinken) stattfinden sollte.
Auch die Bauern und
Handwerkern nutzten bestimmte Anlässe, um den Alkohol fließen zu
lassen. Manche Zünfte erließen dazu regelrechte »Trinkordnungen
(Kommente), um den die immer stärker um sich greifenden Zechgelage
von Gesellen und ihre Auswüchse einzudämmen. Ein durchsoffenes
Wochenende führte nämlich auch schnell dazu, den Montag blau zu
machen (»blauer
Montag), um einen Kater auszukurieren.
Die allgemeine
Trunksucht abzustellen, war auch eine der wichtigsten Ziele der ▪
Sozialdisziplinierung des Untertanenverbandes bei der
Herausbildung des modernen Staates in der frühen Neuzeit. Auch aus
diesem Grunde gingen die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten seit
dem 16. Jahrhundert immer stärker gegen sie vor. Man kann sich zur
Verdeutlichung der strategischen Bedeutung dieser Aufgabe nur einmal
vor Augen führen, mit welchen Problemen der Aufbau eines geordneten
Post- und Postkutschensystems zu kämpfen hatte, wenn Fahrtzeiten
deshalb nicht eingehalten wurden, weil die Kutscher, betrunken wie
sie waren, erst einmal ihren Rausch ausschlafen mussten. (vgl.
Gräf/Pröve 1997, S.247)
Trunksucht ist
schon im Mittelalter Thema, das von Predigern und Moralisten
angeprangert wurde. Aber auch in der satirischen Sauferzählung »Der
Wiener Meerfahrt
(um 1270) und in verschiedenen Benimmbüchern ("Tischzuchten"
genannt) wie dem Deutschen Cato, einer Sammlung lateinisch
abgefasster Lebensregeln, die Anfang des 13. Jahrhunderts erstmals
ins Deutsche übertragen wurden, wurde das Thema aufgegriffen (vgl.
Fasbender
2011, S.167), bis es gegen 1500 zu "einer sich über Deutschland
gleichsam aus Fässern ergießenden Trunkenheitsliteratur" (vgl.
ebd.)
kam.
Seit dem 16.
Jahrhundert gingen weltliche und geistliche Obrigkeit jedenfalls mit
zahlreichen »Policey- und
»Zuchtordnungen,
mit denen sie tief in das Leben der Untertanen eingegriffen haben,
auch gegen die Trunksucht vor.
Da sich die
Trinksucht auch bei Bürgern und Bauern verbreitete, wurde das
Zutrinken auch auf »Reichtagen
des Heiligen Römischen Reiches in Reichstagsabschieden seit 1512
mit großer Regelmäßigkeit immer wieder sanktioniert, ohne dass dem
Phänomen damit aber wirklich beizukommen war.
Schon 1513 haben
die beiden sächsischen Kurfürsten, »Friedrich
der Weise (1463-1525) und »Georg
der Bärtige (1471-1539), ein Edikt auf großformatigen Tafeln
öffentlich anschlagen lassen, welches das Fluchen und das Zutrinken
(propinatio), das wettkampfartig
verlaufende Sich-gegenseitig-Zuprosten und Trinken (bis zum
Umfallen) künftig unter Strafe stehe. (vgl.
Fasbender
2011, S.165) Ihre Motive waren wohl dafür eher fürsorglicher
Art, waren aber auch Maßnahmen zur Sozialdisziplinierung der
Untertanen durch die Landesfürsten.
Ein Beispiel für solche
Verordnungen ist die
▪
Polizeiordnung der Gräfin »Anna
von Ostfriesland (1562-1621) aus dem Jahr 1545, in der es u. a, heißt,
"dass die schweren Laster der Gotteslästerung, des Fluchens,
Spielens, des Zu- und Volltrinkens,
Tag und Nacht in Wirtshäusern Liegens sowie der Prunksucht in der
Kleidung, was Weib und Kind sowie den Mann selbst an den Bettelstab
bringt, dazu Streit und blutige Schlägereien, Ehebruch, Kuppelei und Hurerei, Wucher und alle
anderen Bosheiten, von denen die Welt nun leider voll ist, nicht ungestraft
bleiben" könnten und zur Anzeige zu bringen seien.
