Gewaltenteilung als unveränderbares Prinzip
Im ▪ politischen System der Bundesrepublik
Deutschland gilt das Prinzip der Demokratie, das auf dem Gedanken
der Volkssouveränität beruht, wie er im ▪
Artikel
20 des ▪ Grundgesetzes festgelegt
ist. Dabei wird im Artikel 20, Abs. 2 und 3 die Gewaltenteilung als unveränderbares Prinzip unserer demokratischen Ordnung
festgeschrieben (vgl. ▪ GG Art
79 Abs. 3).
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und
sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in
Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung,
der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. (3) Die
Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die
vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht
gebunden."

Für
größere Darstellung bitte anklicken!
Eine Lehre aus der nationalsozialistischen Diktatur
Das Grundgesetz sollte bei seiner Inkraftsetzung 1949 u.
a. verhindern, dass es nach den Erfahrungen mit der
▪ nationalsozialistischen Herrschaft in Deutschland 1933-1945, auf dem
Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland jemals wieder zu
diktatorischen Verhältnissen kommen konnte. Eine solche
Machtkonzentration wie unter der NS-Diktatur und die Indienstnahme des
gesamten Staates dafür, sollte ein für alle Mal verhindert werden.
Dazu
galt es die Ausübung politischer Macht zu begrenzen und die Freiheit der
Bürgerinnen und Bürger mit einem ausgeklügelten System der
Machtstreuung zu sichern. Das Prinzip, von dem man sich leiten ließ, war
die so genannte Gewaltenteilung bzw. die Machtteilung zwischen
Institutionen des Staates, die für die Gesetzgebung, die Durchführung
der Gesetze und die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit politischer
Machtausübung zuständig sind.
Wer es noch genauer nimmt, kann in diesem
Zusammenhang auch von Funktionentrennung
sprechen, da ja eigentlich nicht die Staatsgewalt geteilt wird, von der
es im GG unmissverständlich heißt: "Alle Staatsgewalt geht vom Volkes
aus") (vgl.
Seibel 1994, S.126) Da der Begriff Gewaltenteilung im
historisch-politischen Unterricht an der Schule am weitesten verbreitet
ist, halten wir auch hier daran fest.
Grundsätzlich bewirkt die Gewaltenteilung eine "Gewaltenhemmung"
(ebd.)
Diese funktioniert dadurch, dass sich "die staatlichen Organe [...]
entsprechend ihrer unterschiedlichen Funktionen gewissermaßen
gegenseitig in Schach [halten]. Diese Gewaltenhemmung ist eine erste
wesentliche Voraussetzung für die praktische Gewährleistung des
Grundrechtsschutzes. Die durch die Funktionentrennung bewirkte
Gewaltenhemmung schützt den Bürger vor einer Übermacht des Staates." (ebd.)
Ein Staatsrechtler hat hier einmal den Vergleich mit dem Märchen vom
tapferen Schneiderlein angestellt und betont: So lange die Bürger dafür
sorgen, dass sich die Staatsgewalten nämlich mit sich selbst
beschäftigen, sind sie ebenso vor Übergriffen des Staates geschützt wie
das Schneiderlein, das es fertigbringt, dass die ihm gefährlich
werdenden Riesen gegenseitig aufeinander einschlagen. (vgl. Ossenbühl
1980, zit. n. ebd.)
Das Prinzip der horizontalen Gewaltenteilung
Das Prinzip der horizontalen
Gewaltenteilung in gesetzgebende (legislative), vollziehende
(exekutive) und rechtsprechende (judikative) Gewalt, war indessen nichts
Neues.
Die Theorie, wonach diese drei Gewalten unabhängig
voneinander sein sollten, wurde schon Ende des 17. Jahrhunderts
entwickelt. Damals machten sich ▪
Philosophen
der
▪
Aufklärung daran, die Legitimationsgrundlage absolutistischer Könige
und Fürsten (»Ludwig
XIV. von Frankreich (1638-1715): "Der Staat bin ich."- ▪
Rigaud-Gemälde)
in Frage zu stellen.
Was insbesondere der englische Philosoph »John
Locke (1632-1704) und der französische »Baron
de Montesquieu (1689-1755) in ihren bahnbrechenden Schriften
ausführten, wurde erstmals 1787/88 in der »Verfassung
der Vereinigten Staaten von Amerika umgesetzt. (▪
Textauswahl
zu John Locke, ▪ Textauswahl
zu Montesquieu)
Darin schafft die Gewaltenteilung ein wirksames
System gegenseitiger Kontrolle, von Kontrollen und Gegengewichten (checks
and balances), Dazu kommt noch das sogenannte
Inkompatibilitätsgebot, das
eine Verbindung zwischen Abgeordnetenmandat und and Arbeit in der
Exekutive untersagt.
