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Merkmalsdimensionen von Parteitypologien

Parteitypen nach Aufbau und Struktur

Elitenpartei - Massenpartei - Wählerpartei

 
 
  Es gibt verschiedene Ansätze, um Parteien als Typen voneinander zu unterscheiden. Solche Typologien greifen stets bestimmte Eigenschaften heraus und vernachlässigen andere, um so genannte Idealtypen zu bestimmen. Solche Idealtypen entsprechen insofern nicht dem kompletten Bild einer Partei in der Wirklichkeit. Sie dienen vor allem dazu, Parteien unter Bezug auf den Idealtyp miteinander zu vergleichen.

Man kann Parteien z. B. nach ihrem Aufbau und ihren Strukturen voneinander unterscheiden.

Folgt man der Unterscheidung von Lucardie (2007, S.71) dann lassen sich Parteien unter dem Aspekt ihres Aufbaus und ihrer Organisation in drei Typen unterscheiden:

Auf Maurice Duverger (1958) zurückgehend wird der erstgenannte Typ von den Honoratiorenparteien oder Kaderparteien (parti de cadres) gebildet. Dabei sind freilich Honoratiorenparteien und Kaderparteien genauer betrachtet aber auch sehr unterschiedlich. Im modernen Begriff der Elitenpartei (vgl. Beyme 2000, S.27, Saalfeld 2007, S.128) wird das Wesen dieses Parteityps wohl am besten zum Ausdruck gebracht.

Eliten- oder Honoratiorenparteien (Kader- oder auch individuelle Repräsentationsparteien) waren vor allem im  19., aber auch bis ins 20. Jahrhundert hinein Parteien, hinter denen sich bestimmte Gruppen aus dem Bürgertum versammelten.
Sie waren auch (individuelle) Repräsentationsparteien, weil sie ihre Hauptaufgabe darin sahen, Abgeordnete zu bestimmen, die die Interessen des Bürgertums im Parlament vertreten, d. h. repräsentieren, sollten.
Sie werden in der Regel nur im Wahlkampf als Partei aktiv, um ihre Kandidaten zu unterstützen. Eine feste und dauerhafte Parteiorganisation war bis auf absolut notwendige Organisationseinheiten eher selten. Meistens genügt der Honoratiorenpartei ein loser Verbund ihrer in Clubs und sonstigen Vereinigungen organisierten Parteigänger, die meist zu den "Honoratioren", also den ehrwürdigen und angesehenen Personen, sprich Eliten, salopp gesagt den VIP's (very important people), einer Stadt gehören (Anwälte, Ärzte, Professoren, Bankherren, höhere Beamte etc.).

Bundesarchiv Bild 183-71043-0003, Wladimir Iljitsch LeninNeben der Honoratiorenpartei mit ihrer vergleichsweise losen Parteiorganisation gehört auch die Kaderpartei i. e. S. zum gleichen Parteityp. Solche Parteien sind straff organisiert und streng hierarchisch aufgebaut und verstehen sich als revolutionäre Kaderparteien von Berufsrevolutionären, die als Avantgarde der ihnen folgenden Massen agieren wollen. Historisch orientieren sie sich an dem Muster der russischen »Bolschewiki unter ihrem Führer »Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924), der mit seiner Kaderpartei 1917 die »bolschewistische Oktoberrevolution im »zaristischen Russland anführte. In der Weimarer Republik (1918/19-1933) entwickelte sich die ehemals als Kaderpartei konstituierte Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) zu einer Massenpartei.
Abb: Wladimir Iljitsch Lenin - gemeinfrei https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_183-71043-0003,_Wladimir_Iljitsch_Lenin.jpg

Massenparteien, die meistens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts außerhalb von Parlamenten  entstanden sind, organisieren ihre Mitglieder in Grundorganisationen (Ortsvereinen, Betriebs- oder Stadteilzellen etc.) und sind im Gegensatz zu Honoratioren- und Kaderparteien ständig aktiv (Demonstrationen, Flugblattaktionen, Sammeln von Unterschriften, Schulungen für die Mitglieder, Verkauf von Parteizeitungen etc.) Sie legen ihre Ziele gewöhnlich in theoretisch fundierten Programmen (Programmpartei) nieder. Die Massenparteien sind in der Regel klar durchorganisiert. Ihre Mitglieder stammen oft aus der gleichen sozialen Schicht (Klasse) und gehören den gleichen soziokulturellen Milieus an (Klassenparteien)
In der Weimarer Republik (1918/19-1933) war die Sozialdemokratische Partei Deutschland (SPD) eine (demokratische) Massenpartei. Die beiden anderen Massenparteien dieser Zeit entwickelten sich auf dem linken bzw. rechten Flügel des Parteiensystems: die auf der Basis des demokratischen Zentralismus organisierte Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) und die faschistische, auf dem »Führerprinzip aufgebaute Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP).

