teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


 

 

 

Studentenleben in der frühen Neuzeit (1350-1789)

Trinkgelage in Pluderhosen

Studentisches "Feiern" als öffentliches Ärgernis

 
GESCHICHTE
Grundbegriffe der Geschichte Europäische Geschichte  ● Frühe Neuzeit (1350-1789) Zeitalter der Renaissance (ca.1350-1450) Reformation und Glaubenskriege (1517-1648) Zeitalter der Entdeckungen (1415-1531) Absolutismus und Aufklärung (ca. 1650-1789) Beginn des bürgerlichen Zeitalters Einzelne sozial- und mentalitätsgeschichtliche Aspekte Überblick [ Studentenleben Überblick Die Universität: ein Personenverband mit besonderen Rechten Die innere Organisation der Universitäten Soziale Zusammensetzung der Studenten Der Gang eines Studiums Studierende und ihre AbschlüsseDas Leben in der Burse Die Deposition Pennalismus Trinkgelage in Pluderhosen Studentensprache Textauswahl ▪ Bausteine ▪ Links ins Internet ] Deutsche Geschichte
 

»Geschichte der Universität (Wikipedia)
»Kloster- und Domschulen

»Mittelalterliche Universität
»Entwicklung der Universitäten im deutschsprachigen Raum
»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens

Trunkenheit und Trunksucht als gesellschaftliches Problem

Das Trinken alkoholischer Getränke, vor allem von Bier, gehörte zu nahezu allen geselligen Zusammenkünften der Studenten in der frühen Neuzeit. Allerdings schlugen die Studenten dabei oftmals auch so über die Stränge, dass ihre Feiern und exzessiven Saufgelage immer wieder zum öffentlichen Ärgernis wurden.

Dabei war übermäßiger Alkoholkonsum in der frühen Neuzeit keineswegs eine Erscheinung, die nur junge Leute bzw. Studenten betrag. Noch immer waren es vor allem Adelige, die exzessive Saufgelage veranstalteten und zu deren Umgangsformen es einfach gehörte, alkoholische Getränke zu sich zu nehmen. Im Grunde mündeten alle festlichen Zusammenkünfte des Adels, insbesondere Hochzeiten u. ä. in mehr oder weniger ausgiebigen Trinkgelagen. Das Zutrinken wurde dabei zur "Trinkfehde" umfunktioniert, bei der es galt den anderen "halb todt niederzutrinken oder zu zechen. Man hielt dies für eben so rühmlich, als über den Feind einen Sieg davon tragen." (vgl. Krünitz ab 1773, »Oeconomische Eyncklopädie)

Damit das Ganze nicht allzu sehr aus dem Ruder lief, wurden an manchen Höfen Trinkordnungen erlassen, die regelten, wie das Trinken bei der Tafel ablaufen und wie und wie auf die Gesundheit (das sogenannte Gesundheitstrinken) stattfinden sollte.

Auch die Bauern und Handwerkern nutzten bestimmte Anlässe, um den Alkohol fließen zu lassen. Manche Zünfte erließen dazu regelrechte »Trinkordnungen (Kommente), um den die immer stärker um sich greifenden Zechgelage von Gesellen und ihre Auswüchse einzudämmen. Ein durchsoffenes Wochenende führte nämlich auch schnell dazu, den Montag blau zu machen (»blauer Montag), um einen Kater auszukurieren.

Die allgemeine Trunksucht abzustellen, war auch eine der wichtigsten Ziele der ▪ Sozialdisziplinierung des Untertanenverbandes bei der Herausbildung des modernen Staates in der frühen Neuzeit. Auch aus diesem Grunde gingen die weltlichen und geistlichen Obrigkeiten seit dem 16. Jahrhundert immer stärker gegen sie vor. Man kann sich zur Verdeutlichung der strategischen Bedeutung dieser Aufgabe nur einmal vor Augen führen, mit welchen Problemen der Aufbau eines geordneten Post- und Postkutschensystems zu kämpfen hatte, wenn Fahrtzeiten deshalb nicht eingehalten wurden, weil die Kutscher, betrunken wie sie waren, erst einmal ihren Rausch ausschlafen mussten. (vgl. Gräf/Pröve 1997, S.247)

Trunksucht ist schon im Mittelalter Thema, das von Predigern und Moralisten angeprangert wurde. Aber auch in der satirischen Sauferzählung »Der Wiener Meerfahrt (um 1270) und in verschiedenen Benimmbüchern ("Tischzuchten" genannt) wie dem Deutschen Cato, einer Sammlung lateinisch abgefasster Lebensregeln, die Anfang des 13. Jahrhunderts erstmals ins Deutsche übertragen wurden, wurde das Thema aufgegriffen (vgl. Fasbender 2011, S.167), bis es gegen 1500 zu "einer sich über Deutschland gleichsam aus Fässern ergießenden Trunkenheitsliteratur" (vgl. ebd.) kam.

