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Selbstdarstellung von Rechtsextremisten im Social Web

Infokrieger

Rechtsextreme Verschwörungstheoretiker


Rechtsextreme Verschwörungstheoretiker/innnen, die unter dem Deckmantel ihres Kampfes gegen Verschwörergruppen, die sich der Welt bemächtigen wollen, agieren, benutzen zu ihrem Profilnamen gerne Namenszusätze wie "Infokrieger" oder "Wahrheitssucher". Wer's englisch mag, nennt sich dann auch schon mal "Truther" (von engl. truth = die Wahrheit). Sie führen ihren Kampf gegen die Demokratie und für ihre rassistischen und antisemitischen Theorien mit "Informationen", die belegen sollen, dass die Menschheit ins Visier einer Verschwörung geraten ist, die nach Weltherrschaft strebt. Auf ihrer "Nachrichten-Plattform" recentr.com und bei recentr.tv, einem Rebranding der Webseite infokrieg.tv, wird dazu alles kommuniziert, was das Arsenal der Verschwörungstheoretiker bereithält. Und das ist stets ein Sammelsurium von allem, was sich an den "roten Faden" einer Weltverschwörung anheften lässt. Dass dazu auch der Vertrieb von Langzeitlebensmitteln im Sparpaket gehört, um die Endzeitängste der eigenen Anhänger zu versilbern, ist nur konsequent.
Dabei sind die Grenzen zu den verschiedenen »Verschwörungstheorien, die insbesondere im Internet kursieren, oft sehr durchlässig. Verschwörungstheorien sind keine Erfindung der Rechten und auch keineswegs eine der selbsternannten Infokrieger/innen. Sie haben eine lange Geschichte und sind, wenn man darunter "im weitesten Sinne jeden Versuch" versteht, "ein Ereignis, einen Zustand oder eine Entwicklung durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, konspirative Wirken von Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck." (»Wikipedia, 11.10.2011), für alle möglichen Zwecke instrumentalisierbar. Man findet sie in Religionen genauso verbreitet wie in politischen Ideologien auf der Linken oder der Rechten. Was sie für zahlreiche Menschen immer wieder attraktiv macht, ist dementsprechend auch sehr unterschiedlich. Folgt man z. B. dem psychologischen Erklärungsansatz der amerikanischen Wissenschaftler Jennifer Whitson und Adam Galinsky sind Personen, immer dann besonders anfällig für Verschwörungstheorien und Aberglauben, wenn sie sich in einer Situation befinden, in der sie glauben selbst die Kontrolle verloren zu haben. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von Personen mit einer situativ bedingt niedrigen »Selbstwirksamkeitserwartung. In ihren Experimenten haben die US-Forscher z. B. nachgewiesen, dass Menschen, wenn man ihnen suggeriert, dass sie die Kontrolle über eine Situation verloren haben, in dem vermeintlichen Chaos, in dem sie sich dann sehen, nach einem Halt suchen. Da ein solcher Kontrollverlust psychisch nicht so leicht zu verkraften ist und letzten Endes als Bedrohung wahrgenommen wird, kann sich dies auch auf die Art auswirken, wie die Realität wahrgenommen wird. Im Bemühen, die Kontrolle mit aller Kraft zurückzugewinnen, entstehen so Vorstellungen, die einem erlauben, sich in der Realität wieder zurechtzufinden und zukünftige Entwicklungen abschätzen zu können. Und genau hier schlägt die Stunde der Verschwörungstheorien. Sie liefern die Muster und Strukturen zur Deutung der Wirklichkeit, die einem  ermöglichen, sich in der eigenen Welt neu zu verorten.
Verschwörungstheorien zeigen natürlich auch eine große Vielfalt und oft sind die Übergänge zu verschwörungstheoretischen Überlegungen auch nicht klar ersichtlich. Ihre grundsätzliche Bedeutung wurde indessen schon in der Theorie der autoritären Persönlichkeit »Theodor Adornos (1903-1969) betont, der die sie kennzeichnenden autoritären Denkmuster Aberglaube und Stereotypie (substitution and stereotypes) und Projektivität (projectivity) in seiner so genannten F-Skala ("implizite antidemokratische Tendenzen u. Faschismuspotential") erfasst hat.
Auch wenn rechtsextreme Verschwörungstheorien sehr vielfältig sind, lassen sich wohl zwei verschiedene Arten von Verschwörungstheorien unterscheiden. Es gibt die so genannten "Zentralsteuerungshypothesen, die rationale und prinzipiell überprüfbare Aussagen über reale Verschwörungen machen, und wahnhafte Verschwörungsideologien", die sich unter anderem dadurch auszeichnen, dass sie im Grunde genommen gegen jede rational-kritische Betrachtung immun sind. (vgl. »Wikipedia, Hervorh. d. Verf., 11.10.2011)