In der Folge wurden
vielerorts die Trinkstuben geschlossen und die Zeiten für den
Ausschank alkoholischer Getränke verkürzt. Zudem startete man unter
den Adeligen eine ideologische Offensive, indem man Vereinigungen
wie den vom Landgrafen »Moritz
von Hessen 1600 gestifteten »Temperenzorden
gründete, der die "Ordensbrüder" - Ehrensache versteht sich - in
gewissen Grenzen zur Enthaltsamkeit, vor allem aber zur Mäßigung
beim Alkoholkonsum, verpflichtete. Wer zum Orden gehören wollte,
durfte sich zwei Jahre lang nicht "vollsaufen" und nicht mehr als
sieben Becher Wein zu einer Mahlzeit zu trinken. (vgl.
Krünitz ab 1773, »Oeconomische
Eyncklopädie). Besonders nachhaltig waren aber auch solche
ideologischen und auf freiwillige Unterwerfung unter eine sich
selbst auferlegte soziale Disziplin setzenden Maßnahmen nicht. Es
dauerte nicht lange, da waren diese Vereinigungen nämlich wieder von
der Bildfläche verschwunden und die Ordensmitglieder zu ihrer alten
Lebensart zurückgekehrt. (vgl.
ebd.),
Dem Problem der
Trunksucht war also nicht so ohne weiteres beizukommen, und auch
alles, was dagegen von den Kanzeln gepredigt oder was dagegen auch
geschrieben wurde, lief im Grunde genommen ins Leere. Da nützte es
wahrscheinlich auch wenig, wenn die Trunkenheit geradezu dämonisiert
wurde. Der Prototyp solcher Schriften über die Trunksucht dürfte
"Wider den Saufteufel (...) Item ein Sendbrieff des Hellischen
Sathans/ an die Zutrincker/ vor 45 Jahren zuuor ausgangen. Item ein
Sendbrieff Matthei Friderichs / an die follen Brüder in Deudschem
Lande" (1561) (»google-books)
von Mattheus Friedrich sein. Der Pfarrer von Görenz, der mit allem
Nachdruck von den weltlichen und geistlichen Obrigkeiten verlangte
gegen die Trunksucht, die für ihn "die Mutter aller Sünden"
darstellte. Insbesondere gelte es gegen die Unsitte des
Zutrinkens, das wechselseitige Zuprosten
und Trinken in einer Art Wettkampf (auch
Saufduell genannt), vorzugehen, weil "aus dem zutrincken/
Trunckenheit / vnd aus Trunckenheit viel Gottslesterung /
Todtschlege/ und sonst viel laster entstehen". Friderich
personifizierte das Trunkenheitslaster mit dem Teufel bzw. dem "Sauffteufel"
und beeinflusste damit diese Art von Teufelsliteratur, die mit
Andreas Musculus (seit 1555) ihre Blüte erlebte. Dass die
Trunkenheit zur Hauptsünde deklariert wurde, zeigt auch die
seinerzeit offenbar gern erzählte "Geschichte von jenem Mann, den
der Teufel einst vor die Wahl stellte, ob er lieber durch
Trunkenheit, Ehebruch oder Mord sündigen wolle. Der gute Mann wählte
natürlich die Trunkenheit, doch leider verging er sich im Suff
zuerst an der Nachbarin und erschlug dann auch noch den
hinzueilenden Gatten. Dieser narrative Nachweis des
Trunkenheits-Primats gab den Moralisten Anlass, den Punkt
'Schädigung der Seele“ durch bewährte Sündenkataloge weiter zu
strukturieren: Unkeuschheit vorweg, dann Gotteslästerung,
Streitsucht, Zorn, Trägheit, Verschwendung, Diebstahl, Verleumdung,
Torheit und Verzweiflung" (Fasbender
2011, S.165), die allesamt zu Trinkersünden erklärt wurden.
