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Parteien

Mitgliederentwicklung

Mitgliedszahlen, Soziale Schichtung, Aktivitätsgrad, Motivationen...

 
 
  Die →Parteien in der Bundesrepublik Deutschland können zum Teil auf eine sehr lange Geschichte zurückschauen, die in ihren Anfängen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. Ein Teil der Parteiengeschichte in der Bundesrepublik Deutschland spiegelt sich auch in den Mitgliederzahlen der Parteien wider, die sich sehr unterschiedlich entwickelt haben. Und auch die Wiederherstellung der deutschen Einheit im Jahr 1990 hat dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt.

Vor allem in den 1960er und 1970er Jahren hatten die Parteien einen großen Zulauf an neuen Mitgliedern. Doch dieser "Mitgliederboom", den man vor allem dem "Bekenntnisdrang auf der Linken und der Rechten"  (Hartmann 2004, Kap. 6.1) während dieser Zeit zugeschrieben hat, war nicht von langer Dauer. Nach Wiederherstellung der deutschen Einheit sind die Mitgliederzahlen dramatisch gesunken.

  • Die SPD war trotz ihres beträchtlichen Mitgliederschwundes seit Anfang der 1990er Jahre in der gesamten Geschichte bis zum 2007 die mitgliederstärkste Partei, wurde aber im Jahre 2008 von der CDU knapp überholt, hält aber 2012 wieder mit hauchdünnem Vorsprung die Spitzenposition. In ihren besten Zeiten brachte sie es auf über 900.000 Mitglieder und überschritt 1976 sogar knapp die Millionengrenze. Seit 1991 aber verlor sie mehr als 400.000 Parteimitglieder. Ihre Mitgliederzahl sank von 943.000 auf 457.488 im Jahr 2014.

  • Die CDU, deren Ausgangsbasis in den Nachkriegsjahren deutlich geringer war, kam Ende der 1960er Jahre mit etwa 300.000 Mitgliedern nicht einmal auf die Hälfte der Mitglieder der SPD zu diesem Zeitpunkt. Als Oppositionspartei konnte sie aber in der Folgezeit ihre Mitgliederzahlen mehr als verdoppeln und brachte es 1983, ein Jahr nach dem Regierungswechsel von Helmut Schmidt (SPD) zu Helmut Kohl (CDU) auf ihren Höchststand von mehr als 735.000 Mitgliedern. Seit den neunziger Jahren hatte aber auch die CDU deutliche Verluste bei ihren Parteimitgliedern hinzunehmen. Gegenüber dem Höchststand des Jahres 1983 kehrten mehr als 200.000 Mitglieder der Partei wieder den Rücken zu. Dennoch konnte sich die CDU im Jahr 2008 im Parteienvergleich an die Spitze setzen, ist aber inzwischen 2014 mit einem Mitgliederstand von 459.982 wieder von der SPD überholt.

  • Die CSU, die als reine Landespartei organisiert ist, erreichte ihren bisherigen Mitgliederhöchststand bis 1990. Seitdem verlor sie von den ehemals mehr als 186.000 Mitgliedern zwar auch etwas mehr als 20.000, ihr Mitgliederschwund hielt sich aber im Vergleich mit den anderen Parteien deutlich in Grenzen. 2014 hatte sie 146.536 Mitglieder.

  • Die FDP wies schon immer eine vergleichsweise geringe Mitgliederzahl auf, die darüber hinaus deutlichen Schwankungen ausgesetzt war. Zu Beginn der sozialliberalen Koalition mit der SPD im Jahr 1969 hatte sie etwa 58.000 Mitglieder, erlebte danach in den ersten Regierungsjahren des CDU-Kanzlers Helmut Kohl und vor allem nach der Wende einen Höhenflug, der aber vor allem auf den Zusammenschluss mit den ostdeutschen liberalen Parteien zurückzuführen war (Höchststand mehr als 186.00 Mitglieder 1991). Danach pendelten sich ihre Mitglieder auf einen Wert um die 60.000 Mitglieder herum ein. 2014 brachte es die FDP auf 54.967 Mitglieder. Insgesamt wurde die Mitgliederentwicklung der FDP immer wieder von den Koalitionswechseln 1969 und 1982 beeinflusst, wobei die Parteieintritte nach dem Wechsel, die Parteiaustritte wegen des Wechsel vergleichsweise schnell ausgeglichen.

  • Die GRÜNEN, die erst 1981 die politische Bühne betreten haben, haben ihren Mitgliederbestand (1981 in etwa 21.000) bis 2012 mit 59.653 Mitgliedern etwa verdreifacht und haben auch in den Jahren zwischen 1990 und 2012 um ca. 20.000 Parteimitglieder zugenommen. Sie haben damit die FDP eingeholt. Im Februar 2013 haben sie nach Worten ihrer Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke die "60.000er-Marke geknackt." (SZ, 24.3.2013) 2014 hat die Partei 60.329 Mitglieder.

