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Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (StGB)

Überblick

 
 
  Die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (StGB) werden im  Besonderen Teil des StGB im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuchs fixiert.

13. Abschnitt - Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung

Erwin J. Haeberle (1985) befasst sich mit der grundsätzlichen Frage, unter welchen Umstanden die Verletzung sexueller Normen strafwürdig sind bzw. ein juristisches Problem darstellen. Dabei steht für ihn außer Frage, "dass bestimmte Arten sexuellen Verhaltens von Gesetzes wegen verboten werden müssen, weil sie mit Gewalt, Betrug oder Ausbeutung verbunden sind oder vor unfreiwilligen Zeugen stattfinden. Die Opfer solchen Verhaltens verdienen gesetzlichen Schutz, und in nahezu allen Gesellschaften wird versucht, diese Forderung zumindest für ihre 'wichtigen' Mitglieder zu erfüllen." So könne auch keine Gesellschaft ohne ein bestimmtes Minimum von Sexualgesetzen bestehen. Dennoch müsse "selbst der eifrigste Gesetzgeber viele Formen sexuell destruktiven Verhaltens ungestraft lassen. So können zum Beispiel Eheleute, die Sexualität dazu benutzen, sich gegenseitig zu entwürdigen; Eltern, die Kinder sexuell nicht aufklären, Lehrer, die ihren Schülern Lügen über Masturbation erzählen, und Geistliche, die zur Verfolgung sexueller Nonkonformisten aufrufen, eine Menge Unheil anrichten, und sie werden dennoch nicht eines Vergehens oder Verbrechens bezichtigt. Es ist auch fraglich, ob sie durch irgendein besonderes Gesetz zu kontrollieren wären."

Aus diesen Überlegungen ergeben sich nach Haeberle (1985) die folgenden Schlussfolgerungen:

  1. "Gesetz und Moral sind nicht das gleiche. Sie stehen zweifellos in Beziehung, allerdings in keiner direkten. Bestimmte unmoralische sexuelle Handlungen können völlig legal sein, während bestimmte moralische sexuelle Handlungen illegal sind.

  2. Man kann nicht einfach davon ausgehen, dass es Zweck des Sexualstrafrechts ist, körperlichen und emotionalen Schutz zu gewährleisten. Denn wir haben festgestellt, dass gefährdendes Verhalten unter Umständen legal sein kann und harmloses illegal."

"Die bundesdeutschen Sexualgesetze sind - ähnlich wie in Österreich und der Schweiz - in einem gesonderten Abschnitt des Strafgesetzbuches unter der Bezeichnung "Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung" zusammengefasst (die frühere Bezeichnung "gegen die Sittlichkeit" ist heute noch in Österreich und der Schweiz üblich). Diese Bezeichnung deutet auf einen wesentlichen Schwerpunkt der neuesten bundesdeutschen Sexualgesetzgebung hin: Sexuelles Verhalten ist dann strafbar, wenn es die persönliche Freiheit und die Gesundheit von Menschen in Ausdruck und Entwicklung verletzt. Die sexuelle Selbstbestimmung liefert jedoch nur einen einzelnen Aspekt des Sexualstrafrechts. Andere geschützte Rechtsgüter sind - mit vermutlich gleichbedeutender normativer Kraft - Ehe und Familie und damit die geltende Sexualverfassung. Toleranz und Achtung der Menschenwürde des anderen, ungestörte sexuelle Entwicklung des jungen Menschen sowie der Schutz vor schwerwiegenden Belästigungen in sexueller Hinsicht. Die Inzestregelung (Verbot sexueller Handlungen zwischen Verwandten) des Strafgesetzbuches erfolgt unter der gesonderten Bezeichnung „Straftaten gegen Personenstand, Ehe und Familie". Der Tatbestand der „Straftaten gegen die persönliche Freiheit" wird durch die Entführung einer Frau unter 18 Jahren mit ihrem Willen, aber gegen den Willen ihrer Eltern oder Erziehungsberechtigten, um sie zu außerehelichen sexuellen Handlungen zu bringen, erfüllt. Die bundesdeutsche Sexualgesetzgebung hat sich zwar ausdrücklich der These verschrieben, dass ein Verhalten nicht schon um seiner Unmoral willen Strafe verdient, sondern erst dann, wenn es für den einzelnen oder für die Gemeinschaft unerträglich und sozial schädigend ist. Dabei wird jedoch eingeräumt, dass es „im Hinblick auf einen großen Teil der für die Entscheidung erheblichen Fragen an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen fehlt". Ist dies der Fall, so entscheiden die geltenden Sexual- und Moralvorstellungen mit über Inhalt und Form abweichenden Sexualverhaltens.
Das Sexualstrafrecht der Bundesrepublik hat 1969 mit Abschaffung des Straftatbestandes des Ehebruches, der Unzucht mit Tieren, der Erschleichung außerehelichen Beischlafs und der Homosexualität zwischen Erwachsenen (in Österreich seit 1971, in der Schweiz seit 1943) eine entscheidende Veränderung erfahren. Seit der Strafrechtsreform des Jahres 1973 gelten insgesamt neu überarbeitete Strafvorschriften. [...]
Das bundesdeutsche Sexualstrafrecht unterscheidet die Tathandlung in "Beischlaf" und "sexuelle Handlungen"; unter „Beischlaf" ist ausschließlich das Eindringen des Penis zumindest in den Scheidenvorhof zu verstehen. Es spielt keine Rolle, ob es zur Ejakulation kommt.
Für das Vorliegen strafbarer Tatbestände im Sinne des Sexualstrafrechts müssen "sexuelle Handlungen" „im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit" sein. Der Begriff der „sexuellen Handlung" hat dabei den alten Gesetzesbegriff der "unzüchtigen Handlung" abgelöst. Das große Problem der Eingrenzung dieses Handlungsbegriffes ist jedoch geblieben. Grundsätzlich muss die sexuelle Handlung ihrem äußeren Erscheinungsbild nach Sexualbezogenheit, das heißt eine „Beziehung zum Geschlechtlichen", beinhalten. Dazu zählen unter anderem: Eindeutiges Berühren der Geschlechtsorgane oder der weiblichen Brüste, sexuelle Praktiken wie Oral- und Analverkehr sowie der so genannte Zungenkuss zwischen Männern und Kindern. Eine Erregung des Täters muss nicht deutlich werden. Der von der sexuellen Handlung Betroffene muss die „Sexualbezogenheit" oft gar nicht erkannt haben."

http://www2.hu-berlin.de/sexology/ATLAS_DE/html/das_geltende_sexualstrafrecht_.html

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 29.09.2013
 

 
     
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