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Bundesweiter Volksentscheid

Zehn Argumente gegen die Einführung bundesweiter Volksentscheide

 
 
  In der immer wieder öffentlich geführten Debatte über die Frage: "Soll der Volksentscheid ins Grundgesetz?" haben die Gegner sich mit einer ganzen Reihe von Argumenten positioniert.
  1. Erfahrungen mit Volksentscheiden auf Landesebene und in den Kommunen zeigen, dass daran noch weniger Bürgerinnen und Bürger mitmachen als bei Wahlen. So laufen Volksentscheide Gefahr, dass nur ein nicht-repräsentativer Teil der Bevölkerung politische Entscheidungen trifft. Außerdem nehmen an solchen Volksentscheiden vor allem die gebildeten, ökonomisch besser gestellten und politisch ohnehin Interessierten teil. Damit verschärft sich sogar das Problem der sozialen Selektivität.

  2. Zugleich kann die Festlegung einer bestimmten Beteiligung von Abstimmungsberechtigten für die Wirksamkeit eines Volksentscheides von z. B. 25 % (= qualifizierte Mehrheit) dazu führen,  Gesetze, die von den mit einer weit höheren Beteiligung gewählten Abgeordneten des Bundestages zustande gekommen sind, zu Fall gebracht werden. Damit würde die Legitimation politischer Entscheidungen deutlich herabgesetzt.

  3. Die Bereitschaft, sich im Rahmen von Abstimmungen am politischen Entscheidungsprozessen zu beteiligen, fällt erfahrungsgemäß bei Entscheidungen deutlich höher aus, wenn die Abstimmungseinheit kleiner (z. B. auf kommunaler Ebene) ist.

  4. Bundespolitische Entscheidungen sind häufig so komplex, dass sie im Grunde nur von spezialisierten "Berufspolitikern", die über hinreichende Kompetenz verfügen, sachgerecht und im Interesse des Gemeinwohls getroffen werden können. Der größte Teil der Bürgerinnen und Bürger wäre damit einfach überfordert.

  5. Das repräsentative System nimmt die Verantwortlichen für politische Entscheidungen in die Pflicht. Machen sie Fehler können sie dafür persönlich oder als Partei  zur Rechenschaft gezogen werden und z. B. bei der nächsten Wahl "abgewählt" werden.

  6. Mit Volksentscheiden können Minderheiten, selbst wenn bei der Abstimmung die Mehrheitsregel gilt, versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Wenn diese dann noch von gut organisierten Interessenverbänden oder Personengruppen mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden oder mit deren Medien oder mit einer optimalen Vernetzung in sozialen Netzwerken unterstützt werden, können ansonsten nicht mehrheitsfähige Positionen durchgebracht werden. Die Gefahr populistischer Entscheidungen wird damit beträchtlich erhöht.

  7. Umgekehrt benötigen auch Minderheiten, die keine Möglichkeit haben, politisch mitzuentscheiden, weil sie vielleicht einem anderen Kulturkreis angehören oder z. B. als Flüchtlinge, sich erst seit kurzem im Land aufhalten, eines Schutzes vor Volksentscheiden.

  8. Die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene würde einem wesentlichen Konstruktionsprinzip der repräsentativen Demokratie widersprechen, das auf dem "Ping-Pong-Spiel" zwischen Regierungsmehrheit und Opposition im Parlament beruhe. In dieer Rollenverteilung ist die Regierung für politische Initiativen zuständig, die Opposition für die Kritik daran und die Entwicklung von Alternativen, um bei der nächsten Wahl ggf. selbst die Regierungsverantwortung übernehmen zu können. Volksentscheide würden diese Rollen- und Aufgabenverteilung mit hohen Risiken grundlegend verändern.

  9. Im politischen System Deutschlands fällt vor allem den Parteien die Aufgabe zu,

    • die Bürgerinnen und Bürger am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen

    • attraktive Angebote zur Mitarbeit zu machen

    • für die Berücksichtigung und Integration verschiedener Interessen im parteiinternen Willensbildungsprozess zu sorgen

    • politische Entscheidungen möglichst transparent zu gestalten

    Auf diese Weise kann der Mangel an direkten Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger auf den politischen Entscheidungsprozess zumindest zum Teil ausgeglichen werden. Die derzeit zu beobachtende Unzufriedenheit der Menschen mit der Politik ist vor allem "Parteienverdrossenheit". Die Parteien müssen sich daher verändern, um die Zufriedenheit mit ihnen und damit dem politischen System als Ganzem zu verbessern.

  10. Statt bundesweiter Volksentscheide sind Verfahren zu bevorzugen, die den Bürger-Parteien- bzw. Bürger-Politik-Dialog durch transparente, gut organisierte Bürgerbeteiligungsverfahren im Vorfeld politischer Entscheidungen ein wirksameres Mittel die Zufriedenheit mit Einzelentscheidungen und dem politischen System als Ganzem zu erhöhen.

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 26.02.2015

 
     
     
   Arbeitsanregungen:
  1. Welche Argumente können Sie überzeugen?

  2. Verfassen Sie ein Statement, aus dem Ihre Meinung zur Frage hervorgeht: "Soll der Volksentscheid ins Grundgesetz der Bundesrepublik aufgenommen werden?"
     

 
     
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