Seit dem 16. Jahrhundert gingen weltliche und geistliche Obrigkeit jedenfalls mit zahlreichen »Policey- und »Zuchtordnungen, mit denen sie tief in das Leben der Untertanen eingegriffen haben, auch gegen die Trunksucht vor.

Da sich die Trinksucht auch bei Bürgern und Bauern verbreitete, wurde das Zutrinken auch auf »Reichtagen des Heiligen Römischen Reiches in Reichstagsabschieden seit 1512 mit großer Regelmäßigkeit immer wieder sanktioniert, ohne dass dem Phänomen damit aber wirklich beizukommen war.

Schon 1513 haben die beiden sächsischen Kurfürsten, »Friedrich der Weise (1463-1525) und »Georg der Bärtige (1471-1539), ein Edikt auf großformatigen Tafeln öffentlich anschlagen lassen, welches das Fluchen und das Zutrinken (propinatio), das wettkampfartig verlaufende Sich-gegenseitig-Zuprosten und Trinken (bis zum Umfallen) künftig unter Strafe stehe. (vgl. Fasbender 2011, S.165) Ihre Motive waren wohl dafür eher fürsorglicher Art, waren aber auch Maßnahmen zur Sozialdisziplinierung der Untertanen durch die Landesfürsten.

Ein Beispiel für solche Verordnungen ist die ▪ Polizeiordnung der Gräfin »Anna von Ostfriesland (1562-1621) aus dem Jahr 1545, in der es u. a, heißt, "dass die schweren Laster der Gotteslästerung, des Fluchens, Spielens, des Zu- und Volltrinkens, Tag und Nacht in Wirtshäusern Liegens sowie der Prunksucht in der Kleidung, was Weib und Kind sowie den Mann selbst an den Bettelstab bringt, dazu Streit und blutige Schlägereien, Ehebruch, Kuppelei und Hurerei, Wucher und alle anderen Bosheiten, von denen die Welt nun leider voll ist, nicht ungestraft bleiben" könnten und zur Anzeige zu bringen seien.

In der Folge wurden vielerorts die Trinkstuben geschlossen und die Zeiten für den Ausschank alkoholischer Getränke verkürzt. Zudem startete man unter den Adeligen eine ideologische Offensive, indem man Vereinigungen wie den vom Landgrafen »Moritz von Hessen 1600 gestifteten »Temperenzorden gründete, der die "Ordensbrüder" - Ehrensache versteht sich - in gewissen Grenzen zur Enthaltsamkeit, vor allem aber zur Mäßigung beim Alkoholkonsum, verpflichtete. Wer zum Orden gehören wollte, durfte sich zwei Jahre lang nicht "vollsaufen" und nicht mehr als sieben Becher Wein zu einer Mahlzeit zu trinken. (vgl. Krünitz ab 1773, »Oeconomische Eyncklopädie). Besonders nachhaltig waren aber auch solche ideologischen und auf freiwillige Unterwerfung unter eine sich selbst auferlegte soziale Disziplin setzenden Maßnahmen nicht. Es dauerte nicht lange, da waren diese Vereinigungen nämlich wieder von der Bildfläche verschwunden und die Ordensmitglieder zu ihrer alten Lebensart zurückgekehrt. (vgl. ebd.),

