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Definitionen
Was ist Sexismus?
Wenn von Sexismus gesprochen wird, kommt es leicht zu einem
Missverständnis.
Oft wird mit der Wortbildung aus "Sex" und "-ismus"
der Schluss gezogen, dass Sexismus eine bestimmte »Geisteshaltung
oder Lebenseinstellung bezeichnet, bei der sich alles um Sex dreht.
Dabei orientiert man sich an anderen mit »"-ismus"
gebildeten Begriffen.
Dies bestimmt auch die Vorstellungen darüber was sexistisch ist oder wer
als Sexisten oder Sexistinnen, meisten mit abwertender Tönung,
bezeichnet wird. Sexisten, man spricht eigentlich nicht von Sexistinnen,
ist aber entgegen durchaus noch verbreiteter Vorstellung niemand, der
immer nur Sex im Kop hat, stets nur an das Eine denkt und dessen Leben
sich immer nur darum dreht, wie er sie sexuellen Bedürfnisse befriedigen
kann. Ein Sexist ist also nicht unbedingt Spiegelbild einer rundum »sexualisierten
Welt. Beim Sexismus, so
wie wir ihn verstehen, handelt es sich also um etwas anderes: "Unter Sexismus (oder Geschlechtervorurteil) fallen
geschlechtsbezogene Stereotype, Affekte und Verhaltensweisen, die einen
ungleichen sozialen Status von Frauen und Männern zur Folge haben (Swim/Campbell
2001)." (Eckes 2010,
S. 178) Sexismus bestätigt und festigt auf vielfache Weise
Geschlechtervorurteile. Oft bestimmen sie über berufliche Möglichkeiten,
wenn z. B. Frauen nachgesagt wird, sie "könnten zu emotional und deshalb
ungeeignet für einen bestimmten Beruf sein. Andersherum gelten Männer
etwa in sozialen Berufen wie Kindergärtner*in als ungeeignet aufgrund
ihres angenommenen Mangels an Emotionen oder werden so- gar verdächtigt,
pädophil zu sein." (Schiff
2018, S.2) So ist
Sexismus also ein Problem, das sich nicht nur in den Beziehungen der
Menschen und in ihrem aufeinander bezogenen Handeln und Verhalten zeigt.
Denn außer dieser interaktionellen Ebene des Sexismus ist der Sexismus
auch tief in Strukturen unserer Gesellschaft verankert und ist also
immer auch ein strukturelles Problem. Zum Sexismus gehören Stereotype, Vorurteile und
diskriminierende Verhaltensweisen, "die auf einen ungleichen sozialen
Status von Frauen und Männern hinwirken." (Eckes
2010, S. 182)
Auch wenn also nach dieser Definition auch Männer Adressaten von
Sexismus sein können, richtet sich das Interesse bei diesem Phänomen vor
allem auf Frauen, weil diese in der Hierarchie der Geschlechter im
Allgemeinen den Männern untergeordnet werden. Wer von Sexismus redet,
sollte also stets auch im Auge haben, dass es nie allein um ein
individuelles Fehlverhalten einer einzelnen Person geht.
Die plakative Formel des Sexismus in unserer Gesellschaft
Auch wenn prinzipiell
beide Geschlechter von Sexismus betroffen sind, gibt es doch erhebliche
Unterschiede, wenn man die unterschiedlichen Erfahrungen, die sie bei
dieser Form der Diskriminierung machen müssen, berücksichtigt.
Entscheidend ist der Faktor Macht, der hinzukommt. Berücksicht man ihn
mit, dann "(lässt sich) Sexismus (...) auf die plakative Formel bringen:
Sexismus = geschlechterbasierte Vorurteile + ungleiche
Machtverteilung." (Schiff
2018, S.3, Hervorh. d. Verf.)
