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Theorien und Modelle der Intelligenz

Multiple Intelligenz

Howard Gardner


  »Howard Gardners (*1943) Auffassungen über multiple Intelligenzen ist derzeit wohl die populärste moderne Theorie der Intelligenz. Für Gardner besteht Intelligenz in der "Fähigkeit, Probleme zu lösen oder Produkte zu schaffen, die im Rahmen einer oder mehrerer Kulturen gefragt sind." (Gardner 1985/2005, S.9) Gardner lehnt den herkömmlichen IQ-Test und die entsprechenden biometrischen Verfahren ab, auch wenn er zugesteht, dass sich schulischer Erfolg mit Hilfe von Intelligenztests im Allgemeinen gut vorhersagen lassen. Dass dem so ist, liegt indessen seiner Auffassung nach nicht an der Existenz eines allgemeinen "g-Faktors" a la Spearman, sondern daran dass Schule, wie sie heute praktiziert wird, zu einseitig jene Fähigkeiten in den Vordergrund des Lernens rückt, die im Bereich sprachlicher (linguistischer) und logisch-mathematischer liegen. Da die IQ-Tests normalerweise mit gleichen Schwerpunkten konzipiert sind und "mit Hilfe von Papier und Stift durchgeführt werden" (vgl. ebd. S.291), ist dieses Ergebnis natürlich nicht verwunderlich.

Wie Thurstone ist auch Gardner der Ansicht, dass Intelligenz in Form von Einzelfaktoren auftritt, auch wenn er am multifaktoriellen Ansatz insbesondere kritisiert, dass er eben nicht die ganze Bandbreite der intellektuellen Fähigkeiten abdecke, wie das »Modell der multiplen Intelligenzen (MI-Modell) (vgl. ebd. S.291). Gardner verweist dazu auch auf Ergebnisse der Neurobiologie, darunter besonders die Forschungen von »Antonio R. Damasio (*1944) (1994f.), die nachweisen konnten, dass Gehirnschädigungen zwar zur Beeinträchtigung bestimmter Fähigkeiten führen können, zugleich aber andere Fähigkeiten davon unberührt bleiben. Auch seine Beschäftigung mit Inselbegabten und dem so genannten Savant-Syndrom bestärkten ihn in der Ansicht, dass es sich bei der Intelligenz nicht um eine Intelligenz handelt, sondern um eine Mehrzahl von Intelligenzfaktoren (multiple Intelligenzfaktoren).
Welcher der von ihm identifizierten Intelligenzfaktoren hoch angesehen ist, ist dabei seiner Ansicht nach von Gesellschaft zu Gesellschaft, von Kultur zu Kultur verschieden. Sie stellen aber in jedem Fall "ein positives Modell der verschiedenen intellektuellen Stärken des Menschen" dar (Gardner 1985/2005, S. 254)

Gardner hat seine Theorie der multiplen Intelligenzen wie folgt zusammengefasst: "Die Theorie der multiplen Intelligenzen postuliert, kurz gesagt, eine Auswahl von vielleicht nicht mehr als sieben aus den intellektuellen Fähigkeiten unserer Spezies. Je nach Heridität*, Übungsbeginn sowie der Wahrscheinlichkeit nach bestehenden ständigen Interaktion zwischen diesen Faktoren entwickeln einige Personen bestimmte Intelligenzen viel weiter als andere - aber alle normalen Individuen sollten jede von ihnen in gewissem Maß entwickeln, wenn sie auch nur die geringste Möglichkeit haben.
Bei normalem Verlauf interagieren dieses Intelligenzen von Geburt an miteinander und bauen aufeinander auf." (ebd. S. 254)

  • Die in der westlichen Welt so betonte logisch-mathematische Intelligenz ist für Gardner eine Fähigkeit, "die ausgezeichnet zur Lösung gewisser Probleme geeignet, aber anderen in keiner Weise überlegen" ist (ebd. S. 158). Die Kernoperationen bestehen u. a. darin logische und numerische Muster wahrzunehmen und voneinander zu unterscheiden und mit langen Ketten von Schlussfolgerungen (logisch) umgehen zu können. Wer über eine ausgeprägte logisch-mathematische Intelligenz verfügt, wird im Allgemeinen dazu neigen, Probleme sehr analytisch anzugehen und Situationen auf vorkommende Muster und Regelmäßigkeiten hin untersuchen. Auch wenn dieser Intelligenztyp in europäisch geprägten westlichen Kulturen meist als besonders wichtig angesehen wird, spielt sie natürlich auch in anderen Kulturen eine wichtige Rolle, wie dies z.B. Kalenderberechnungen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten zeigen. Der Physiker »Isaac Newton (1643-1727) und der Astronom »Galileo Galilei (1564-1624) gelten als Menschen mit einer besonders ausgeprägten logisch-mathematischen Intelligenz.
  • Kernoperationen linguistischer Intelligenz beruhen auf der Fähigkeit, Unterschiede von Lauten, Rhythmen und Bedeutung wahrzunehmen und zu erkenn: Zugleich steht sie für ein ausgeprägtes Gespür für die verschiedenen Funktionen der Sprache.