Dem Problem der Trunksucht war also nicht so ohne weiteres beizukommen, und auch alles, was dagegen von den Kanzeln gepredigt oder was dagegen auch geschrieben wurde, lief im Grunde genommen ins Leere. Da nützte es wahrscheinlich auch wenig, wenn die Trunkenheit geradezu dämonisiert wurde. Der Prototyp solcher Schriften über die Trunksucht dürfte "Wider den Saufteufel (...) Item ein Sendbrieff des Hellischen Sathans/ an die Zutrincker/ vor 45 Jahren zuuor ausgangen. Item ein Sendbrieff Matthei Friderichs / an die follen Brüder in Deudschem Lande" (1561) (»google-books) von Mattheus Friedrich sein. Der Pfarrer von Görenz, der mit allem Nachdruck von den weltlichen und geistlichen Obrigkeiten verlangte gegen die Trunksucht, die für ihn "die Mutter aller Sünden" darstellte. Insbesondere gelte es gegen die Unsitte des Zutrinkens, das wechselseitige Zuprosten und Trinken in einer Art Wettkampf (auch Saufduell genannt), vorzugehen, weil "aus dem zutrincken/ Trunckenheit / vnd aus Trunckenheit viel Gottslesterung / Todtschlege/ und sonst viel laster entstehen". Friderich personifizierte das Trunkenheitslaster mit dem Teufel bzw. dem "Sauffteufel" und beeinflusste damit diese Art von Teufelsliteratur, die mit Andreas Musculus (seit 1555) ihre Blüte erlebte. Dass die Trunkenheit zur Hauptsünde deklariert wurde, zeigt auch die seinerzeit offenbar gern erzählte "Geschichte von jenem Mann, den der Teufel einst vor die Wahl stellte, ob er lieber durch Trunkenheit, Ehebruch oder Mord sündigen wolle. Der gute Mann wählte natürlich die Trunkenheit, doch leider verging er sich im Suff zuerst an der Nachbarin und erschlug dann auch noch den hinzueilenden Gatten. Dieser narrative Nachweis des Trunkenheits-Primats gab den Moralisten Anlass, den Punkt 'Schädigung der Seele“ durch bewährte Sündenkataloge weiter zu strukturieren: Unkeuschheit vorweg, dann Gotteslästerung, Streitsucht, Zorn, Trägheit, Verschwendung, Diebstahl, Verleumdung, Torheit und Verzweiflung" (Fasbender 2011, S.165), die allesamt zu Trinkersünden erklärt wurden. Dass, der Vollständigkeit halber nachgetragen, auch die Warnungen von Ärzten und Medizinern vor den gesundheitlichen Folgen des übermäßigen Alkoholkonsums weitgehend ungehört blieben, zeigt, dass auch "sachliche" Argumente wenig Aussicht auf Erfolg hatten, der Trunksucht Einhalt zu gebieten.


Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!

Der Kampf gegen den "Sauffteufel" rief also immer wieder unterschiedliche Akteure auf den Plan. Auch »Martin Luther (1483-1546) sah sich genötigt, "betrunkene Schweine" öffentlich zu brandmarken und sprach davon, dass wohl "jeglich Land seinen eigenen Teufel haben" müsse und der "Deutsche Teufel" eben der "Weinschlauch" sei und "Sauff" genannt werden müsse. Fazit: "der Sauff bleibt ein allmächtiger Abgott bei uns Deutschen" (Krünitz ab 1773, »Oeconomische Eyncklopädie).

Zwar wurde das Saufen ähnlich wie die Völlerei (übermäßiges Essen) moralisch als ein Laster und eine Todsünde betrachtet, doch galt dies eben nur für das Übermaß. Trinken in Maßen war hingegen überall erlaubt und gehörte zur Geselligkeit dazu.

Trinkgelage und Saufkultur der Studenten als öffentliches Ärgernis

Geselligkeit war auch für die studentische Kultur der Zeit von zentraler Bedeutung. Gerade im Studentenmilieu bildete sich über sie ein Gruppenzusammenhalt, der zur Identitätsbildung der Studenten, aber auch der Gelehrten insgesamt beigetragen hat.

Daher "(waren) abendliche Trinkgelage im Wirtshaus, private Einladungen und gegenseitige Besuche (...) waren nicht nur Ausgangspunkte zahlreicher Konflikte, sondern ebenso selbstverständlicher, gemeinschafts- und identitätsstiftender Bestandteil der studentischen Kultur wie gemeinsames Musizieren und Tanzen, Spaziergänge, Mummenschanz, Ball- und andere Spiele. Gast- und Festmähler anlässlich von Bakkalaureat, Magisterexamen und Promotion bildeten darüber hinaus zentrale Elemente der frühneuzeitlichen Universitätskultur mit hohem symbolischen Gehalt." (Bernhardt/Krug-Richter 2013 S.8)

Natürlich zeigten sich dabei auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Studenten waren alle männlich und dementsprechend waren auch die Rituale und Formen, in denen sich der Alkoholkonsum unter den Studenten vollzog, "männlich":

Meistens ging es dabei "um Männlichkeit und Ehre, um die ehrenvolle Integration in bestimmte Zusammenhänge wie studentische Tisch-, Bursen- und Haus- oder Trinkgemeinschaften, um die Partizipation an universitären und außeruniversitären Festlichkeiten oder deren Gegenteil – die ehrenrührige Ausgrenzung und Abgrenzung." (ebd.)

