Man spielt gern mit Säuglingen. Aber man könnte diesen Scherz
nützlicher machen, als er ist. Dieses zu lernen (denn lernen müssen es
die meisten) ist nicht schwer, wenn es von einem Erfahrenen gezeigt und
nicht bloß beschrieben wird.
Gemeinglich
wird viel dabei versehen. Z. B. der Liebling heißt den meisten Müttern
bald Fränzchen, bald Püppchen, bald mein liebes Püppchen, bald o mein
Herzchen. Warum liebkoset man ihn nicht immer durch den Namen Franz im
verschiedenen Tone nach den Umständen? Der Papa heißt bald Papachen,
bald das liebe Papachen usw. Warum heißt er den sprachlosen Säuglingen
nicht immer bloß Papa oder Vater? Warum sagt man nicht einförmig, wenn
man die Brust reicht, Brust, Brust! und wenn der erste Zug geschieht,
Milch, Milch, oder süß, süß, oder schmeck, schmeck? usw. Machen es doch
die klügsten und zärtlichsten Mütter gerade so, als wenn sie besorgt
wären, der Säugling möchte zu früh ihre Sprache verstehen, wenn sie
einförmiger und folglich zweckmäßiger zu ihm redeten. Warum benennen sie
anfangs alles, was vorkommt, und nicht nach und nach nur wenige Dinge,
bis durch die vorige Übung die Bedeutung jener Namen fest gegründet ist?
Warum wird des Kindes Aufmerksamkeit auf alles, was den Müttern zu
zeigen einfällt, gerichtet und nicht nach und nach auf dieses und jenes
mit Ordnung? Warum lehrt man das Kind durch Führung der Hand nicht
ordentlich nacheinander etwas betasten, von sich schieben, greifen,
halten loslassen? usw. Nämlich mit den kurzen Worten: Fühle, schiebe von
dir, zu dir, greife, halte, lass los! Ist dies nicht die natürliche Art,
sie früh zu einiger Geschicklichkeit des Körpers zu bringen? Man
verfahre nur nach der Ordnung, welche die von mir freundlich gewinkte
Vernunft der Mutter sie lehren wird, und sage bei dem Dasein oder den
Veranstaltungen der Umstände mit einförmigen Worten: Hell, dunkel; laut,
leise; süß, sauer; eins-eins, zwei; Bier, nein! usw. So wird euer Kind
einige Monate früher gesellschaftlich. Und das ist keine Kleinigkeit,
wenn seine Gesellschaft gut ist. Kurz, jedes Spiel, jeder Scherz mit
Säuglingen oder mit Kindern, die nicht viel älter sind, muss mit Absicht
auf Kenntnis der Gegenstände und ihrer Namen und auf Vorübungen der
Sprachglieder und anderer Teile des Lebens eingerichtet sein.
(aus:
Rutschky, 8. Aufl. 2001, S.27f., dort zit. n. J. B. Basedow,
Elementarwerk. Kritische Bearbeitung in drei Bänden, hrsg. v. Th.
Fritzsch, Bd.1, Leipzig 1909, S.22f.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
14.12.2023