Unter →demokratischem Zentralismus, zu dem sich neben der KPD in der Weimarer Republik auch die »Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) der »DDR- sie nennt sich seit 1949 selbst Partei neuen Typs in Partei und Staat bekannte, versteht man das von von »W. I. Lenin (1870-1924) entwickelte "Führungsprinzip kommunistischer Parteien, nach dem a) Staat und Partei hierarchisch-zentralistisch aufzubauen sind, b) das Führungspersonal von Partei/Staat von unten nach oben gewählt wird, die Auswahl der zu wählenden Kandidaten jedoch von oben nach unten erfolgt, c) die Beschlüsse der höheren Organe für die unteren bindend sind und d) Minderheiten sich einer straffen Parteidisziplin unterordnen müssen." (Schubert/Klein 2011)

Wählerparteien, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Staaten Europas entstanden, sind dabei, die Massenparteien (Mitglieder- bzw. Massenintegrationsparteien) abzulösen. Ähnlich wie bei den Kaderparteien steht bei ihnen der Wahlkampf im Zentrum der parteilichen Aktivitäten. Aber statt straffer Parteiorganisation mit zahlreichen mehr oder weniger aktiven Mitgliedern setzten die Wählerparteien auf die Unterstützung professionell organisierter Werbe- und Imagekampagnen, die meistens über Spendengelder finanziert, ihre potentiellen Wähler zur Wahlurne locken sollen. Aber nicht nur Spenden ermöglichen angesichts der geringen Bedeutung von Mitgliedsbeiträgen den Wählerparteien ihre Arbeit, sondern oft auch Subventionen durch den Staat. Im Parteienstaat der Bundesrepublik Deutschland sorgt z.B. die unmittelbare Parteienfinanzierung gemäß § 18 Abs. 1 des »Parteiengesetz von 1967 (neueste Fassung 22. Dez. 2015) für eine Teilfinanzierung der Parteien. (vgl. Merten 2007, S.91)  Nicht selten werden auch die Kandidaten wie in den USA in offenen Vorwahlen bestimmt. Da die in einem solchen Parteikonzept die Medien für die meist nur kurzfristige Parteibindung der Wähler immer wichtiger wird, nehmen Wählerparteien nicht selten den Charakter von "professionalisierten Medienkommunikationsparteien" (Jun 2004) bzw. "professionalisierten Medienparteien"   (Köllner 2008, S.13) an. Sie sind mehr denn je davon abhängig, was die Medien in die Haushalte der Bürgerinnen und Bürger transportieren: Positionen und Statements der Parteien zu Themen, die sie nicht selten selbst auf die Tagesordnung gesetzt haben (Framing- und Priming-Funktion der Medien) (vgl. Schmidt 2016, Kap III,2) Was die Parteien zu sagen haben, um Wähler zu gewinnen, muss jedenfalls vor allem medienwirksam abgegeben und inszeniert werden, was nur mit den entsprechenden Marketing-, Medien- und Social Media-Experten in den Parteizentralen gelingen kann. Ihre Aufgabe ist es, "die Medien mit den entsprechenden Positionen und Images der Partei zu »füttern«, um Wähler für die Partei einzunehmen." (Detterbeck 2011, S.99) Zugleich geht es dabei natürlich auch darum, die ideologisch-politische Ausrichtung einer bestimmten Partei widerzuspiegeln, um sie von anderen unterscheidbar zu machen.
Trifft sich die alles mit den entsprechenden Einstellungen der Wähler, dann können Parteien hoffen, dass sich ein größerer Teil der Wähler wenigstens kurzfristig mit einer bestimmten Partei identifiziert.
Der Typus der Wählerpartei lässt sich in mindestens drei Subtypen unterscheiden, die aber diesen Typen in der Wirklichkeit auch nur selten entsprechen, sondern meistens als Mischformen auftreten.

  • Die von dem italienischen Unternehmer und viermaligen Ministerpräsidenten Italiens »Silvio Berlusconi (gb. 1936) 1994 gegründete und zum Teil selbst finanzierte »Forza Italia kann mit Hopkin/Paolucci (1999) als business firm party (Betriebspartei) bezeichnet werden. Die Forza Italia ging 2009 in der neuen Partei »Popolo della Libertà (PdL). Im Zuge einer Parteispaltung kehrte die PdL 2013 zum alten Namen Forza Italia (2013) zurück.

  • Die Kartellpartei (vgl. Katz/Mair 1995) lehnt sich wegen der zunehmend geringer werdenden gesellschaftlichen Verankerung der Parteien (weniger Mitglieder, geringere Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen, geringere Parteibindung und höhere Wechselbereitschaft der Wähler etc.) stärker an den Staat an und begibt sich finanziell durch ihre staatliche Finanzierung in Abhängigkeit von diesem. Mit den anderen, nur scheinbar miteinander konkurrierenden Parteien, die in der gleichen Situation sind, bildet sie über die Parteigrenzen hinweg ein Parteienkartell, das den Staat beherrscht (vgl. Lucardie 2007, S.73). Das gemeinsame Ziel der im Parteienkartell miteinander kooperierenden Parteien ist es, ihre Position im politischen System, damit auch ihre finanziellen Vorteile, gegen neu aufkommende Parteien zu verteidigen. (→Bilden die Parteien ein Parteienkartell?)

  • Die US-amerikanische campaign party ist eine Wählerpartei, die auf einem sehr losen Netzwerk beruht, das eigentlich nur für den Wahlkampf aktiv wird, um bestimmte Kandidaten zu unterstützen. (vgl. McSweeny/Zverper 1991)

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 23.08.2016

 

 
   
   Arbeitsanregungen:
  1. Gehen Sie auf Wikipedia zur »aktuellen Liste der Parteien in Deutschland.

  2. Ordnen Sie Parteien aus der Liste den oben dargestellten Parteitypen zu.

  3. Informieren Sie sich dazu im Rahmen einer Internetrecherche über die jeweilige Partei.
     

 
     
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