Vor allem die Trinkgemeinschaften schufen dabei mit ihren Trinkritualen wie dem Bruderschafts-Trinken ein Wir-Gefühl und festigten den sozialen Zusammenhalt, gaben der Gruppe aber auch Gelegenheit sich gegenüber anderen sozialen Gruppen in den Städten abzugrenzen.

Wenn die Studenten zusammenkamen, und das taten sie nicht weniger gerne als dies junge Leute von heute tun, war "Party" angesagt, und zwar mit allem was bis heute dazugehört, wenn junge Leute in der Öffentlichkeit "feiern": Fröhliche Ausgelassenheit, provokantes Gebaren gegenüber Älteren, die sich darüber mokieren, und eine immer wieder mal in Ausschreitungen gegenüber Ordnungskräften sichtbare Aggressivität. Das es viele Studenten gab, die sich dabei ins Koma soffen, herumgröhlten, allerlei sonstigen Unfug trieben und immer wieder auch randalierten, gehörte nach Ansicht der männlichen Studenten eben dazu. Aber, vor allem unter Alkoholeinfluss, kam es dabei schon einmal zu regelrechten Massenprügeleien, nicht selten mit "Messerstechereien und Kämpfen mit Schwert oder Degen" (Bauer 1926, S.63) untereinander, aber auch mit Handwerksgesellen und Soldaten oder zu Sachbeschädigungen aller Art, an öffentlichen, aber auch privaten Gebäuden. Kam es bei den studentischen Umtrieben so Rechtverstößen, so unterstanden sie nicht der Gerichtsbarkeit der Stadt, sondern die Straftäter waren als ▪ akademische Bürger («civis academicus») der Gerichtsgewalt des Rektors unterworfen, die mit dem von im verhängten Strafen die eigenen Kassen füllen durfte. Von drakonischen Körperstrafen waren sie jedenfalls verschont und vielleicht hat auch dies dazu beigetragen, dass es immer wieder zu solchen Vorfällen kam und die betroffenen studentischen "Straftäter" in den Augen der betroffenen Stadtbürger einfach zu gut davonkamen.

Von den Provokationen, mit denen die Studenten die normalen Bürgerinnen und Bürger immer wieder herausforderten, ganz zu schweigen. Das Absingen obszöner und sonstiger Sauflieder (▪ Beispiel) war das eine, das Stören von Hochzeiten und anderer privater Feste das andere, und einfach mal so, der Gaudi wegen, ein paar Fenster einwerfen, nichts Außergewöhnliches. Dass man, wenn möglich auch jungen Frauen im wahrsten Sinne des Wortes an die Wäsche ging und ihnen die Röcke hob (Unterwäsche wurde meistens darunter nicht getragen) oder sie beim Tanz "verdrehte" oder "abstieß", sie umwarf und damit entblößte, waren Unsitten, die so manchem Zeitgenossen, der ohnehin kaum aushielt, dass sich viele Studenten nicht an die vorgeschriebene Kleidung hielten, sondern in ihren "unzüchtigen" »Pluderhosen umherzogen, entschieden zu weit gingen. (vgl. ebd., S.63) Der Schnitt und die Anfertigungsweise dieser Hosen unterschied sich eigentlich nicht von der bekannten spanischen Hose, aber die Menge des Stoffes, die verwendeten Materialien und deren Farben waren ganz das Gegenteil von der früher üblichen schlichten mönchischen Kleidung, die den Studenten, solange sie in den Bursen wohnten, aufgezwungen worden war. Die Pluderhose glich dabei auch den Hosen, die die Landsknechte der Zeit trugen. Diese hatten sich angewöhnt, "die beiden Backen des Hintersten dick zu wattiren und den ▪ Latz, welchen man noch besonders durch hindurch gezogene Stoffmassen schmückte, bedeutend ausstopfen zu lassen." (Köhler 1871, S.164) Dabei konnte der Latz, mit dem Penis und Hodensack der Männer betont wurden, gar nicht groß genug sein, sondern sollte, wie es ein zeitgenössisches ▪ Gedicht aus dem Jahr 1555 zum Ausdruck brachte, etwa die Größe und den ▪Umfang eines Kalbskopfes haben.

