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»Nationalismus
ist etwas anderes als Nationalbewusstsein, »Patriotismus
oder Vaterlandsliebe, wenngleich er ohne diese nicht denkbar ist.
Grundlegend für ihn ist der "Gedanke, dass jede Nation das Recht hat,
einen eigenen Staat zu bilden und zu erhalten." (Döhn
1995, S.557) Statt in ein System personenbezogener Loyalitäten
gegenüber einem König oder Fürsten eingebunden zu sein, werden solche
Beziehungen von den Herrschaftsträgern abstrahiert und auf die nicht
mehr mit einzelnen Individuen verbundene abstrakte Ebene der Nation und
der nationalen Gemeinschaft übertragen. Staat und vor allem die Nation
werden auf diese Weise zu den höchsten Werten. Entstanden sind die ersten
nationalistischen Ideen im 18. Jahrhundert im Umfeld des »Amerikanischen
Unabhängigkeitskrieges
(1775-83) und der »Französischen
»Revolution
(1789-1799). In der Viel- und Kleinstaaterei des »Heiligen
Römischen Reiches Deutscher Nation hat sich der deutsche
Nationalismus nicht auf gleicher Grundlage entwickelt. Gegen den
etatistischen Nationenbegriff, wie er für Frankreich und die Vereinigten
Staaten von Amerika charakteristisch war, setzte man in deutschen Landen
darauf, "die Existenz einer deutschen Nation aus gemeinsamer Sprache und
Kultur" (ebd.)
abzuleiten. In einem geographischen Raum, indem sich bis Mitte des 19.
Jahrhunderts die meisten weder als Angehörige einer deutschen Nation
noch überhaupt als Deutsche verstanden, sondern sich stattdessen als
Preußen, Bayern, Sachsen usw. begriffen, dauerte es, bis nach und nach
auch das Streben nach einem einheitlichen deutschen Staat größere
Bedeutung gewann. In der Folgezeit zeigten sich nach dem Scheitern der »Revolution
von 1848 drei Besonderheiten, die den deutschen Nationalismus im 19.
Jahrhundert kennzeichneten: "Erstens Zurückstellen bzw. Geringschätzen
der Freiheit und Volkssouveränität gegenüber der staatlichen Einheit der
Nation, zweitens Irrationalismus, drittens Überschätzung der eigenen
Nation gegenüber anderen Nationen." (ebd., S.558) Dabei entwickelte
sich der deutsche Nationalismus, der "sich in der Vergangenheit oft mit
liberalen oder konservativen Strömungen [...], aber ab und zu auch mit
dem Sozialismus (verbunden hat)" (Lucardie
2013, S.64), zu einer immer
aggressiver und intoleranter auftretenden Ideologie, zu einem
exklusiven
Nationalismus, der sich nicht nur gegen andere Nationen, sondern auch
gegen deren Kultur" (Döhn
1995, S.558)
richtete. Mit dem »Nationalsozialismus
wurde dieser exklusive Nationalismus,
den man auch als »Chauvinismus
bezeichnet, in Deutschland auf die Spitze getrieben und lieferte mit
seiner Verbindung mit dem menschenverachtenden »Rassismus
die Basis seiner völkischen Ideologie, der viele Millionen von Menschen
zum Opfer fielen.
Grundsätzlich lassen sich, auch wenn sich das bei Menschen, die
nationalistisch denken, nicht immer klar voneinander trennen lässt,
zwei Formen des Nationalismus
unterscheiden:
- Der inklusive
Nationalismus ist ein gemäßigter »Patriotismus,
"der auf eine Integration aller Teilgruppen einer Gesellschaft,
unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung und ihrer kulturellen
Identität, zielt. Er will sich für die Werte und Symbole seiner
Nation einsetzen und billigt dies auch anderen Nationen zu." (Wikpedia.de,
18.8.16) Er kann sich dabei positiv unter anderem beziehen auf die
republikanische Tradition, auf die demokratische Verfassung (Verfassungspatriotismus),
auf die Errungenschaften des Sozialstaats, auf wirtschaftliche
Erfolge oder ganz allgemein auf das internationale Ansehen. (vgl.
ebd.,
dort Bezug auf:
Riescher 2005,
S.599)
- Der exklusive Nationalismus
(auch: »Chauvinismus)
steht dabei für eine fanatisch-aggressive, übersteigerte Aus- und
Abgrenzung, die auf einem oft auch rassistisch fundierten,
übersteigerten Wertgefühl beruht. Für ihn ist die eigene Nation
höherwertiger als die anderen. Das kann soweit führen, dass
ethnische oder andere Minderheiten, "die als dem imaginierten
Volkskörper fremd oder schädlich angesehen werden", vertrieben
werden oder in sogenannten »ethnischen
Säuberungen nicht nur umgesiedelt, sondern auch deportiert und
ermordet werden. (vgl.
ebd.)
In der Bundesrepublik Deutschland werden
exklusiv-nationalistische Positionen vor allem von Parteien aus dem
rechtsextremen Lager vertreten. (→Rechtsextremismus
in Deutschland) Dabei ist der Chauvinismus und »Ethnozentrismus
meistens verbunden mit einem Sammelsurium anderer rassistischer und
demokratiefeindlicher Positionen. Die 1964 gegründete »Nationaldemokratische
Partei Deutschlands (NPD), gegen die seit 2013 ein »Verbotsverfahren
beim »Bundesverfassungsgericht
läuft, vertritt eine »völkisch-nationale
Ideologie, die auf dem Konzept einer "völkischen, kollektivistischen,
ethnisch homogenen Gemeinschaft in einem starken Nationalstaat" (Jaschke
1994/2001, S.30) beruht und lehnt "Andersartigkeit" und
"Überfremdung" ebenso ab wie jede Form des »Multikulturalismus.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
21.08.2016
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