Visuelle Wahrnehmung kann in einem ganz erheblichen Umfang von Sprache
strukturiert werden. Jede
▪ Wahrnehmung stellt einen
aktiven, dynamischen und zielgerichteten Prozess dar, eine Handlung,
auf die aktiv Einfluss genommen werden kann. Dabei beginnt der aktive
Wahrnehmungsprozess nicht erst in der Verarbeitung der sensorischen Reize,
sondern fängt schon bei der Selektion der zu verarbeitenden Informationen
und der Steuerung der Aufmerksamkeit an. Ausgehend von einer bestimmten
Wahrnehmungshypothese überprüfen wir nach dem Prinzip von Versuch und
Irrtum, ob das konkrete Objekt unserer Wahrnehmung mit dem hypothetischen
Objekt und den ihm zugeordneten Eigenschaften übereinstimmt.
Besonders gut verdeutlichen lassen sich diese Überlegungen
mit den so genannten Umspring-
oder Kippbildern. (»Google Image Search™- Bildsuchdienst)
»Kippbilder sind "zeichnerische Gebilde, welche
bewusst so gestaltet sind, dass die optische Reizkonfiguration zwei
verschiedene Deutungen zulässt. So kann man z. B. in derselben Figur
entweder eine alte oder eine junge Frau sehen, ein Gefäß oder zwei
gegeneinander gerichtete Gesichts-Profile, eine Maus oder einen Männerkopf
usf. Diese Bilder machen uns bewusst, dass beim Wahrnehmen nicht einfach
Reize auf unserer Netzhaut abgebildet und mechanisch ins Gehirn geleitet
werden, sondern dass wir gar nicht anders wahrnehmen können, ohne
Gestalten zu bilden und diese zu deuten. Dieser Sachverhalt wird besonders
eindrücklich dadurch belegt, dass wir im selben Augenblick stets nur eine
Figur sehen können und dass, wenn die andere Figur gesehen werden soll,
die Deutung schlagartig umkippt. Dasselbe erleben wir beim Betrachten von
'Vexierbildern'. In diesen Zeichnungen, welche
früher fast zwingend auf die Unterhaltungsseite von Zeitschriften und
Zeitungen gehörten, werden bewusst irgendwelche Figuren auf raffinierte
Weise versteckt, so dass man oft sehr lange suchen muss, bis sich einem
alle möglichen Bestandteile von Bäumen, Wolken, Gerätschaften usf. sowie
die bewusst so gestalteten Zwischenräume zur gesuchten Gestalt
zusammenfügen wollen. Auch hier geht es darum, in einem bewusst diffus
gehaltenen Reizangebot Gestalten zu bilden. In vielen Kippfiguren und
Vexierbildern beruhen die überraschenden Effekte auf einer Umdeutung von
Figur und Grund. Der Augenblick, in welchem sich in unserem Bewusstsein
die gesuchte Gestalt oder – bei Kippbildern – die neue Deutung einstellt,
ist gekennzeichnet und erfüllt durch das Erlebnis der freudigen
Überraschung, das die meisten Menschen durch einen unverwechselbaren
Gesichtsausdruck und durch Ausrufe wie 'Ah' oder 'Aha' zum Ausdruck
bringen ("Aha-Erlebnis")." (Brühlmeier
1987/1993)
Wird einem Betrachter des oben stehenden Kippbildes (»Rubinsche
Vase) sprachlich mitgeteilt, es
handle sich um die zwei gegeneinander gerichteten Gesichts-Profile, wird
er daher zunächst seine Wahrnehmung an dieser Wahrnehmungshypothese
orientieren. Wird ihm gesagt, es handele sich um eine schwarze Vase vor
weißem Hintergrund, dann wird er seine Wahrnehmung so strukturieren, dass
er nach Anhaltspunkten sucht, die diese Wahrnehmungshypothese bestätigen
können.
Versuche mit
Blickaufzeichnungsgeräten, bei denen Versuchspersonen ein Bild bis
zu sieben Mal hintereinander mit anderen sprachlich gegebenen Aufgaben
präsentiert wurde, haben gezeigt, dass die Blickverläufe, je nach vorangegangener sprachlicher Instruktion ganz unterschiedlich ausgefallen
sind. Es wurden dabei nämlich solche Reize fixiert, "die durch die
sprachliche Konstituierung eines Verstehenskontextes relevant gemacht
worden waren und in dem Zusammenhang mit den im Versuch gestellten Fragen
die meiste Information für eine mögliche Beantwortung geben konnten." (Schierl
2001, S.245f.)
Interessant ist auch in diesem
Zusammenhang, dass sich selbst die
Oberflächenstruktur eines
Satzes auf die Strukturierung der Wahrnehmung auswirkt.
Für größere Ansicht bitte an*klicken*tippen!
Vorzüge der
Bildkommunikation
▪
Vorteile von Bild und Text
▪
Schulische Analyse von Werbeanzeigen (Schreibform)
▪
Didaktische und methodische Aspekte
»
▪
Quickie für Eilige
▪
Aspekte der
Schreibaufgabe »
▪
Strukturbegriffe der Werbetextanalyse
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.10.2021