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Linke und rechte Orientierungen

Rechtsextreme Orientierungen

 
 
 

Den "Raum der Rechten" genauer zu bestimmen, kann an dieser Stelle nicht geleistet werden, denn der Versuch, diesen Raum nur aus den jeweiligen Gegenteilen (ex negativo) zu bestimmen, führt nicht zu befriedigenden Ergebnissen.

Wer nennt sich selbst rechts?

Der Bezeichnung "rechts" wird im Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland nur von der am äußeren rechten Rand angesiedelten Kleinpartei der Republikaner (REP) in der Verbindung "demokratische Rechte" zur eigenen Bezeichnung verwendet. Kommt der Begriff  ansonsten in der politischen Auseinandersetzung vor, dann soll er zur Abgrenzung und auch Abwertung dienen und das Festhalten an Überkommenem, an den verkrusteten Strukturen des Gegensatzes von Kapital und Arbeit und an einer nicht mehr zeitgemäßen Geisteshaltung signalisieren. (vgl. Bobbio 1994/20046, S.9) Demokratische Parteien wie die CDU oder die CSU werden allenfalls vom politischen Gegner mit dem Attribut rechts versehen, verstehen sich selbst indessen keineswegs so. Der Begriff der »politischen Rechten ist in Deutschland durch die nationalsozialistische Vergangenheit im demokratischen Parteiensystem desavouiert. Daher verstehen sich Parteien, die zwar, bezogen auf das Jahr vor der Bundestagswahl 2014, eher einer "rechteren Parteiengruppe" (CDU, CSU, FDP) angehören als der ihnen gegenüberstehenden "linkeren Parteiengruppe" (SPD, GRÜNE, LINKE) Rudzio (2011, S.127) selbst gerne als Parteien der Mitte, allenfalls als "bürgerlich" oder "konservativ". Dass auch die Wählerinnen und Wähler die demokratischen Parteien weit weg von den äußeren Flanken auf der linken wie auf der rechten Seite sehen und im Parteiensystem diese Flanken bis dahin nur von kleineren Parteien besetzt worden sind (→Untersuchung der Forschungsgruppe Wahlen aus dem Jahr 2006), zeigt, dass die Links-Rechts-Topographie des Parteiensystems, sei sie auch noch so verbreitet, auch den Wählerinnen und Wählern bei der Einschätzung der Parteien nicht gerade viel weiterhilft.

Allgemein wird man vielleicht formulieren können, dass Menschen mit einer "rechten" Einstellung eine aktiv emanzipatorische Gesellschaftsveränderung auf politischem Wege weniger anstreben und eher am Bestehenden festhalten. "Politische Rechte wollen die traditionelle gesellschaftliche Ordnung sowie deren Werte und Normen nicht grundlegend verändern (konservative Rechte), in einen früheren Zustand zurücksetzen (reaktionäre Rechte) oder grundlegend erneuern (revolutionäre Rechte)." (Wikipedia)

Rechts steht, so kann man es sehen, wer in dieser oder jener Weise zum Autoritarismus neigt, wobei verschiedene Abstufungen bis hin zu einer vollen Ausprägung vorhanden sind. Sozialpsychologisch versteht man darunter ein Bündel von Einstellungen, das in unterschiedlicher Ausprägung und Konfiguration auftreten kann. Zudem müssen nicht immer alle Elemente vorhanden sind. (→Autorität in der autoritaristischen Gesellschaft)

Wer autoritaristischen Einstellungen folgt, das haben schon »Erich Fromm (1900-1980) mit seiner Arbeit über den →autoritären Charakter und »Theodor Adorno (1903-1969) mit seiner →Theorie der autoritären Persönlichkeit  (F-Skala) herausgearbeitet,

  • orientiert sich stets an Macht und Stärke (→"Machtdenken und "Kraftmeierei")

  • neigt zur Unterwürfigkeit gegenüber Autoritätspersonen (→Autoritäre Unterwürfigkeit)

  • zeigt häufig destruktives Verhalten, das sich in einer Art Lust am Zerstören äußert (→Destruktivität und Zynismus)

  • tendiert zu einer anhaltenden Überhöhung des eigenen Selbst

  • folgt im Allgemeinen äußerst konformistisch alten und z. T. vollständig überkommenen gesellschaftlichen Konventionen, neigt zu Vorurteilen, orientiert sich an Stereotypen und Klischees, lehnt das Unbekannte und Fremde ebenso ab, wie Individualismus und liberale Einstellungen und wendet sich gegen jegliche Erscheinungsform eines kulturellen Pluralismus (→Aberglaube und Stereotypie, →Sexualität, →Konventionalismus)

  • artikuliert solche Einstellungen häufig mit rassistischen oder die eigene Kultur überbewertenden (ethnozentristischen) sprachlichen Handlungen (z. B. →Stammtischparolen) und politischen Manifestationen