Dass, der Vollständigkeit halber nachgetragen, auch die Warnungen
von Ärzten und Medizinern vor den gesundheitlichen Folgen des
übermäßigen Alkoholkonsums weitgehend ungehört blieben, zeigt, dass
auch "sachliche" Argumente wenig Aussicht auf Erfolg hatten, der
Trunksucht Einhalt zu gebieten.
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Der Kampf gegen den
"Sauffteufel" rief also immer wieder unterschiedliche Akteure auf
den Plan. Auch »Martin
Luther (1483-1546) sah sich genötigt, "betrunkene Schweine"
öffentlich zu brandmarken und sprach davon, dass wohl "jeglich Land
seinen eigenen Teufel haben" müsse und der "Deutsche Teufel" eben
der "Weinschlauch" sei und "Sauff" genannt werden müsse. Fazit: "der
Sauff bleibt ein allmächtiger Abgott bei uns Deutschen" (Krünitz
ab 1773, »Oeconomische
Eyncklopädie).
Zwar wurde das
Saufen ähnlich wie die Völlerei (übermäßiges Essen) moralisch als
ein Laster und eine Todsünde betrachtet, doch galt dies eben nur für
das Übermaß. Trinken in Maßen war hingegen überall erlaubt und
gehörte zur Geselligkeit dazu.
Trinkgelage und Saufkultur der Studenten als öffentliches Ärgernis
Geselligkeit war
auch für die studentische Kultur der Zeit von zentraler Bedeutung.
Gerade im Studentenmilieu bildete sich über sie ein
Gruppenzusammenhalt, der zur Identitätsbildung der Studenten, aber
auch der Gelehrten insgesamt beigetragen hat.
Daher "(waren)
abendliche Trinkgelage im Wirtshaus, private Einladungen und
gegenseitige Besuche (...) waren nicht nur Ausgangspunkte
zahlreicher Konflikte, sondern ebenso selbstverständlicher,
gemeinschafts- und identitätsstiftender Bestandteil der
studentischen Kultur wie gemeinsames Musizieren und Tanzen,
Spaziergänge, Mummenschanz, Ball- und andere Spiele. Gast- und
Festmähler anlässlich von Bakkalaureat, Magisterexamen und Promotion
bildeten darüber hinaus zentrale Elemente der frühneuzeitlichen
Universitätskultur mit hohem symbolischen Gehalt." (Bernhardt/Krug-Richter
2013 S.8)
Natürlich zeigten
sich dabei auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die
Studenten waren alle männlich und dementsprechend waren auch die
Rituale und Formen, in denen sich der Alkoholkonsum unter den
Studenten vollzog, "männlich":
Meistens ging es
dabei "um Männlichkeit und Ehre, um die ehrenvolle Integration in
bestimmte Zusammenhänge wie studentische Tisch-, Bursen- und Haus-
oder Trinkgemeinschaften, um die Partizipation an universitären und
außeruniversitären Festlichkeiten oder deren Gegenteil – die
ehrenrührige Ausgrenzung und Abgrenzung." (ebd.)
Vor allem die
Trinkgemeinschaften schufen dabei mit ihren Trinkritualen wie dem
Bruderschafts-Trinken ein Wir-Gefühl und festigten den sozialen
Zusammenhalt, gaben der Gruppe aber auch Gelegenheit sich gegenüber
anderen sozialen Gruppen in den Städten abzugrenzen.
Wenn die Studenten zusammenkamen, und
das taten sie nicht weniger gerne als dies junge Leute von heute
tun, war "Party" angesagt, und zwar mit allem was bis
heute dazugehört, wenn junge Leute in der Öffentlichkeit "feiern":
Fröhliche Ausgelassenheit, provokantes Gebaren gegenüber Älteren,
die sich darüber mokieren, und eine immer wieder mal in
Ausschreitungen gegenüber Ordnungskräften sichtbare Aggressivität.
