Reformpädagogik und Daltonplan
Entstanden ist das Konzept des Lernzirkels in der »Reformpädagogik
der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Die US-amerikanische »Reformpädagogin
»Helen
Parkhurst (1887-1973) entwickelte mit ihrem so genannten »„Daltonplan“
(eigentlich: Dalton Laboratory Plan) eine "Bildungskonzeption, in deren
Mittelpunkt das selbständige Lernen steht." (Thiel
2003) Die Bezeichnung geht auf die Stadt Dalton in Massachusetts zurück,
wo die britische Fachwelt erstmals auf die Konzeption aufmerksam wurde.
Das von Parkhurst entwickelte Konzept zielt indessen über die
Unterrichtsmethodik hinaus und versteht sich als ein Art "Way of life“.
Knapp zusammengefasst, stellt sich das Konzept nach
Peter Thiel (2003) wie folgt dar:
"Der Grundgedanke beruht auf dem sog.
Kontrakt, durch welchen das Kind an die Schule gebunden wird. Er ermöglicht,
in einem System der Freiheit zu arbeiten und überträgt dem Kinde die
Verantwortung für sein Lernen. Der Lehrplan für jedes Fach und jede
Unterrichtsstufe ist in mehrere Kontrakte unterteilt, das sind kleinere
überschaubare Stoff-Portionen. Daraus ergeben sich die sog.
Assignments, zu
deutsch Anweisungen. Jedes Assignment ist unterteilt in vier
Arbeitsabschnitte, die den wöchentlichen Lernstoff umfassen. Der Lehrer unterrichtet nicht mehr im herkömmlichen Sinne. Der Klassenraum
hat den Charakter eines Laboratoriums und ist jeweils ausschließlich für ein
bestimmtes Unterrichtsfach eingerichtet. Dort hält sich die
fachspezialisierte Lehrkraft bereit, den Kindern beim Lernen helfend unter
die Arme zu greifen. Zu Beginn des Schuljahres erhält das Kind für jedes individualisierte
Unterrichtsfach (nicht auf alle Fächer trifft dies zu, Religion, Singen und
Sport werden kollektiv unterrichtet) eine Broschüre, welche die Kenntnisse
zusammenfasst, die im Laufe des Jahres zu erwerben sind. Untergliedert ist
das Jahrespensum, wie oben beschrieben, in die Assignments. Die Broschüren
sind die einzigen Unterlagen, die das Kind erhält. Fachliteratur steht im
jeweiligen Laboratorium zur Verfügung. Es ist dem Lernenden freigestellt, wie und mit welchem Zeitaufwand er die
Assignments bewältigt; er arbeitet nach eigenem Rhythmus. Bedingung
allerdings: Er darf nicht über das für einen Monat vorgesehene Lernpensum
hinausgehen, wenn er die Pensen anderer Fachbereiche noch nicht bewältigt
hat"
Daltonplan-Schulen und Montessori-Pädagogik
Die nach diesem Konzept vorgehenden Daltonplan-Schulen in England und den
Niederlanden arbeiten nach dem "Grundprinzip", "die (traditionellen)
Lehrstrategien in eine Didaktik der Aneignungsstrategien zu übersetzen." (Popp
1995)
Sie weisen Ähnlichkeiten zu »Montessori-Schulen
auf. Helen Parkhurst und »Maria
Montessori (1870-1952) arbeiteten auch eine längere Zeit intensiv zusammen, bis
sich Parkhurst entschied, ihre Montessori-Demonstrationsschule unter
eigenem Namen weiterzuführen und ihre Arbeit damit eindeutiger an dem von
ihr verfolgten Laboratory-Plan fortzusetzen.
Ähnlich wie in
Montessori-Schulen werden in den Daltonplan-Schulen die Schulräume mit
Lernmaterialien ausgestattet, die mit einer gezielten Aufgabenstellung
versehen, die Schülerinnen und Schüler zum selbständigen Arbeiten und Lernen
anregen und zugleich Möglichkeiten zur selbständigen Kontrolle der
Ergebnisse eröffnen sollen.
Der Kern des Dalton-Planes lässt sich auf den
formelhaften Ausdruck "Freedom with responsibility" bringen.
Damit ist keine absolute Selbstbeststimmung des Schülers gemeint,
sondern die Freiheit im Rahmen bestimmter
Aufgabenstellungen, allgemeiner im Rahmen eines bestimmten Lehr-Lern-Settings
autonome Entscheidungen zu fällen und die
Verantwortung dafür zu tragen.
In einem Lernprozess, bei dessen Organisation Schülerinnen und Schüler von
Anfang an einbezogen sind, spielen neben Freiheit und Verantwortung noch ein
bzw. zwei weitere Prinzipien eine grundlegende Rolle, nämlich
Zusammenarbeit und
Selbsttätigkeit.
Wahlfreiheit, Verantwortung, Zusammenarbeit und Selbsttätigkeit als
Grundlage der Daltopn-Pädagogik
Die vier Prinzipien
bilden die Grundlage der "Dalton-Pädagogik", die mit dem in einem
Schulexperiment in Waterville/Wisconsin (1904/1905), dem so genannten "Laboratory-Plan"
begann.
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Freiheit ist für Helen Parkhurst stets
Wahlfreiheit, die als Bündel autonomer
Entscheidungsmöglichkeiten im Lernprozess das Selbständigwerden der
Schüler fördern soll.
Nachdem ein Schüler eine für diesen Prozess
konzipierte Aufgabe (Pensum) erhalten hat, kann er über den weiteren
Verlauf des Lernprozesses weitgehend selbst entscheiden.
So kann er
wählen,
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wo er arbeiten will
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wie er seine Zeit einteilt
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womit er beginnen will
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ob er allein, mit einem Partner oder in einer Gruppe arbeiten
will
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auf welche Quellen er zum Erwerb der angestrebten Kenntnisse und
Fähigkeiten (Lexika, Internet, Sachbücher, Zeitschriften usw.)
zurückgreifen will.
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Das Prinzip der Verantwortung
ergibt sich für Parkhurst aus der Wahlfreiheit und zielt darauf, dass
der Schüler in einem eigenverantwortlichen Handeln erfährt, "das Lernen
seine Sache ist, und nicht die dies Lehrers, dass er Verantwortung für
sein Tun und sein Leben in der Schule übernehmen muss". (Eichelberger
2002)
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Das Prinzip der
Zusammenarbeit steht auf der Grundlage von Wahlfreiheit und
Verantwortung und bedeutet die freie Wahl der Sozialform, in der jemand
lernen will (Einzel, Partner- oder Gruppenarbeit), einschließlich der
Möglichkeit, wann immer gewünscht, von der einen zur anderen Form der
Kooperation zu wechseln.
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Selbsttätigkeit, als gesondertes Prinzip nicht von Parkhurst,
sondern ihren Schülern angefügt, zielt darauf, die eigenverantwortliche
Organisation des Lernprozesses selbst in die Hand zu nehmen und dabei
das eigene Handeln im Lernprozess selbst zu reflektieren, seinen Ablauf
mit einer geeigneten Arbeitsplanung anzugehen und den Fortgang des
Arbeitsprozesses sowie seine Ergebnisse zu kontrollieren.
Neben der Dalton-Plan-Pädagogik gelten auch bestimmte Aspekte der
Freinet-Pädagogik (vgl.
Freinet 1980) als Vorläufer der heutigen Stationenarbeit. (vgl.
Hegele 1999/42008, S. 61) Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
15.11.2018
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