|
Die Neurobiologie und die Hirnforschung liefern heute wertvolle Ansätze, um
die Auswirkungen des Medienkonsums auf die Hirnentwicklung zu beurteilen.
Dabei gibt es eine Reihe durchaus kontroverser Forschungsergebnisse.
In einer Spiegel-Titelstory (20/2007, 14.05.07) lässt
Angela Gattenberg dazu unter der Zwischenüberschrift "Wie die Computerspiele
auf junge Gehirne wirken" namhafte Experten zu Wort kommen.
Sie betont, dass die Folgen von
Unwissenheit der Eltern, Desinteresse und Überforderung für die jugendlichen
Medienkonsumenten heutzutage "sehr viel dramatischere Folgen haben" können
als früher. Unter Heranziehung von Aussagen eines Erziehungswissenschaftlers
und Kindertherapeuten, eines Neurobiologen und einer Suchtforscherin
resümiert sie u. a, die Positionen von
»Wolfgang Bergmann (1944-2011) vom Institut für Kinderpsychologie und
Lerntherapie in Hannover und von
»Gerald Hüther
(geb. 1951), Professor für Neurobiologie an der Universität Göttingen,
die gemeinsam das Buch "Computersüchtig'" verfasst haben.
-
Bergmann, so die
Spiegelredakteurin, verweise auf die Zunahme eines bestimmten
Persönlichkeitstyps unter seinen jugendlichen Patienten, der sich, wie
er ausgeführt habe, durch "einen sich ständig in den Vordergrund
drängenden, unaufhörlich um ein bildungsloses Selbst kreisenden,
liebeshungrigen und emotional verarmten Charakter" aufweise.
Hintergrund dieser Entwicklung sei, dass sich bei Jugendlichen, die
viele Stunden am Tag vor dem Computer verbrächten, nicht nur ihre
Wahrnehmung, ihr Raum- und Zeitempfinden, ihre Gefühlswelt und ihre
Fähigkeit, sich im realen Leben zurechtzufinden beeinträchtigten,
sondern sich in dessen Gefolge auch das Gehirn selbst verändere.
-
"Der Umschlagpunkt ist erreicht, wenn die Betreffenden sich in ihren
virtuellen Welten wohler fühlen als im wahren Leben", sage Hüther.
Der Grund dafür: Das Hirn
giere nach Reizen und passe sich an die in Computerspielen gestellten
Aufgaben und Belohnungen an, es verändere sich nachweislich, Für Hüther
sein klar, dass extensives Computerspielen zur
Bildung von zunächst dünnen Verbindungswegen im Gehirn beitrage,
die durch intensive Nutzung immer dicker würden. "Diese Autobahnen
sind so beschaffen, dass man, ist man einmal auf ihnen, nicht wieder
runterkommt“, sage Hüther. In der Folge hätten
Betroffene wie andere Abhängige eben auch, kaum noch andere Bedürfnisse, als
sich stets aufs Neue vor den Computer zu setzen. Die Tatsache,
Sdass Computerspiele süchtig machen können und die gleichen
Hirnreaktionen auslösen wie der Konsum von Alkohol oder Cannabis, sei
mittlerweile in Studien hinreichend belegt.
Was Computerspielsucht bei Kindern auslösen kann, wird, wie Gattenberg
weiter zu berichten weiß, von
Sabine Grüsser-Sinpoli von der Suchtforschungsgruppe der Berliner Charité
seit Jahren erforscht. Süchtig seien ihrer
Meinung nach Kinder und Jugendliche dann, wenn sie vier bis sechs Stunden
täglich vor dem Schirm sitzen, wenn sie andere Interessen vernachlässigen und
wenn es bei ihnen zu Entzugserscheinungen wie Schlafstörungen
kommt, ,sobald sie ihrer Spielsucht nicht mehr folgen dürfen. Der
Computer bzw, das Computerspiel wirke dann, wie andere Suchtstoffe auch, so
erkläre Grüsser-Sinopoli, mit ihnen würden
Schmerz oder Traurigkeit am Computer einfach weggespielt. Besonders stark
ließe sich das bei Online-Spielen
beobachten, mit denen sich unerwünschte Gefühle besonders schnell und effektiv verdrängen
ließen. So könnten Kinder ihren Frust und ihre Wut
abbauen, fänden in der Onlinespiel-Community Sympathie, Freunde und Zuwendung.
Und genau darin liege das hohe
Suchtpotential dieser Onlinespiele.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
29.09.2013 |
|