Seitdem haben sich unterschiedliche demokratische Systeme auf der Welt
entwickelt, die grundsätzlich auf dem Prinzip der Gewaltenteilung
basieren, es in der Praxis jedoch etwas anders umsetzen.
Das liegt an
den Unterschieden dieser demokratischen Systeme.
-
So ist die
Gewaltenteilung in einem »präsidentiellen
System wie den USA, von der Verfassung her gesehen, auch heute noch
sehr viel strenger durchgeführt als dies heute in der Bundesrepublik
Deutschland der Fall ist.
-
In Deutschland funktioniert das System eben
nur, wenn die voneinander unabhängigen Staatsorgane, die den jeweiligen
Gewalten zugeordnet werden, miteinander in einer Art
Verschränkung
zusammenarbeiten. Das wird am Beispiel des Bundestags schnell deutlich.
Grundsätzlich kommt dem Parlament ja als Ganzes die Aufgabe zu, die
Regierung zu kontrollieren. Da aber die Bundestagsmehrheit auch die
Kanzlermehrheit ist, sind die Mehrheitsparteien natürlich stärker an der
Stützung der Regierung interessiert als an deren Kontrolle. In
Deutschland, wo es demnach keine strenge Dreiteilung gibt, dürfen
Regierungsmitglieder auch gleichzeitig Abgeordnete sein, lediglich den
Richtern ist untersagt, zugleich in der Exekutive oder der Legislative
tätig zu sein.
Die Kontrolle der Regierung wird
daher in Deutschland also in der Praxis nicht von dem Parlament als
Ganzes durchgeführt, sondern obliegt in der Regel den Oppositionsparteien. Unterstützt
werden sie dabei im Allgemeinen von den Medien, die deshalb von manchen
auch als vierte Gewalt bezeichnet werden.
Das Prinzip der vertikalen Gewaltenteilung
Ein Gegengewicht zu dieser
Gewaltenverschränkung auf Bundesebene schafft
bis zu einem gewissen Grad die sogenannte
vertikale Gewaltenteilung.
Darunter versteht man, dass in einem ▪
Bundesstaat wie ihn die
Bundesrepublik Deutschland darstellt, die Bundesorgane nicht allein über
Wohl und Wehe des Volkes entscheiden können.
Über verschiedene Wege
und ausgestattet mit eigenen legislativen, exekutiven und judikativen
Funktionen müssen die ▪
Bundesländer
an der Bundespolitik beteiligt werden.
-
Sie haben nicht nur ein eigenes
Bundesorgan, den Bundesrat, sondern sind damit auch bei wichtigen
Entscheidungen wie z. B. einer ganzen Anzahl zustimmungspflichtiger
Gesetze an der Gesetzgebung des Bundes beteiligt.
-
Und damit die Länder
nicht vom Bund Weisungen entgegennehmen müssen, haben sie auch eine
eigenständige, allerdings beschränkte Staatsgewalt.
-
So kann der Bund
sich nur unter bestimmten, im Grundgesetz eng eingegrenzten Umständen in
die Angelegenheiten der Länder einmischen.
Bundespolitik und Gewaltenteilung in einem Mehrebenensystem
politischer Steuerung
Schaut man über die verfassungsrechtliche Setzung der Gewaltenteilung
hinaus, dann ist der politische Entscheidungsprozess in einem
politischen System wie der Bundesrepublik Deutschland natürlich weitaus
komplexer.
Insbesondere das Regierungshandeln ist von weitaus mehr
Einflussfaktoren abhängig, als das ideale Konstrukt der Gewaltenteilung
vorgibt: Denn "In der Bundesrepublik Deutschland erscheint politische
Steuerung als besonders schwierige Aufgabe. [...] Im Ganzen hat die
Bundespolitik in einem politischen Mehrebenensystem zu operieren, in
welchem sie Zuständigkeiten mit anderen Ebenen teilt und insbesondere
Entscheidungen der Europäischen Union zu beachten hat
(Politikverflechtung). Entscheidungen fallen daher häufig durch
'Verhandlung' statt durch 'Mehrheit', sodass man von
Verhandlungsdemokratie spricht. Blockaden, Behinderungen,
Einschränkungen drohen einer Bundesregierung von vielen Seiten." (Rudzio
2011, S.253)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.01.2020
|