  • Die PDS/Die Linke hat nach der Wende die vergleichsweise größten Verluste bei ihren Mitgliedern zu verkraften. Von den ehemals über 280.000 Mitgliedern des Jahres 1990 sind 2014 noch 60.551 Mitglieder übrig geblieben.

Der insbesondere bei den großen Parteien zu beobachtende Mitgliederschwund wird nicht selten auf eine in Deutschland sich verbreitende "Parteienverdrossenheit" zurückgeführt, ist aber bei genauerem Hinsehen eine Entwicklung, die sich in anderen Demokratien Europas (Italien, Frankreich, Großbritannien) ebenfalls vollzieht.

Aus welchen Berufsgruppen, Einkommensverhältnissen kommen die Parteimitglieder und welches Bildungsniveau haben sie?

Die großen Volksparteien behaupten zwar immer wieder gerne, dass die soziale Struktur ihrer Mitglieder in etwa mit der Sozialstruktur der Gesamtbevölkerung vergleichbar sei, doch ist, wie Hesse/Ellwein (2012, S. 299) betonen, diese "Behauptung [...] zu einen falsch und zum anderen unerheblich, weil sich inzwischen keine belastbaren Bezüge mehr zwischen der sozialen Zusammensetzung der Mitgliedschaften und dem jeweiligen Wahlergebnis erkennen lassen." Was sich aber für alle Parteien sagen lasse, ist, "dass ihre Mitglieder überwiegend männlich sind, mittleren und älteren Jahrgängen angehören und über einen überdurchschnittlich hohen Bildungsgrad verfügen." (Alemann 2010, zit. n. ebd.) So kann man ohne weiteres sagen: "Die Mitglieder politischer Parteien, eine kleine Minderheit der Bevölkerung sind auch nicht deren repräsentatives Spiegelbild." (Rudzio 2011, S.158)
  • Was die Berufsgruppen angeht, so sind über alle Parteien hinweg der öffentliche Dienst und Selbständige überrepräsentiert, während Arbeiter, Rentner und Hausfrauen unterrepräsentiert sind.
  • Parteimitglieder haben, verglichen mit ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung,  im Allgemeinen höhere Bildungsabschlüsse.
  • Was die Einkommensverhältnisse angeht, kann man "eine markante Trennlinie zwischen FDP und CDU/CSU einerseits sowie den übrigen Parteien andererseits ziehen, zwischen 'bürgerlichen' und linken Parteien." (ebd,, S.160) "Besserverdiener" sind bei den "bürgerlichen" Parteien immer noch verglichen mit den anderen Parteien deutlich mehr vertreten.

Was bewegt Wählerinnen und Wähler einer Partei beizutreten?

Im Grunde spielen hier drei verschiedene Motive eine Rolle (vgl. Niedermayer 2005, zit. n. ebd., S.300)

  • Personen möchten mit ihrer Parteimitgliedschaft weltanschauliche, ideologische und milieuspezifische Überzeugungen zum Ausdruck bringen und sich, wenn sie eine aktive Parteimitgliedschaft anstreben, ggf. für deren politischer Durchsetzung eintreten. (normative oder wertgebundene Motive)

  • Sie wollen durch die Bindung an eine bestimmte Partei bestimmte politische Interessen artikulieren und zugleich fördern, dass diese politisch umgesetzt werden. (politisch-instrumentelle Motive)

  • Sie erwarten sich wirtschaftliche oder berufliche Vorteile, wenn sie einer Partei beitreten. (materielle Motive) Solche Motive spielen aber im Gegensatz zu den beiden erstgenannten eine weitaus geringere Rolle beim Parteieintritt.

Kaum bedeutsam und in der Tendenz immer weniger wichtig sind auch eher auf Gefühlen basierende Motive einer Partei beizutreten. Dazu zählen alle auf ein erlebbares Gemeinschaftsgefühl bezogenen Motive ebenso wie die schlichte "Befriedigung von Status-, Prestige- und Machtbedürfnissen". (Hesse/Ellwein 2012, S. 300)

Wie viele Parteimitglieder machen aktiv mit?

Die Mitgliedschaft bedeutet für den weitaus größeren Teil der Parteimitglieder nur, dass sie sich zur regelmäßigen Zahlung von Parteibeiträgen verpflichtet sehen. Am normalen Parteileben mit seinen Veranstaltungen und Mitgliederversammlungen sind nur ein vergleichsweise geringer Prozentsatz der Mitglieder interessiert und am wenigsten Interesse zeigen sie an parteiinternen Auseinandersetzungen, mit denen sich einzelne Parteimitglieder für irgendein Parteiamt profilieren. Insgesamt gesehen kann man, auch wenn die Angaben darüber auseinandergehen, wohl davon ausgehen, dass zwischen 60% und 85% der Parteimitglieder eher  "Karteileichen" sind, wobei die kleineren Parteien aber im Allgemeinen einen höheren Grad der Mitgliederbeteiligung aufweisen. (vgl. Hesse/Ellwein 2012, S. 300) Ein etwas differenzierterer Blick ermöglicht vier Aktivitätstypen von Mitgliedern der Bundestagsparteien voneinander zu unterscheiden (vgl. Rudzio 2011, S.149):

Aktivitätstypen in der Mitgliedschaft der Bundestagsparteien

Karteileichen zeigen keinerlei Aktivitäten 50%
Versammlungsbesucher gehen nur zu Parteiversammlungen 19%
geselligkeitsorientierte Aktive gehen zu Versammlungen und nehmen an geselligen Zusammenkünften teil 14%
ämterorientierte Aktive zeigen vielfältige Aktivitäten im gesamten Parteileben 18%

Wie viele Frauen sind in den Parteien organisiert?

In allen Parteien sind die Frauen noch unterrepräsentiert. Und eine Veränderung dieser Tatsache geht nur sehr schleppend voran. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Parteien dabei beträchtlich. So hat z. B. die CSU mit unter 20 Prozent den mit Abstand geringsten Frauenanteil, gefolgt von FDP (23%) und CDU (25,6%). Weit vorne positioniert sind dagegen die GRÜNEN (37,8%) und die LINKE (37,7%)Die Gründe dafür sind vielfältig. Es hat u. a. damit zu tun, dass Frauen sich im Vergleich zu Männer weniger für Politik interessieren, dass nur halb so viele Frauen im Vergleich zu den Männer ein politisches Amt übernehmen würden, wichtige auch medienwirksame Politikfelder wie Wirtschafts-, Außen- oder Sicherheitspolitik traditionelle Männerdomänen sind  und Frauen sich ganz offensichtlich von der (männlich dominierten und strukturierten?) Parteiarbeit nicht so angesprochen fühlen. Die u. U. weitaus wichtigere Frage, wie hoch der Anteil der Frauen in Parteifunktionen ist, damit allerdings noch gar nicht erfasst. Der geringe Anteil von Frauen in Parteiämtern führt daher immer wieder zu Diskussionen um die Einführung einer Frauenquote.

Welche Altersgruppen sind als Mitglieder in den Parteien vertreten?

Grundsätzlich sind von den ganz jungen Jugendlichen abgesehen alle Altersgruppen in den Parteien vertreten. Allgemein gesehen haben die mittleren Jahrgänge zwischen 30 und 60 Lebensjahren den größten Anteil, aber je nach Partei haben auch ältere Altersgruppen inzwischen aufgrund der demographischen Entwicklung einen hohen Anteil. Jugendliche bis 25 Jahren sind dagegen nur in kleinerem Umfang in den Parteien organisiert.

Insgesamt ist zu beobachten, dass seit 2007 der Anteil der Parteimitglieder unter 30 in allen Parteien prozentual zugenommen hat. Das Phänomen der Parteienverdrossenheit ist also keineswegs ein Jugendproblem. Es wirkt sich offenbar sogar stärker auf ältere Jahrgänge aus.

Spielt die Religionszugehörigkeit bei der Parteizugehörigkeit noch eine Rolle?

Es mag überraschen, dass Rudzio (2011, S.160) feststellt, bei der Konfessionszugehörigkeit der Parteimitglieder bestünden noch immer "markante, fortdauernde Unterschiede." So sind über Dreiviertel der CSU-Mitglieder katholisch, in einzelnen Regionen zeigt sich noch, dass ein größerer Anteil von Protestanten die SPD wählt und bei den Grünen gibt es mit 38% den höchsten Anteil der Konfessionslosen. Da die Parteien in der Regel laizistisch ausgerichtet sind, führen sie oft aber auch keine Datensätze über die Religionszugehörigkeit ihrer Mitglieder.

Entsprechen die politischen Grundauffassungen der Parteimitglieder denen der Bevölkerung?

Die Annahme liegt eigentlich auf der Hand, dass sich die politischen Grundauffassungen, die in der Bevölkerung existieren, sich auch in der Parteimitgliedschaft widerspiegeln. Tatsache ist jedoch, dass dies so nicht der Fall und ein durchaus komplexes Problem. In einem Rechts-Links-Schema gilt nämlich: "Die Organisierten drängen nach außen, die Wähler gravitieren zur Mitte." Rudzio (2011, S.161) So hat man in Befragungen von SPD- und CDU-Mitgliedern in den siebziger und achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts im Trend übereinstimmend festgestellt, dass sich die Parteimitglieder der CDU stärker "rechts", die Mitglieder der SPD sich stärker "links" eingeordnet haben als ihre jeweiligen Wähler.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 20.07.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Zeigen Sie an unterschiedlichen statistischen Daten auf, welche Konsequenzen diese für das politische Handeln der Parteien haben (könnten).
  2. Gestalten Sie eine PR-Infografik mit werbender Funktion auf einem Plakat mit den statistischen Daten einer der Parteien.  (ggf. arbeitsteilige Gruppenarbeit)
     
 
     
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