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Ältere Ansätze der Wirkungsforschung

Das Kaffeehausmodell


Die frühen Vorstellungen über Medienwirkungen orientierten sich zu nächst am Medium Zeitung und ihre Theorien gehen von Modellvorstellungen zur Medienwirkung aus, die sich entsprechend der technologischen Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert zunächst an den Printmedien der Presse orientieren. Sie gipfeln in dem so genannten Kaffeehausmodell der Medienwirkung, indem eine liberale, bürgerlichen Öffentlichkeit über die Themen diskutiert, die ihr von der Politik, i. e. S. der Regierung, vorgegeben und von den Zeitungen weitervermittelt wurden.

Von Gutenberg zur Massenpresse

Nachdem Johannes Gutenberg 1450 den Buchdruck erfunden hatte, gingen noch etwa hundert Jahre ins Land, ehe die erste Zeitung (Titel: "Relation") im Jahre 1605, damals bezeichnender Weise noch "Flachware" genannt, im französischen Straßburg das Licht der Welt erblickte. Gefolgt von anderen frühen  Zeitungsstädten wie Basel (1610), Berlin (1617), London (1621) und Paris (1631) besaßen Zeitungen fortan über 300 Jahre lang ein mehr oder weniger unumschränktes Monopol der Berichterstattung und Information.
Natürlich war die Auflage der ersten Zeitungen, die auch auf deutschem Boden im 17. Jahrhundert entstanden, nur sehr klein, auch wenn eine durchschnittliche Auflagenhöhe von etwa 300 Exemplaren durch Vorlesen auf öffentlichen Plätzen und in Familien eine weitaus größere Zahl von Menschen erreicht hat.
Im 18. Jahrhundert zählt man rund 300 Zeitungen, wobei deren größte,  der "Hamburgische Unpartheyische Correspondent" schon eine Auflage von  30 000 Exemplaren erreichte.
Noch aber beschränkte sich die Presse, die einer strengen staatlichen Zensur unterworfen war, darauf, ihre Informationen unkommentiert zu vermitteln. Sie diente meistens der Unterhaltung oder fungierte als Forum für wissenschaftliche Dispute. Immerhin: Mit dem Aufkommen der Zeitung konnten sich die Zeitgenossen erstmals regelmäßig und aktuell über das Neueste in Staat und Gesellschaft, mitunter auch über das Weltgeschehen, informieren.
Die Industrialisierung schuf schließlich mit ihrem technologischen Wandel in der Satz- und Drucktechnik  (Schnellpresse 1814; Rotationsdruckmaschine 1860; Linotype-Setzmaschine 1886, Wechsel von Lumpen zum Papier als Rohstoff) die Voraussetzungen für solche Auflagehöhen, dass schließlich von einer Massenpresse gesprochen werden konnte. Die Entwicklung zur Massenpresse setzte dabei auch voraus, dass die Bezugspreise für die Zeitungen durch den zügigen Ausbau des Anzeigenwesens (bis 1850 besaß der Staat das Anzeigenmonopol) so gesenkt werden konnten, dass sie auch für größere Teile der Bevölkerung in großer Regelmäßigkeit erschwinglich werden konnten. Zudem mussten Nachrichtenagenturen aufgebaut werden, die für die Produktion von Nachrichten und ihre Distribution an die Zeitungen zuständig wurden. Die größten Zeitungen erreichten dadurch schon fünfstellige Auflagenhöhen.
Nachdem im Zuge der Revolution von 1848 die Pressefreiheit erstmals in der Verfassung der Paulskirchenbewegung verankert worden war, wurde sie 1874 in einem Reichsgesetz erstmals festgeschrieben. Allerdings wurde sie im Rahmen der Sozialistengesetzgebung gegen die Sozialdemokratie von der Obrigkeit nach Gutdünken wieder ausgehebelt, sobald sich Zeitungen zur Partei -und Gesinnungspresse weiterentwickelt hatten.
Nach der Schaffung des ersten Medienkonzerns auf deutschem Boden durch Alfred Hugenberg (Vorsitzender des Direktoriums der Krupp-Werke und Vorsitzender der rechtsextremen Deutschnationalen Volkspartei), zu dem sowohl Zeitungen, Verlage als auch die Filmproduktionsgesellschaft "Ufa" 1927 zählten, hatte sich die Massenpresse mit allen ihren Auswirkungen, insbesondere für die rechtsradikale Propaganda, in Deutschland fest etabliert. 1932 existierten in Deutschland 4702 Zeitungen mit einer Gesamtauflage von 25 Millionen Exemplaren, fast 50 Prozent der Zeitungen davon waren Parteiblätter.

Das Kaffeehausmodell

Die ersten Überlegungen zur Wirkung von Medien drehten sich um die Frage, welche Rolle Zeitungen bei der politischen Meinungsbildung haben. Zur Erklärung zog man ein Modell heran, das sich auf die Kristallisationskerne der entstehenden bürgerlichen Öffentlichkeit bezog: Kaffeehäuser und Salons. In ihnen pflegte sich ein politisch interessiertes bürgerliches Publikum zu treffen, um "über Gott und die Welt" zu räsonieren und zu debattieren. Besonders ausgeprägt war diese Kaffeehauskultur im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert in London und Paris. In Salons und Kaffeehäusern dieser europäischen Metropolen wurden Zeitungen gelesen und deren Inhalte diskutiert. In diesen Einrichtungen waren Rangunterschiede vergessen, so dass sich die Diskussion und Meinungsbildung weitgehend frei entfalten konnte. Dem entsprachen auch besondere Regeln der Gesprächsführung, die sich nur in diesem Rahmen entwickeln konnten: Jeder konnte jeden ansprechen und sich völlig unbekümmert an jedem Gespräch beteiligen. Die öffentliche Meinung, die sich in solchen Gesprächen entwickelte, sollte schließlich auf nicht genau bezeichneten Wegen die Regierung bzw. die politisch Verantwortlichen wieder erreichen. Die Aufgabe der Medien in diesem Modell bestand daher "in der möglichst ungefilterten Weitergabe von Themen der Regierung an die Bürger und der Rückkoppelung der öffentlichen Meinung an die Regierung." (Vollbrecht 2001, S.101)

Das Kaffeehausmodell mit seinem demokratietheoretischen Denkansatz konnte selbst zu "Kaffeehauszeiten"  nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich nur ein Teil, dazu meist nur männliche und dazu vergleichsweise gut situierte Bürger, aktiv in der oben dargestellten Weise einbrachte, um bei der Entstehung der öffentlichen Meinung mitzuwirken. Die überwiegende Mehrheit, die "Masse" blieb außen vor:  Entweder war sie gar nicht dazu bereit, oder überhaupt nicht dazu dazu fähig. "Masse" war im Verständnis dieser Zeit, das von Psychologie und Soziologie unterstützt wurde, ein kulturpessimistisch besetzter Begriff. Dieser wurde mit "Vermassungsvorstellungen" jedweder Art konnotiert: Dumpf, träge, gleichförmig, uninteressiert, ungebildet und manipulierbar lauteten wohl die Adjektive, mit denen der Begriff Masse von der Mehrheit der Zeitgenossen attribuiert wurde. Von solchen Überzeugungen getragen, richtete sich das Interesse mehr und mehr auf das Machtverhältnis zwischen Mensch und Medien, einem Verhältnis, in dem nach gängiger Vorstellung die Medien alsbald eindeutig dominierten. (vgl. Allmachtsthese)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 29.09.2013

                  
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