  • hat aufgrund solcher Einstellungen und der ihnen zugrundeliegenden →Abwehrmechanismen (insbesondere Reaktionsbildung, Kompensation und Verschiebung) meist keinen Zugang zu sensibleren Seiten seines Selbst (→Anti-Intrazeption)

  • ist meistens besonders anfällig für Ideologien mit ihren Feindbildern, die ein möglichst simples Schwarz-Weiß-Modell der Wirklichkeit zeichnen (→Projektivität)

Einen "prototypischen" Rechten zu beschreiben ist angesichts der Vielfalt rechter bzw. rechtslastiger Einstellungen mindestens ebenso schwierig wie die Beschreibung eines "prototypischen" Linken. Wer »links« und »rechts«  nur von den extremen Rändern zu fassen sucht, wird den Erscheinungsformen dieser politischen Orientierung als Ganzes kaum gerecht. Allerdings ist eine solche Herangehensweise in Politik, Wissenschaft und Gesellschaft weit verbreitet. Daher sollen hier die →Elemente Erwähnung finden, welche den→Rechtsextremismus kennzeichnen:

  • Autoritäts- bzw. Führerprinzip (»Autoritarismus)

  • Rassismus - Ideologie der Ungleichheit - Biologischer Determinismus - Sozialdarwinismus

  • Antisemitismus

  • Anti-Islamismus

  • Verherrlichung des Nationalsozialismus - Pro-Nazismus

  • Militarismus - Betonung autoritärer Umgangsformen und Stile

  • Gewaltbereitschaft

  • Intoleranz - Ausgrenzung des Andersseins (Homophobie)- Ablehnung des Leitbilds der multikulturellen Gesellschaft

  • Verschwörungstheorien - Ablehnung rationaler Auseinandersetzungen und Überhöhung von Irrationalismen

Diese Elemente spiegeln sich auch in der →Sprache des Rechtsextremismus (Kriminalisierungen, Zuschreibung moralischer und sozialer Minderwertigkeit, Idealisierungen, Verschwörungstheorien, biologistische Kategorien, sakrale Kategorien) wider.

Stammtischparolen im Syndrom gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit

Die hier aufgeführten Merkmale lassen sich also einem Syndrom "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" (GMF) zuordnen, bei dem die sieben Elemente  Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, das Bestehen auf Etabliertenvorrechten, Sexismus, Heterophobie (also die Angst vor dem 'Anderen', was auch die Homophobie, also Angst vor Homosexualität einschließt) und Islamophobie.
Und: Das Syndrom oder einzelne seiner Elemente werden von einem vergleichsweise großen Prozentsatz der Bevölkerung in Deutschland, zumindest latent, geteilt. So hat man 2004 festgestellt, dass 59,8% der Meinung waren, es lebten "zu viele Ausländer in Deutschland", 36% dafür plädierten , Ausländer "wieder in ihre Heimatländer zurückzuschicken", "wenn Arbeitsplätze in Deutschland knapp werden“. 21,9% wollten  Aussiedler gegenüber Ausländern "besser gestellt“ wissen, weil "sie deutscher Abstammung sind“. 13,2% waren der Überzeugung, dass die "Weißen zu Recht führend in der Welt sind “ und 37,7% fanden es  "ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen“. (vgl. Heitmeyer 2002, 2003, 2004, zit. n. Möller (2005), Rechtsextremismus revisited. Was man weiß, was man pädagogisch tut, in: ajs-informationen 2/2005: Strategien gegen rechts, im Internet verfügbar unter; http://www.ajs-bw.de/media/files/ajs-info/ausgaben_altbis05/Moeller.pdf, abgerufen am 15,5,2015) (→Rechte und linke Orientierungen)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 20.07.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Notieren Sie - einzeln oder in der Arbeitsgruppe (z. B. als →Placemat-Aufgabe) - schnell und ohne lange zu überlegen:

    • eine Person, die für sie links, und eine Person, die für sie rechts ist

    • ein historisches Ereignis, das für sie links und eines, das für sie rechts ist

    • eine Organisation, die für Sie links und eine, die für sie rechts ist

  2. Führen Sie eine Umfrage in Ihrer Klasse/Ihrem Kurs/Ihrer Klassenstufe in der Schule oder als Straßeninterviews durch mit den gleichen Fragen durch. (ggf. Videoaufnahmen mit entsprechender Auswertung und Präsentation).

  3. Wie beurteilen Sie das Umfrageergebnis unter den Studierenden aus den 1990er Jahren unter Ihrer heutigen Perspektive?

  4. In welchen Abstufungen zeigen sich linke und rechte Orientierungen in der politisch-gesellschaftlichen Praxis. Finden Sie Beispiele.

 

 
     
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