Das es viele Studenten gab, die sich dabei ins Koma soffen, herumgröhlten, allerlei sonstigen Unfug trieben
und immer wieder auch randalierten, gehörte nach
Ansicht der männlichen Studenten eben dazu. Aber, vor allem unter
Alkoholeinfluss, kam es dabei schon einmal zu regelrechten
Massenprügeleien, nicht selten mit "Messerstechereien und Kämpfen
mit Schwert oder Degen" (Bauer 1926,
S.63) untereinander, aber auch mit Handwerksgesellen und Soldaten oder zu Sachbeschädigungen aller Art, an
öffentlichen, aber auch privaten Gebäuden. Kam es bei den
studentischen Umtrieben so Rechtverstößen, so unterstanden sie nicht
der Gerichtsbarkeit der Stadt, sondern die Straftäter waren als ▪
akademische Bürger («civis academicus») der Gerichtsgewalt des
Rektors unterworfen, die mit dem von im verhängten Strafen die
eigenen Kassen füllen durfte. Von drakonischen Körperstrafen waren
sie jedenfalls verschont und vielleicht hat auch dies dazu
beigetragen, dass es immer wieder zu solchen Vorfällen kam und die
betroffenen studentischen "Straftäter" in den Augen der betroffenen
Stadtbürger einfach zu gut davonkamen.
Von den Provokationen,
mit denen die Studenten die normalen Bürgerinnen und Bürger immer wieder
herausforderten, ganz zu schweigen.
Das Absingen obszöner und
sonstiger Sauflieder (▪
Beispiel) war das eine, das Stören von Hochzeiten und anderer
privater Feste das andere, und einfach mal so, der Gaudi wegen, ein
paar
Fenster einwerfen, nichts Außergewöhnliches. Dass man, wenn
möglich auch jungen Frauen im wahrsten Sinne des Wortes an die
Wäsche ging und ihnen die Röcke hob (Unterwäsche wurde meistens
darunter nicht getragen) oder sie beim Tanz "verdrehte" oder
"abstieß", sie umwarf und damit entblößte, waren Unsitten, die so
manchem Zeitgenossen, der ohnehin kaum aushielt, dass sich viele
Studenten nicht an die vorgeschriebene Kleidung hielten, sondern in
ihren "unzüchtigen" »Pluderhosen
umherzogen, entschieden zu weit gingen. (vgl.
ebd., S.63) Der
Schnitt und die Anfertigungsweise dieser Hosen unterschied sich
eigentlich nicht von der bekannten spanischen Hose, aber die Menge
des Stoffes, die verwendeten Materialien und deren Farben waren ganz
das Gegenteil von der früher üblichen schlichten mönchischen
Kleidung, die den Studenten, solange sie in den Bursen wohnten,
aufgezwungen worden war. Die Pluderhose glich dabei auch den Hosen,
die die Landsknechte der Zeit trugen. Diese hatten sich angewöhnt,
"die beiden Backen des Hintersten dick zu wattiren und den ▪
Latz,
welchen man noch besonders durch hindurch gezogene Stoffmassen
schmückte, bedeutend ausstopfen zu lassen." (Köhler
1871, S.164) Dabei konnte der Latz, mit dem Penis und Hodensack
der Männer betont wurden, gar nicht groß genug sein, sondern sollte,
wie es ein zeitgenössisches ▪
Gedicht aus
dem Jahr 1555 zum Ausdruck brachte, etwa die Größe und den ▪Umfang
eines Kalbskopfes haben.
An
zahlreichen Orten gingen die Universitäten, weltliche und geistliche
Obrigkeiten gegen diese neue Mode vor. In Wittenberg hieß es 1546,
die "Studenten in allen Fakultäten sollen nicht zerschnitzelte, noch
kurze Kleider tragen, sondern ihre Kleider sollen ehrlich und seiner
ziemlichen Länge sein, denn es zumals eine große Leichtfertigkeit
und Misstand ist, so die Jugend in kurzen Kleidern vor erhlichen und
züchtigen Frauen erscheint." (ebd.,
S.40) Schneider erhielten Verbote, entweder Pluderhosen überhaupt
anzufertigen, oder aber mussten sich an daran halten, für die
Hosenanfertigung nur eine bestimmte Menge Seide zu verwenden.
Und der Kurfürst »Joachim
II. (1505.1571) von Brandenburg scheute sich nicht, mit
auffallenden Pluderhosen bekleidete Männer drei Tage öffentlich an
den Pranger zu stellen und Musikanten vor ihnen zur Verspottung
aufspielen zu lassen. Es soll auch vorgekommen sein, dass er
Edelleuten in Pluderhosen "auf offener Strasse heimlich den
Hosengurt durchschneiden (ließ), so dass die Hosen herabfielen und
die Herren, zu allgemeiner Belustigung, plötzlich entblösst
dastanden". (Köhler
1871, S.165, Anmerkung)
Auch
wenn religiöse Eiferer weiter dagegen Sturm liefen und wie der
Generalsuperintendent »Andreas
Musculus (1514-1581) 1557 und in einer 2. Auflage 1563 gegen "zerluderten,
Zucht- und Ehrverwegenen pludrigten Hosenteufel" zu Felde zogen,
aufhalten ließ sich der Trend zur vielfach geschlitzten Pluderhose
aber nicht, zumal außer den Studenten auch Handwerker und Adelige
Gefallen daran fanden.
So
verwundert es nicht, dass man mancherorts auch daran ging, den Studenten
"den Umgang mit verdächtigen Frauenzimmern(n) und die Verführung von
Bürgertöchter(n)" (ebd.)
regelrecht zu verbieten. Was ihnen blieb, war der Gang ins "fünfte
Kollegium", wie Studenten mancherorts die Bordelle und
Frauenhäuser nannten, in denen wie in den Universitätsstädten
Dillingen, Frankfurt a. M. und an der Order, Halle, Jena,
Ingolstadt, Köln, Rostock, Straßburg und Wien (vgl.
ebd. S.68)
Prostituierte ihre Dienste anboten.
Das übermäßige
Trinken, die exzessiven Saufgelage der Studenten führten also häufig zu Problemen, so dass die Behörden in Städten
und in ihrer Umgebung sich immer wieder zum Einschreiten gezwungen
sahen. Und natürlich sind die Klagen darüber zahlreich und
parteiisch. Die soziale Funktion studentischer Geselligkeitsformen
blieb dabei außen vor.
Unter anderem erließen
die Behörden wie in Tübingen Regelungen, die
den Bürgern der Stadt oder Universitätsangestellten bei strenger
Strafe verboten, heimliche Trinkstuben für Studenten zu unterhalten
und auch Wirte, die sie einrichteten, mussten mit einer Strafe
rechnen. Zudem wurde erlassen, dass die Eltern für Zechschulden
ihrer Söhne nicht aufzukommen hatten. (vgl.
Bauer 1926,
S.95) Durchschlagenden Erfolg hatten solche Maßnahmen aber offenbar
nicht. Man konnte, um sich weiter zu besaufen, ja einfach in die
Umgebung, in die sogenannten Bierdörfer, ausweichen.
Aber auch an den Universitäten ist man gegen diese studentischen
Umtriebe immer wieder vorgegangen. So ist aus Jena z. B. bekannt,
dass eine Policey-Ordnung gegen das "Vollsaufen und Volltrinken“
erlassen wurde. (ebd.1926)
und auch andere Universitätsstädte zogen nach, auch wenn sie damit
doch auf verlorenem Posten standen.Trunkenheit war ohnehin geradezu
gesellschaftsfähig, solange es nicht zu extremen Exzessen kam.
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Die satirische Verarbeitung der studentischen Saufgelage: Philander
von Sittawald
Wie es bei diesen Saufexzessen zugehen konnte, schildert ▪
Johann Michael
Moscherosch (1601-1669) in seiner Prosasatire ▪ "Philander
von Sittewald", in der die Hauptfigur bei seinem Besuch in der
Hölle in einen Raum kommt, wo die frevelhaften ▪
Studenten in einer Art Gefängnis zusammengepfercht sind und ihre
Höllenstrafe erwarten müssen. Womöglich waren es Erfahrungen des
Autors an der Universität von Straßburg, die ihm bei der satirisch
gewiss noch überzeichneten Beschreibung des Saufgelages der
Studenten in der zweiten Hälfte des 30-jährigen Krieges als Vorlage
gedient haben:
"Ich ging weiter und gelangte in ein finsteres Gefängnis, in dem
ich ein mächtiges Klingen und Rasseln von Ketten, Eisen und Banden,
von Streichen und Schlägen hörte. [...] Und sieh', ich sah ein
großes Zimmer, eine Kunkelstube, ein Bierhaus, ein Pastetenhaus,
eine Weinstube, ein Ballhaus, ein Hurenhaus u.s.w. Ich kann nicht
sagen, was es eigentlich gewesen ist, denn ich sah alle diese Dinge
darin: Huren und Buben, Herren und Bärenhäuter, Rüpel und Studenten.
Ich fragte, was für eine Gesellschaft das wäre? und der Geist sagte
mir mit zwei Worten: das ist euer Studentenleben. [...] Als ich auf
Ermahnung des Geistes näher hinzutrat, sah ich, daß die Vornehmsten
an einer Tafel saßen und einander zusoffen, daß sie die Augen
verkehrten wie gestochene Kälber oder geschochtene Ziegen. Aber bei
der Schenke bemerkte ich einen in grausamer Gestalt, der ihnen
heimlich Schwefel und brennendes Pech unter den Wein mengte, wovon
sie erhitzt wurden, als ob sie voll höllischen Feuers wären. Einer
brachte dem andern eins zu aus einer Schüssel, aus einem Schuh: der
eine fraß Gläser, der andere Dreck, der dritte trank aus einem
verdeckten Geschirr, darin allerhand Speisen waren, daß einem davor
gruselte.‹ [...] Sie ziehen des Nachts umher: die einen spielen die
Laute, die andern die Zither, andere schreien und raufen, und bald
folgt das Jammergeschrei der Verwundeten. Daher werden sie
Nachtraben genannt. [...] Andere wieder soffen einander zu auf
Stühlen und Bänken, auf dem Tisch oder auf dem Boden, auf den Knieen,
den Kopf unter sich, über sich, hinter sich, vor sich. Andere lagen
auf dem Boden und ließen sich den Wein einschütten durch einen
Trichter. Andere lagen und schnarchten; andere nickten und tranken
sich zu; andere stimmten mit schwerer Zunge dem Gesänge der Genossen
bei; andere lagen lang auf dem Tische, das Kinn in die hohle Hand
gestützt. Nun ging's über Thür und Ofen, über Trinkgeschirr und
Becher her und mit denselben zum Fenster hinaus mit solcher
Unsinnigkeit, daß mir grauste. Andere lagen da, spieen und kotzten
wie die Gerberhunde; und wenn sie sich genugsam in dem Unflat
besudelt hatten, dann kamen ein paar häßliche Geister und trugen sie
zu Bett, daß die Flamme über ihrer Seele zusammenschlug. Da sahen
sie sich denn plötzlich um, wo sie waren und schrien vor höllischem
Schrecken: o über die vergangenen Zeiten! [...]“
Die "Ehrenrettung" der Säufer: Zechkommente
Das gesellige Vollsaufen, man würde es heute wohl Komasaufen
nennen, war also unter den Studenten der Zeit weit verbreitet.
Als
Teil der studentischen Kultur wurde es das gesellige Trinken, das
oftmals in solchen Saufexzessen mündete. aber auch immer wieder
"kultiviert" und war Gegenstand von allerlei humoristischen Texten,
die eine Art "Ehrenkodex" für das Trinken in studentischer Runde
verkündeten.
Allerdings waren diese Versuche meist nicht ernst
gemeint, sondern das, was sie in einem speziellen
Zechkomment an
geschriebenen und ungeschriebene Verhaltensregeln aufstellten,
diente mehr der Unterhaltung und weniger der tatsächlichen
Kultivierung des allseits praktizierten Komasaufens der Studenten.
Parodistisch, unterhaltend-disputierend und mit viel Humor wurde
sich da mit den vielfältigen Erscheinungen und Folgen beim
geselligen Betrinken bis ins Detail hinein auseinandergesetzt. Dabei
werden alle nur denkbaren Fragen erörtert, die beim gemeinsamen
Saufen auftreten konnten, wie z. B. die Frage, was geschehen solle,
wenn jemand bei einem Rundtrunk aus einem Gefäß in die Kanne nießen
oder husten oder, während dieser lief, dringend urinieren müsse.
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Max Bauer
hat in seiner 1925 erschienenen "Sittengeschichte des deutschen
Studententums“ einen dieser "Ehrenkodexe" wie folgt dargerstellt:
»Im Jahre 1615 erschien das »Ius potandi oder Zech Recht. Durch
Blasium Multibibum aufgesetzt, vnd
jetzt aus dem Lateinischen übersetzt per Joannam Elisabetham de
Schwinutzki«. Ein Jahr darauf gab es schon eine zweite Auflage, und
von da ab zahlreiche Nachdrucke und Bearbeitungen, allein im 17.
Jahrhundert 14 lateinische und 7 deutsche Ausgaben, [...]
Blasius Vieltrunk, der Verfasser des
Zechrechts, war sonder Zweifel ein Student, der sich mit Lust und
Liebe, aber auch mit viel Humor herangemacht hatte, seinen
Kommilitonen Saufregel zu liefern. Unter den vielen »Schimpfbüchlein
vom Saufe'n« ist das des Multibibus wohl das einzige, das
ausschließlich für Studenten berechnet ist. In 60 kurze Kapitel
verteilt der Verfasser alles das, was er vom Trinken zu sagen hat,
und was er beim Trinken beachtet wissen will. Vorn löblichen und
schönen Ursprung des Sauffens, Schwelgens und Demmens [Zechen.
Prassen, d. Verf.] kommt er zu den Gründen des Zechens. Er sieht in
ihnen nichts anderes, "als ein tapffers und rittermäßiges
Scharmützel. welches mit Kannen, Gläsern und ergleichen Gefäßen,
damit man frisch auff einander zusegelt, vor die Hand genommen wird.
Das Zechrecht aber, welches sich dahero entspinnet und entspringet‚
ist dasjenige, das da in sich begreiffet, alle Gebräuche,
Solennitäten [Feierlichkeiten, Feiern, d. Verf.] und zu solchem
Werck gehörige Ceremonien und dameben hell und klar alles das, was
einer dem andern nach Statut und. Satzungen zu leisten schuldig‚
vermeldet und anzeigt." [...] (S. 99ff.)
Bei der Beschreibung der
Zutrinkgebräuche steigen dem Verfasser die Bedenken auf; "ob
denn auch dieses (Zutrinken) ein vernünftiges Thun und Verrichten
sey?" Er kommt zu dem Ergebnis, "wer weiß nicht, wie viel gute
gesunde Leute, indem sie mit solchem Gesundheitstrincken einem
andern die seine haben wollen erhalten oder verbessern helffen, sich
ihrer eignen, ja ihres Leibes und Lebens, dessen sie sonsten Alters
halben noch wo] eine Zeitlang betten in andre Wege genießen können,
gar elend und muthwilliglich spoliret und beraubet haben. [...] (S.
101)
Kitzlicher [...] ist schon die Frage: Was hältst oder meinest aber
du von einer Jungfrauen, geschieht auch ihr etwa an ihrer Zucht,
Scham und Keuschheit eine Verkleinerung oder Abbruch, wenn sie mit
einem jungen Gesellen uff Brüderschafft oder auff Dutz trincket?“
Jungfrauen seid auf der Hut! [...]
Der nächste Absatz ergeht sich über den Umgang mit Jungfrauen und
solchen, die es gewesen sind oder nicht mehr sein wollen, indem die
Frage aufgeworfen wird, "ob auch Jungfrauen solchen Conversationibus
[Gespräche, d. verf.] ohne Gefahr und sicherlich könten beywohnen."
Darüber heißt es nun: "Füwahr, weil ihrer viele bevoraus allda
ungewisser Hände seyn und mit denselben bald herauff, bald
hinunterwerts in alle Winckel zu grapscheln pflegen und gleich wie
die Schafe umher irren, son derlich wann ihnen die Augenlieder‚ wie
dazumahl gar leichtlich geschiehet, unversehens zufallen, also
achten wir bey solcher Beschaffenheit nicht vor rathsam, daß ihnen
die anwesenden guthertzigen Jungfräulein zu viel trauen: latet enim
anguis in herbis (Vergil, Ecloge 5,95) [etwa: denn die Schlange
liegt im Gras, d. Verf.], welche, so sie eins mit dem Stachel
treffe, dürffte sie wol durch gefährliche Vergifftung das arme
Mägdlein so schwellend machen, daß ihr mit keinem Pflaster, wie
starck auch die vis attractiva [Anziehungskraft, d. Verf. ] dessen
sei, hernach könne gerathen und geholffen werden. Doch rede ich
allhier nicht von denen Jungfrauen, die nach der
»Passauer Kunst sich feste machen und wider Hieb, Stich und
Geschoß können. Mögen derhalben etliche fromme
»Galatheae
wol bedencken, was die Jungfrauschaft vor ein gefährlich und
zerbrechlich Ding sey cum eam osculo delambari tradent [etwa: du
wirst sie mit einem Kuss verraten, d. Verf.]. Sie mögen auch
darneben ein wenig fleißiger behertzigen . . . daß auch die Götter
selbst eine einmahl verderbte Jungfrau nicht wiederum könten
ergäntzen und wieder zu recht bringen. Solches alles und jedes nun
acht ich, was diejenigen Jungfräulein wol wissen und verstehen, die
sich und ihr selbst Heil und Wolfahrt gar beißig tiefen dieren und
beschützen wollen, indem
sie gar zorniglich solche und der gleichen Schelt- und
Schutzwörtlein von sich hören lassen: Sine me inde tonsam [etwa:
ohne mich!], laß mich zu frieden, laß mich ungefoppt. Manum de
tabula [etwa: Hände weg!, d. Verf.]. Nicht zu weit, Herr. Lieber
lasts bleiben, ihr werdet hier nichts finden, was ihr Zech- und
Sauf-Disputafion und euersgleichen suchet. Domine, quod sunt venti?
[etwa: Mein Herr, was machen Sie für einen Wind?] Was will der Herr
wol? Oder wie etliche »Neotericae
und Neugesittete zu sagen pflegen: Hoccine adspiras? [etwa: Worauf
wollt ihr hinaus?] Gleichwol, wolt ihr gerne hin? Bei Leibe nicht.
Ach, wie könt einer doch? Es wäre meine höchste Ungelegenheit. Höret
auff, lasset es bleiben. Lieber last die Possen bleiben. Lieber last
es seyn. Ist der Herr auch hönisch? Diese Woche nicht. Sehet doch,
was wollt ihr denn wol? Meinet ihr, daß ich eine H ... e bin? Das
mal nicht, es schläffet heute ein Bauer bey mir. Last mich gehen. I
ne doch! Wo kommt ihr her? Was weit ihr denn wol? I, ihr seid wol
richtig? Ey, lieber lecket mich gar am A... . . Habt ihr auch
neulich das Maul gewischt? Und was dergleichen indignanda formulae
[etwa: unheheure Formulierung] und sehr schöne Ungedults-Formen und
Wörtlein unzehlich mehr von den Jungfrauen mögen gehöret werden“.
"Hier entsteht nun eine nicht ungereimte Frage", heißt es [...],
"ob
derjenige, der da solcher Gestalt einer Jungfrauen hätte wollen mit
der Hand in Rock fahren, injuriarum [etwa: von Rechts wegen,
gerechterweise, statutgemäß. d. Verf.] könne belanget werden?“ was
bejaht wird. Etwas anderes ist es natürlich, wenn eine 'Jungfrau'
ein verlöffeltes und geiles Rößlein ist. [...]« (S.103ff.)
(aus: Max Bauer, Sittengeschichte des deutschen Studententums,
Dresden: Aretz-Verlag 1926, S.98-105)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
28.02.2022
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