An zahlreichen Orten gingen die Universitäten, weltliche und geistliche Obrigkeiten gegen diese neue Mode vor. In Wittenberg hieß es 1546, die "Studenten in allen Fakultäten sollen nicht zerschnitzelte, noch kurze Kleider tragen, sondern ihre Kleider sollen ehrlich und seiner ziemlichen Länge sein, denn es zumals eine große Leichtfertigkeit und Misstand ist, so die Jugend in kurzen Kleidern vor erhlichen und züchtigen Frauen erscheint." (ebd., S.40) Schneider erhielten Verbote, entweder Pluderhosen überhaupt anzufertigen, oder aber mussten sich an daran halten, für die Hosenanfertigung nur eine bestimmte Menge Seide zu verwenden.

Und der Kurfürst »Joachim II. (1505.1571) von Brandenburg scheute sich nicht, mit auffallenden Pluderhosen bekleidete Männer drei Tage öffentlich an den Pranger zu stellen und Musikanten vor ihnen zur Verspottung aufspielen zu lassen. Es soll auch vorgekommen sein, dass er Edelleuten in Pluderhosen "auf offener Strasse heimlich den Hosengurt durchschneiden (ließ), so dass die Hosen herabfielen und die Herren, zu allgemeiner Belustigung, plötzlich entblösst dastanden". (Köhler 1871, S.165, Anmerkung)

Auch wenn religiöse Eiferer weiter dagegen Sturm liefen und wie der Generalsuperintendent »Andreas Musculus (1514-1581) 1557 und in einer 2. Auflage 1563 gegen "zerluderten, Zucht- und Ehrverwegenen pludrigten Hosenteufel" zu Felde zogen, aufhalten ließ sich der Trend zur vielfach geschlitzten Pluderhose aber nicht, zumal außer den Studenten auch Handwerker und Adelige Gefallen daran fanden.

So verwundert es nicht, dass man mancherorts auch daran ging, den Studenten "den Umgang mit verdächtigen Frauenzimmern(n) und die Verführung von Bürgertöchter(n)"  (ebd.) regelrecht zu verbieten. Was ihnen blieb, war der Gang ins "fünfte Kollegium", wie Studenten mancherorts die Bordelle und Frauenhäuser nannten, in denen wie in den Universitätsstädten Dillingen, Frankfurt a. M. und an der Order, Halle, Jena, Ingolstadt, Köln, Rostock, Straßburg und Wien (vgl. ebd. S.68) Prostituierte ihre Dienste anboten.

Das übermäßige Trinken, die exzessiven Saufgelage der Studenten führten also häufig zu Problemen, so dass die Behörden in Städten und in ihrer Umgebung sich immer wieder zum Einschreiten gezwungen sahen. Und natürlich sind die Klagen darüber zahlreich und parteiisch. Die soziale Funktion studentischer Geselligkeitsformen blieb dabei außen vor.

Unter anderem erließen die Behörden wie in Tübingen Regelungen, die den Bürgern der Stadt oder Universitätsangestellten bei strenger Strafe verboten, heimliche Trinkstuben für Studenten zu unterhalten und auch Wirte, die sie einrichteten, mussten mit einer Strafe rechnen. Zudem wurde erlassen, dass die Eltern für Zechschulden ihrer Söhne nicht aufzukommen hatten. (vgl. Bauer 1926, S.95) Durchschlagenden Erfolg hatten solche Maßnahmen aber offenbar nicht. Man konnte, um sich weiter zu besaufen, ja einfach in die Umgebung, in die sogenannten Bierdörfer, ausweichen.

Aber auch an den Universitäten ist man gegen diese studentischen Umtriebe immer wieder vorgegangen. So ist aus Jena z. B. bekannt, dass eine Policey-Ordnung gegen das "Vollsaufen und Volltrinken“ erlassen wurde. (ebd.1926) und auch andere Universitätsstädte zogen nach, auch wenn sie damit doch auf verlorenem Posten standen.Trunkenheit war ohnehin geradezu gesellschaftsfähig, solange es nicht zu extremen Exzessen kam.


Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen"!

Die satirische Verarbeitung der studentischen Saufgelage: Philander von Sittawald

Wie es bei diesen Saufexzessen zugehen konnte, schildert ▪ Johann Michael Moscherosch (1601-1669) in seiner Prosasatire ▪  "Philander von Sittewald", in der die Hauptfigur bei seinem Besuch in der Hölle in einen Raum kommt, wo die frevelhaften ▪ Studenten in einer Art Gefängnis zusammengepfercht sind und ihre Höllenstrafe erwarten müssen. Womöglich waren es Erfahrungen des Autors an der Universität von Straßburg, die ihm bei der satirisch gewiss noch überzeichneten Beschreibung des Saufgelages der Studenten in der zweiten Hälfte des 30-jährigen Krieges als Vorlage gedient haben:

"Ich ging weiter und gelangte in ein finsteres Gefängnis, in dem ich ein mächtiges Klingen und Rasseln von Ketten, Eisen und Banden, von Streichen und Schlägen hörte. [...] Und sieh', ich sah ein großes Zimmer, eine Kunkelstube, ein Bierhaus, ein Pastetenhaus, eine Weinstube, ein Ballhaus, ein Hurenhaus u.s.w. Ich kann nicht sagen, was es eigentlich gewesen ist, denn ich sah alle diese Dinge darin: Huren und Buben, Herren und Bärenhäuter, Rüpel und Studenten. Ich fragte, was für eine Gesellschaft das wäre? und der Geist sagte mir mit zwei Worten: das ist euer Studentenleben. [...] Als ich auf Ermahnung des Geistes näher hinzutrat, sah ich, daß die Vornehmsten an einer Tafel saßen und einander zusoffen, daß sie die Augen verkehrten wie gestochene Kälber oder geschochtene Ziegen. Aber bei der Schenke bemerkte ich einen in grausamer Gestalt, der ihnen heimlich Schwefel und brennendes Pech unter den Wein mengte, wovon sie erhitzt wurden, als ob sie voll höllischen Feuers wären. Einer brachte dem andern eins zu aus einer Schüssel, aus einem Schuh: der eine fraß Gläser, der andere Dreck, der dritte trank aus einem verdeckten Geschirr, darin allerhand Speisen waren, daß einem davor gruselte.‹ [...] Sie ziehen des Nachts umher: die einen spielen die Laute, die andern die Zither, andere schreien und raufen, und bald folgt das Jammergeschrei der Verwundeten. Daher werden sie Nachtraben genannt. [...] Andere wieder soffen einander zu auf Stühlen und Bänken, auf dem Tisch oder auf dem Boden, auf den Knieen, den Kopf unter sich, über sich, hinter sich, vor sich. Andere lagen auf dem Boden und ließen sich den Wein einschütten durch einen Trichter. Andere lagen und schnarchten; andere nickten und tranken sich zu; andere stimmten mit schwerer Zunge dem Gesänge der Genossen bei; andere lagen lang auf dem Tische, das Kinn in die hohle Hand gestützt. Nun ging's über Thür und Ofen, über Trinkgeschirr und Becher her und mit denselben zum Fenster hinaus mit solcher Unsinnigkeit, daß mir grauste. Andere lagen da, spieen und kotzten wie die Gerberhunde; und wenn sie sich genugsam in dem Unflat besudelt hatten, dann kamen ein paar häßliche Geister und trugen sie zu Bett, daß die Flamme über ihrer Seele zusammenschlug. Da sahen sie sich denn plötzlich um, wo sie waren und schrien vor höllischem Schrecken: o über die vergangenen Zeiten! [...]“

Die "Ehrenrettung" der Säufer: Zechkommente

Das gesellige Vollsaufen, man würde es heute wohl Komasaufen nennen, war also unter den Studenten der Zeit weit verbreitet.

Als Teil der studentischen Kultur wurde es das gesellige Trinken, das oftmals in solchen Saufexzessen mündete. aber auch immer wieder "kultiviert" und war Gegenstand von allerlei humoristischen Texten, die eine Art "Ehrenkodex" für das Trinken in studentischer Runde verkündeten.