  • Musikalische Intelligenz gibt sich in der Fähigkeit zum Produzieren von Rhythmen, Tonhöhen und bestimmten Klangqualitäten zu erkennen und zeig sich darüber hinaus allgemein in einer besonderen Wertschätzung des musikalischen Ausdrucks. Musikalische Intelligenz scheint in besonderem Maße angeboren zu sein und macht sich häufig schon in einem sehr frühen Lebensalter bemerkbar. Dennoch muss sie aber unabhängig von dieser Begabung angeregt und gefördert werden, um sich wirklich entfalten zu können.

  • Bei der naturalistischen Intelligenz stehen Kernoperationen im Vordergrund, die auf Fähigkeiten beruhen, die einen besonders achtsamen Umgang mit Lebewesen ermöglichen, die sie aufgrund ihres Gespürs für andere Lebewesen entwickelt.

  • Die räumliche Intelligenz besteht in den Fähigkeiten die visuell-räumliche Welt adäquat wahrzunehmen. Wer über eine ausgeprägte räumliche Intelligenz verfügt, kann sich z.B. gut Objekte und Formen vorstellen, die in einem räumlichen Bezug zueinander stehen, kann wahrscheinlich "im Kopf" komplizierte Objekte rotieren lassen und immer wieder identifizieren.

  • Die Fähigkeit, die eigenen Körperbewegungen zu kontrollieren und mit Gegenständen und Objekten geschickt umzugehen, sind Kernoperationen, die die kinästhetische Intelligenz auszeichnen. Wer ohne weiteres den Faden ins Nadelöhr bekommt, mit einem außergewöhnlichen Gespür für Bewegungsabläufe als Leichtathlet seine Leistungen ständig verbessern kann oder auch als Pantomime sämtliche Register der Körpersprache ziehen kann, verfügt wohl über eine ausgeprägte kinästhetische Intelligenz, die also nicht nur Geschicklichkeit und Bewegungsbedürfnisse sondern auch Fähigkeiten zur Nachahmung umfasst.

  • Der Typ der interpersonalen Intelligenz beruht auf der Fähigkeit, aus dem Verhalten anderen Menschen auf deren Stimmungen, Charaktereigenschaften, Motive und/oder Sehnsüchte angemessene Schlüsse ziehen zu können, um entsprechend reagieren zu können. Wer eine ausgeprägte interpersonale Intelligenz besitzt, kann andere Menschen und die Beweggründe ihres Verhaltens damit besonders gut verstehen und ist im Allgemeinen besonders gut in der Lage mit anderen zusammenzuarbeiten, weil sie die Stimmungslage anderer erfassen, sich für die Gedanken und Gefühle ihrer Mitmenschen in besonderem Maße interessieren.

  • Die intrapersonale Intelligenz verweist auf die Fähigkeiten, zu den eigenen Gefühlen einen Zugang zu finden, ihre jeweilige Bedeutung zu verstehen und zur Handlungsorientierung einzusetzen. Zugleich besteht sie in der Fähigkeit, das eigene Wissen, die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen. Auf der Grundlage derartiger Selbsterkenntnis können Menschen mit einer ausgeprägten intrapersonalen Intelligenz ihr eigenes Verhalten im Allgemeinen besonders gut steuern und, wenn nötig, ändern.

Worterklärungen:

Heridität: Erbschaft, Erbfolge

Gert Egle. zuletzt bearbeitet: 10.05.2015

 
     
    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu den Ansätzen von Spearman, Thurnstone, Guilford, Thorndike und Cattell heraus.

  2. Eine Schülergruppe will ein Video über Gewalt auf dem Schulhof drehen. Dabei sollen Interviews, aber auch Spielszenen aufgenommen werden.

    • Stellen Sie zusammen, welche intelligenten Fähigkeiten bei welchen Vorgängen oder Handlungen bei den einzelnen nötig sind, damit das Ganze ein Erfolg werden kann. Formulieren Sie Ihre Ergebnisse in ganzen Sätzen nach folgendem Muster:
       

      Beispiel: Um die Videokamera richtig bedienen zu können, ist sprachliche (linguistische) Intelligenz nötig. Denn dazu müssen die Teammitglieder oder eines davon, das entsprechende Handbuch zur Bedienung der Kamera durcharbeiten.
      Eine besonders ausgeprägte interpersonale Intelligenz verlangt das Führen von Interviews mit gewaltbereiten bzw. gewalttätigen Jugendlichen. Denn hier kommt es darauf an, dass...
      Interpersonale Intelligenz wird auch verlangt bei ...
       

 
     
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