Rechtsextreme Verschwörungstheorien lassen sich nicht unbedingt dem einen oder anderen Typus zuordnen. Wie immer bei rechtsextremen Ideologien stellen Konglomerate von allem, was den eigenen Zielen dienen kann, auch bei rechtsextremistischen Verschwörungstheorien ein durchaus typisches Merkmal dar. Damit werden die Übergänge zu rechtsextremistischem Denken im Zusammenhang mit Verschwörungstheorien eben für neue Anhänger eben nur weniger durchschaubar und aus der Warte der rechten Szene betrachtet eben auch leichter. Denn wer einmal glaubt, dass das "System" die Mondlandung nur inszeniert hat, ist gewiss auch für etliche andere Verschwörungstheorien anfällig, mit denen die rechtsextremen Verschwörungstheoretiker in der realen und digitalen Welt hausieren gehen. Michael Ringel (1998) hat schon einmal eine Liste von 21 "besten" Verschwörungstheorien zusammengestellt. Darunter befinden sich moderne, einfach nur abstruse "Theorien" zu Ereignissen wie der »Mondlandung 1969, der absichtlichen Entwicklung des »HIV-Virus zur Ausrottung von Homosexuellen, zur Ermordung des amerikanischen Präsident »John F. Kennedy 1963 durch die Mafia u. ä. m. (vgl. »taz Nr.567 v, 12.10.1998) An dritter Stelle dieser Liste stand schon 1998 die Theorie: "Es gibt eine jüdische Geheimorganisation, die die Weltherrschaft anstrebt." (ebd.)
So ist wohl auch der Kern rechtsextremer Verschwörungstheorien antisemitisch. Was sie ausdrücken und erzeugen wollen, sind judenfeindliche Wahnvorstellungen einer jüdischen Weltherrschaft, die im Grunde in Nichts dem nachstehen, was die nationalsozialistischen "Vorbilder" in ihrem Wahn von der "jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung" vorgebracht haben, um den Holocaust zu legitimieren. Die selbsternannten "Infokrieger/innen" sehen das natürlich anders, halten sich weder für antisemitisch noch rechtsextrem. Was sie verbreiten, sind oftmals doch "nur" Erklärungen für Probleme, die der einzelne nicht mehr überschauen kann (von der Finanzkrise bis hin zur Vogelgrippe), mit der stets simplen Antwort an: "eine kleine Elite ist an allem Übel schuld.“ (Baldauf 2011, S.10)
Für diese "Wahrheiten" sind die "Truther" auch in den Sozialen Netzwerken und auf den verschiedenen Social-Sharing-Plattformen "hochaktiv" (ebd.). Sie nutzen das Internet als Waffe, sind "Netzwerker" par excellence und setzen, wie Johannes Baldauf (2011) weiter ausführt, bei der Verbreitung ihrer als *alternativ“ maskierten Meinungen auf ein Publikum, das den Antworten von Politik und Gesellschaft auf ihre persönlichen und alle betreffenden Problem nicht mehr vertraut. Dementsprechend sind die Profilseiten dieser Nutzergruppe häufig mit dem rechtsextremistischen Diskurs von rechtspopulistischen Seiten wie der "Jungen Freiheit" oder islamfeindlichen Blogs verlinkt. Die "Infokrieger/innen" mischen sich, wo es immer geht, in Diskussionen ein, und versuchen auf diese Weise ihre Vorstellungen unter die Leute zu bringen. Was sie dort einbringen, geschieht in der Regel keineswegs plump, reicht es doch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Systems zu nähren, die nicht zuletzt von "Modernisierungsverlierern", Menschen, die in einer schwierigen Lebenslage ihre individuell empfundene Frustration und Unzufriedenheit (relative Deprivation) gerne aufgegriffen werden. (vgl. Winkler 2000, S.54) Das Sammelsurium von verschwörungstheoretisch begründeten Auffassungen, die die Infokrieger in sozialen Netzwerken kommunizieren, macht sie, solange sie nicht auf einschlägige Seiten verlinken (z. B. auch den Kopp-Verlag, für die "normalen" Nutzer/innen nicht so leicht als solche identifizierbar. Schülerinnen und Schülern das entsprechende Rüstzeug an die Hand zu geben, mit dem sie rechtsextreme Verschwörungstheorien erkennen können, muss daher eine zentrale Aufgabe der politischen Bildung in der Schule sein.
Auch wenn sie ein ganz anderes Bild von sich selbst haben: "Die von ihnen verbreitete Lehre (ist) eindeutig antisemitisch.“ (ebd., S.11) Auch wenn dies feststeht: ein unbedarfter Nutzer von Webseiten der so genannten "Infokrieg-Community" wird dies auf den ersten Blick nicht feststellen können, denn die "Nachrichten-Plattformen" der "Truther" kommen nicht nur sehr modern daher, sondern unterscheiden sich auf den ersten Blick nicht sehr von seriösen Pendants. Es ist zunächst einmal die Auswahl der "Nachrichten", die genauer unter die Lupe genommen werden muss. In einem zweiten Schritt sind es natürlich die Inhalte der überwiegend klar ideologisch gefärbten und wertenden Nachrichten, die analysiert werden müssen.

Gert Egle, www.teachsam.de, 09.10.2012, zuletzt bearbeitet am: 21.12.2013

 

 


   Arbeitsanregungen:

  1. Arbeiten Sie heraus, was man unter rechtsextremen Verschwörungstheorien versteht.

  2. Arbeiten Sie heraus, wie die "Infokrieger" in sozialen Netzwerken agieren.

  3. Erläutern Sie, welche Schwierigkeiten es dabei gibt, die rechtsextremistische Position der Infokrieger zu erkennen..
     

 
      
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