Allerdings waren diese Versuche meist nicht ernst gemeint, sondern das, was sie in einem speziellen Zechkomment an geschriebenen und ungeschriebene Verhaltensregeln aufstellten, diente mehr der Unterhaltung und weniger der tatsächlichen Kultivierung des allseits praktizierten Komasaufens der Studenten.

Parodistisch, unterhaltend-disputierend und mit viel Humor wurde sich da mit den vielfältigen Erscheinungen und Folgen beim geselligen Betrinken bis ins Detail hinein auseinandergesetzt. Dabei werden alle nur denkbaren Fragen erörtert, die beim gemeinsamen Saufen auftreten konnten, wie z. B. die Frage, was geschehen solle, wenn jemand bei einem Rundtrunk aus einem Gefäß in die Kanne nießen oder husten oder, während dieser lief, dringend urinieren müsse.


Für größere Ansicht bitte an*tippen*klicken!

Max Bauer hat in seiner 1925 erschienenen "Sittengeschichte des deutschen Studententums“ einen dieser "Ehrenkodexe" wie folgt dargerstellt:

»Im Jahre 1615 erschien das »Ius potandi oder Zech Recht. Durch Blasium Multibibum aufgesetzt, vnd jetzt aus dem Lateinischen übersetzt per Joannam Elisabetham de Schwinutzki«. Ein Jahr darauf gab es schon eine zweite Auflage, und von da ab zahlreiche Nachdrucke und Bearbeitungen, allein im 17. Jahrhundert 14 lateinische und 7 deutsche Ausgaben, [...] Blasius Vieltrunk, der Verfasser des Zechrechts, war sonder Zweifel ein Student, der sich mit Lust und Liebe, aber auch mit viel Humor herangemacht hatte, seinen Kommilitonen Saufregel zu liefern. Unter den vielen »Schimpfbüchlein vom Saufe'n« ist das des Multibibus wohl das einzige, das ausschließlich für Studenten berechnet ist. In 60 kurze Kapitel verteilt der Verfasser alles das, was er vom Trinken zu sagen hat, und was er beim Trinken beachtet wissen will. Vorn löblichen und schönen Ursprung des Sauffens, Schwelgens und Demmens [Zechen. Prassen, d. Verf.] kommt er zu den Gründen des Zechens. Er sieht in ihnen nichts anderes, "als ein tapffers und rittermäßiges Scharmützel. welches mit Kannen, Gläsern und ergleichen Gefäßen, damit man frisch auff einander zusegelt, vor die Hand genommen wird. Das Zechrecht aber, welches sich dahero entspinnet und entspringet‚ ist dasjenige, das da in sich begreiffet, alle Gebräuche, Solennitäten [Feierlichkeiten, Feiern, d. Verf.] und zu solchem Werck gehörige Ceremonien und dameben hell und klar alles das, was einer dem andern nach Statut und. Satzungen zu leisten schuldig‚ vermeldet und anzeigt." [...] (S. 99ff.)

