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Die Allmachtsthese der Medienwirkungen

Das Reiz-Reaktions-Modell

Stimulus-Response-Modell


Das Reiz-Reaktions-Modell (Stimulus-Response-Modell), das im Anschluss an  B. F. Skinner  (1904-1990) zur Erklärung von zur Erklärung von Medienwirkungen herangezogen wurde, folgt einem medienzentrierten Kausalitätsansatz. Auf die Medienwirkungen angewendet, besagt das Modell, "dass sorgfältig gestaltete Stimuli jedes Individuum der Gesellschaft über die Massenmedien auf die gleiche Weise erreichen, jedes Gesellschaftsmitglied die Stimuli in der gleichen Weise wahrnimmt und als Ergebnis bei allen Individuen identische Reaktion erzielt wird." (Schenk 1987, S. 22) 
Dabei handelt es sich bei den Rezipienten um "eine Masse von Millionen voneinander isolierter Individuen, die als Leser, Kinobesucher oder Radiohörer diese Botschaften aufnehmen." (Vollbrecht 2001, S.103)

Das so genannte S-R-Modell beruht auf dem "Axiom der direkten, unvermittelten und monokausalen Wirkung der Massenkommunikation auf den Rezipienten." (Bonfadelli 2004, S. 29) Fünf Grundannahmen kennzeichnen das Modell:

  • In der Massenkommunikation werden die Rezipienten von den medialen Stimuli direkt und unvermittelt erreicht.

  • Mediale Stimuli sind eindeutig und werden wegen der vorhandenen anthropologischen Konstanten von den einzeln erreichten Rezipienten ziemlich gleichartig wahrgenommen (Homogenitätsthese).

  • Aus diesem Grund sind die Reaktionen der Rezipienten auch identisch oder ähneln sich sehr. Wenn ein medialer Reiz also eine bestimmte Reaktion auslöst, wird er diese Reaktion auch bei anderen Menschen auslösen.

  • Inhalt und Richtung des Effekts eines Stimulus sind gleich.

  • Die Rezipienten der Massenkommunikation stellen als Ganzes eine undifferenzierte Masse dar.

(vgl. Jäckel 2005, S. 61)

Mit Reaktion wird im S-R-Modell die Wirkung bezeichnet, die in einem Zugewinn an Wissen, veränderten Einstellungen oder verändertem Verhalten sichtbar - beobachtbar - wird. So betrachtet, unterscheidet sich dies auf den ersten Blick nicht von anderen Definitionen von Medienwirkungen, die darunter "alle Veränderungen im Verhalten, Denken und Erleben der Rezipienten während und nach der Rezeption" verstehen, "soweit sie aus der Zuwendung zu den Medien resultieren". (Hunziker 1982, S.247)
Von den oben dargestellten fünf Grundannahmen des S-R-Modells kommt der These, dass von gleichen Stimuli auch gleiche Wirkungen ausgehen, wohl die größte Bedeutung zu. Denn aus ihr folgt, dass die weiteren Bedingungen, unter denen die Rezeption von Medien stattfindet, nicht mehr berücksichtigt werden müssen. Nichtzuletzt aus diesem Grunde ist der Allmachtsansatz in der Medienwirkungsforschung heutzutage überwunden. Zugleich hat sich aber auch die behavioristische Sicht auf die Medienwirkungen weiterentwickelt und hat zu einem erweiterten Wirkungsmodell gefunden.

Die hohe Popularität, die das S-R-Modell trotz seiner zeitgenössischen Kritiker für einen längeren Zeitraum erlangte, verdankt es dem Zusammentreffen von bestimmten Faktoren, die jenseits der engeren Theorie des Modells selbst liegen.

  • Es passte zu dem Anfang und Mitte des vorigen Jahrhunderts verbreiteten Menschenbild und den darin enthaltenen Vorstellungen über die menschliche Natur, so wie sie sich die Psychologie der Jahrhundertwende vorstellte. Danach wurde der Mensch als ein Wesen betrachtet, das von instinktgeleiteten und biologisch verankerten Trieben beherrscht wird, die bewusst nicht zu steuern sind. Die Annahme solcher anthropologischer Konstanten führt dabei in der Konsequenz zur Behauptung, dass wegen ihrer Vererbtheit alle Individuen auf die gleichen Reize (Stimuli) ähnliche Reaktionen zeigen. (vgl. Bonfadelli 2004, S. 30, vgl. Schenk 1987, S.23)

  • Es spiegelte herrschende Auffassungen über die innere Verfasstheit moderner Industriegesellschaften wieder, die sich in den Augen vieler Zeitgenossen zu einer "Massengesellschaft" mit millionenfach atomisierten Individuen entwickelte. Dazu kam die Vorstellung, dass diese Individuen angesichts des Zerfalls sozialer Netze und dem Verlust von Orientierung durch die Religion mehr und mehr außengeleitet seien. (vgl. Schenk 1987, S.23f.)

  • Es fügte sich in ein politisches Klima und einen politisch-sozialen Kontext, in dem die zu Propagandazwecken benutzten Medien aus unterschiedlichen Gründen mit einfachen Kausalitätsmodellen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf sich ziehen konnten. (NS-Propaganda, Kampagnenforschung) (vgl. Jäckel 2005, S. 62)

Heute besitzt das S-R-Modell mit allen seinen Implikationen, insbesondere seiner Allmachtsthese der Medienwirkung, keine Bedeutung für die Medienwirkungsforschung mehr. Es kann "allenfalls noch als eine adäquate Beschreibung der Richtung des Kommunikationsprozesses verstanden werden." (Jäckel 2005, S. 65) Und doch trifft man vor allem unter Laien, Meinungsbildnern und Pädagogen offenbar immer noch beredete Fürsprecher, die das S-R-Modell für ihre Manipulationstheorien heranziehen, um insbesondere die negativen Wirkungen des Fernsehens zu belegen. (vgl. Bonfadelli 2004, S.30)

 

                  
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