Frauen sind eben augrund ihrer Geschlechtszugehörigkeit viel häufiger
Vorurteilen ausgesetzt, die ihre Möglichkeiten einschränken auf
unterschiedlichsten Gebieten einschränken. Sie haben in unserer
Gesellschaft, in der die allermeisten Schlüsselpositionen noch immer in
männlicher Hand sind weniger gesellschaftliche (Gestaltungs-)Macht. Und
die Männer(gesellschaft), die sie in Händen hält, sorgt auf vielfältige
Weise dafür, u. a. auch unter Hinweis auf ein angeblich
"natürliches"
Geschlechterverhältnis dafür, dass das Machtgefälle zwischen Männern
und Frauen so bleibt wie es ist oder nur kosmetische Veränderungen daran
vorgenommen werden. Zur
Erklärung der Unterschiede wird, wenn die Berufung auf den sogenannten
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gesunden Menschenverstand
nicht reicht, auch gern die Wissenschaft zum ▪
Autoritätsbeweis
herangezogen. Da werden vorschnell ▪
Analogien
zur ▪
Sexualität von Tieren gezogen. Oft werden auch wissenschaftliche
Erkenntnisse aus dem Zusammenhang gerissenen Ergebnisse, um bestimmte
Vorstellungen über eine vermeintlich "natürliche" menschliche Sexualität
zu begründen. All das angeblich unzweifelhaft beweisen, dass die
Unterschiede zwischen den Geschlechtern und ihr Verhältnis zueinander biologisch
und genetisch bedingt sind. Sie lassen sich daher, so wird dann
selbstverständlich behauptet, natürlich auf
Faktoren wie z. B. die unterschiedlichen männlichen und weiblichen Hormone oder die
verschiedene Hirnentwicklung der Geschlechter in der phylogenetischen
Entwicklung der Menschheit seit der Frühzeit zurückführen.
Werden
und andere Überzeugungen von Menschen geteilt, sind sie oft anderen
Argumenten kaum mehr zugänglich und verteidigen ihre Positionen lauthals
mit ▪"Stammtischparolen", denen nur schwer,
z. B. mit ▪
subversivem Argumentieren, zu begegnen ist.
Sexualität ist aber, sieht man von den biologischen Aspekten einmal ab,
stets eine sozial konstruierte Realität, die in der Menschheits-,
Kultur- und Sozialgeschichte immer wieder Veränderungen unterzogen
wurde.
Formen des Sexismus
Sexismus hat viele Formen. Man kann ihn nach zwei verschiedenen
Konzepten unterscheiden:
Bei allen Unterschieden
zielen beide aber bei der Bewertung von Frauenthemen in die gleiche,
nämliche negative Richtung.
Traditioneller Sexismus
Als
traditioneller Sexismus, der auch als
offener Sexismus bezeichnet
werden kann, werden Geschlechtsunterschiede betont, die sich an
traditionellen Stereotypen orientieren. Zugleich ist er vom Glauben an
die Minderwertigkeit von Frauen im Vergleich zu den Männern geprägt und
tritt für die Beibehaltung herkömmlicher Geschlechterrollen ein.
Zur Begründung wird dabei immer wieder auf die "Natur" verwiesen, die
männliche und weibliche Sexualität allein bestimme und das Verhältnis
der Geschlechter so ebenso "natürlich" eingerichtet habe. Dabei ist aber
klar, dass Argumentationen die auf die angebliche Natur einer Sache
verweisen, wenn es wie beim Sexismus stets auch um strukturelle und
gesellschaftliche Probleme geht, immer kritisch zu hinterfragen sind,
weil sie wie auch in diesem Falle zu dienen bestimmte Machtverhältnisse
zu rechtfertigen. " Wenn es das Testosteron ist, das Männer zu Karrieren
in Politik und Wirtschaft befähigt, dann brauchen wir als Gesellschaft
nicht mehr über Begünstigungsstrategien, strukturelle Ungleichheit oder
Sexismus im Berufsalltag zu sprechen – so die Botschaft dieses
Erklärungsmodells." (Schiff
2018, S.3, Hervorh. d. Verf.)
Sexismus, der mit biologistischen und evolutionistischen Argumenten
begründet wird, steht dabei in enger ideologischer Verwandtschaft zum »Rassismus,
der ja auch von einer quasinatürlichen Höherwertigkeit bestimmter Rassen
ausgeht
Dabei ist es besonders wichtig zu verstehen, dass stereotype
Merkmalszuschreibungen für die Geschlechter
keineswegs immer mit einer
negativen Tönung daherkommen. Dies gilt in besonderer Weise für
Stereotype von Frauen. Sie erleben Sexismus oft auf der einen Seite
eindeutig diskriminierend, bekommen aber auch "positive
Gesamtbewertungen, häufig sogar positivere Gesamtbewertungen als Männer
(»women-are-wonderful«Effekt);" (Eckes
2010, S. 182) Aber: Sexistische Äußerungen sind eben keine
Komplimente.
Dieses "Diskriminierungs-Zuneigungs-Paradox"
(ebd., Hervorh. d.
Verf.) ist aber nur die andere Seite der gleichen Münze, denn Vor- und
Rückseite der Münze ergeben zusammen "eine duale Bewertungsstruktur, die
sich aus ablehnenden, feindseligen (hostilen) Einstellungen und
subjektiv positiven, wohlmeinenden (benevolenten) Einstellungen
zusammensetzt." (ebd.,
S.183)
Wo Männer das Sagen
haben und die Strukturen entsprechend sind, findet der hostile Sexismus
ideale Bedingungen. Dazu passen Äußerungen wie "Die meisten Frauen
merken doch gar nicht mehr, was Männer alles für sie tun" oder "Frauen
sind einfach zu emotional ... zu schnell beleidigt" etc.
Wenn Männer aber in engeren Beziehungen zu Frauen stehen, von denen sie
auf irgendeine Weise abhängig sind, zeigt sich eher der benevolente
Sexismus. Typische Beispiele dafür sind Äußerungen wie "Frauen sollten
von Männern umsorgt und beschützt werden" oder "Frauen haben
einfach ein Gespür in moralischen Angelegenheiten."
Was man früher gerne als Ritterlichkeit oder Kavalierstum und
Kavalierverhalten bezeichnete, ist, trotzdem es männlichen Akteuren also
wohlmeinend vorkommt, sexistisch. Auch wenn dies auf den ersten Blick
nicht immer leicht zu durchschauen ist.
Es ist also stets Teil
einer "betont frauenfreundlichen Selbstdarstellung von Männern",
-
wenn sie Frauen für
die Erfüllung ihrer traditionellen Rollen belohnen (erfüllen
sie hingegen die Rollenerwartungen nicht, wird dies sanktioniert,
oder
-
wenn sie sie sich nur
auf soziale Situationen und Begegnungen mit Frauen einlassen, in
denen die geschlechtstypischen Rollen klar definiert sind (z.B.
Dominanz des Mannes und Untergebenheit (Submissivität) der Frau im
hierarchisch strukturierten beruflichen Umfeld)
"Frauenfreundlich"
bleibt diese Selbstdarstellung aber nur solange die Frauen "mitspielen"
und die entsprechenden Rollenerwartungen erfüllen, z. B. als tüchtige
Hausfrau oder sonstwie typische Frau, aber nicht als "Karrierefrau", die
dafür den feindseligen (hostilen) Sexismus stets zu gewärtigen haben. (ebd.,
S.183)
Moderner Sexismus
Der
moderne Sexismus oder auch
Neosexismus tritt in gewisser Weise "maskiert"
auf, indem er die heute weiter bestehende Diskriminierung von Frauen
rundum leugnet und ohne entsprechende Beweise führen zu können,
Behauptungen wie "bei uns ist die Gleichberechtigung doch längst
erreicht" aufstellt und verbreitet.
So ist es auch oft eine beliebte Argumentationsstrategie des modernen
Sexismus sogar das Grundgesetz mit seinem Artikel 3 Absatz zum
Kronzeugen aufzurufen, der lautet: »Niemand darf wegen seines
Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner
Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen
Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen
seiner Behinderung benachteiligt werden.«
Da ist dann auch ganz
gleich, wenn die gesellschaftliche Wirklichkeit diesem Verfassungsgebot
in vielen Bereichen längst nicht entspricht.
Daran ändert sich auch
nichts, wenn man berücksichtigt, dass manche klassisch-sexistische
Einstellungen, wie Frauen seien für die Kindererziehung zuständig über
die Jahre hinweg an Boden verloren haben.
In der Praxis zeigt sich der moderne Sexismus oft auch immer wieder
durch Ironisierungen.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.05.2024
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