Bei der Beschreibung der Zutrinkgebräuche steigen dem Verfasser die Bedenken auf; "ob denn auch dieses (Zutrinken) ein vernünftiges Thun und Verrichten sey?" Er kommt zu dem Ergebnis, "wer weiß nicht, wie viel gute gesunde Leute, indem sie mit solchem Gesundheitstrincken einem andern die seine haben wollen erhalten oder verbessern helffen, sich ihrer eignen, ja ihres Leibes und Lebens, dessen sie sonsten Alters halben noch wo] eine Zeitlang betten in andre Wege genießen können, gar elend und muthwilliglich spoliret und beraubet haben. [...] (S. 101)
Kitzlicher [...] ist schon die Frage: Was hältst oder meinest aber du von einer Jungfrauen, geschieht auch ihr etwa an ihrer Zucht, Scham und Keuschheit eine Verkleinerung oder Abbruch, wenn sie mit einem jungen Gesellen uff Brüderschafft oder auff Dutz trincket?“ Jungfrauen seid auf der Hut! [...]
Der nächste Absatz ergeht sich über den Umgang mit Jungfrauen und solchen, die es gewesen sind oder nicht mehr sein wollen, indem die Frage aufgeworfen wird, "ob auch Jungfrauen solchen Conversationibus [Gespräche, d. verf.] ohne Gefahr und sicherlich könten beywohnen." Darüber heißt es nun: "Füwahr, weil ihrer viele bevoraus allda ungewisser Hände seyn und mit denselben bald herauff, bald hinunterwerts in alle Winckel zu grapscheln pflegen und gleich wie die Schafe umher irren, son derlich wann ihnen die Augenlieder‚ wie dazumahl gar leichtlich geschiehet, unversehens zufallen, also achten wir bey solcher Beschaffenheit nicht vor rathsam, daß ihnen die anwesenden guthertzigen Jungfräulein zu viel trauen: latet enim anguis in herbis (Vergil, Ecloge 5,95) [etwa: denn die Schlange liegt im Gras, d. Verf.], welche, so sie eins mit dem Stachel treffe, dürffte sie wol durch gefährliche Vergifftung das arme Mägdlein so schwellend machen, daß ihr mit keinem Pflaster, wie starck auch die vis attractiva [Anziehungskraft, d. Verf. ] dessen sei, hernach könne gerathen und geholffen werden. Doch rede ich allhier nicht von denen Jungfrauen, die nach der »Passauer Kunst sich feste machen und wider Hieb, Stich und Geschoß können. Mögen derhalben etliche fromme »Galatheae wol bedencken, was die Jungfrauschaft vor ein gefährlich und zerbrechlich Ding sey cum eam osculo delambari tradent [etwa: du wirst sie mit einem Kuss verraten, d. Verf.]. Sie mögen auch darneben ein wenig fleißiger behertzigen . . . daß auch die Götter selbst eine einmahl verderbte Jungfrau nicht wiederum könten ergäntzen und wieder zu recht bringen. Solches alles und jedes nun acht ich, was diejenigen Jungfräulein wol wissen und verstehen, die sich und ihr selbst Heil und Wolfahrt gar beißig tiefen dieren und beschützen wollen, indem sie gar zorniglich solche und der gleichen Schelt- und Schutzwörtlein von sich hören lassen: Sine me inde tonsam [etwa: ohne mich!], laß mich zu frieden, laß mich ungefoppt. Manum de tabula [etwa: Hände weg!, d. Verf.]. Nicht zu weit, Herr. Lieber lasts bleiben, ihr werdet hier nichts finden, was ihr Zech- und Sauf-Disputafion und euersgleichen suchet. Domine, quod sunt venti? [etwa: Mein Herr, was machen Sie für einen Wind?] Was will der Herr wol? Oder wie etliche »Neotericae und Neugesittete zu sagen pflegen: Hoccine adspiras? [etwa: Worauf wollt ihr hinaus?] Gleichwol, wolt ihr gerne hin? Bei Leibe nicht. Ach, wie könt einer doch? Es wäre meine höchste Ungelegenheit. Höret auff, lasset es bleiben. Lieber last die Possen bleiben. Lieber last es seyn. Ist der Herr auch hönisch? Diese Woche nicht. Sehet doch, was wollt ihr denn wol? Meinet ihr, daß ich eine H ... e bin? Das mal nicht, es schläffet heute ein Bauer bey mir. Last mich gehen. I ne doch! Wo kommt ihr her? Was weit ihr denn wol? I, ihr seid wol richtig? Ey, lieber lecket mich gar am A... . . Habt ihr auch neulich das Maul gewischt? Und was dergleichen indignanda formulae [etwa: unheheure Formulierung] und sehr schöne Ungedults-Formen und Wörtlein unzehlich mehr von den Jungfrauen mögen gehöret werden“. "Hier entsteht nun eine nicht ungereimte Frage", heißt es [...], "ob derjenige, der da solcher Gestalt einer Jungfrauen hätte wollen mit der Hand in Rock fahren, injuriarum [etwa: von Rechts wegen, gerechterweise, statutgemäß. d. Verf.] könne belanget werden?“ was bejaht wird. Etwas anderes ist es natürlich, wenn eine 'Jungfrau' ein verlöffeltes und geiles Rößlein ist. [...]« (S.103ff.)

(aus: Max Bauer, Sittengeschichte des deutschen Studententums, Dresden: Aretz-Verlag 1926, S.98-105)

Weiter mit:

»Geschichte der Universität (Wikipedia)
»Kloster- und Domschulen

»Mittelalterliche Universität
»Entwicklung der Universitäten im deutschsprachigen Raum
»Die frühe Neuzeit: Aufschwung des Universitätswesens

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 28.02.2022

 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
 

   
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt f? alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz