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Gert Egle (2003): Das bequeme Geschlecht

Parallelkonspekt


Die nachfolgende Textdarstellung des Textes »Das bequeme Geschlecht« soll dazu dienen, den Text mit einem Parallelkonspekt zu erschließen.

Männer sehen es gerne so: Mann sein heißt Leistung bringen, um voranzukommen. Mann sein heißt Frau und Kinder ernähren. Mann sein heißt eben "ranklotzen". Frauen haben, wenn nur mal die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, sowieso das einfachere Leben. …  
Doch wer genauer hinsieht, wird schnell feststellen: Das selbst ernannte „starke Geschlecht“ ist nämlich in Wahrheit, wenn nicht ein faules, so doch ein sehr bequemes Geschlecht. Von gleichmäßiger und damit partnerschaftlicher Arbeitsteilung in Haushalt und Familie ist nämlich heute, trotz langsamer Fortschritte, in vielen Familien und Partnerschaften nicht viel zu sehen.

Männer verwenden heute (2003) nicht wesentlich mehr Zeit als Anfang der neunziger Jahre für unbezahlte Arbeiten im Haushalt. Und wenn sich das Verhältnis der von Männern geleisteten unbezahlten Arbeit zu der von Frauen etwas zu Gunsten der Frauen verändert hat, dann liegt dies, wie das Statistische Bundesamt 2003 festgestellt hat, nicht daran, dass die Männer mehr tun, sondern die Frauen haben ihren Zeitaufwand in Haushalt und Familie seit 1991/92 um etwa 10% verringert. Noch immer leisten Frauen aber im Bundesdurchschnitt etwa 1,5 mal so viel unbezahlte Arbeit wie Männer. Dazu zählen Haus- und Gartenarbeit, handwerkliche Tätigkeiten, Einkaufen und Haushaltsplanung ebenso wie Pflege und Betreuung oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Und insbesondere die Haus- und Gartenarbeit sowie die Pflege und Betreuung der Kinder und anderer Haushaltsmitglieder sind es, die nach wie vor weit überwiegend von den Frauen bewerkstelligt werden.

 
Die Wirklichkeit, die sich hinter solchen Zahl verbirgt, ist heute allerdings sehr komplex geworden und ohne eine differenzierte Sicht auf die unterschiedlichen Lebensformen von Partnerschaften und Familien geht es nicht, wie die Erhebungen des Statistischen Bundesamts verdeutlichen. Die gesamte Zeitbindung durch die bezahlte Erwerbsarbeit und die unbezahlte Arbeit ist bei Frauen mit 43 Stunden in der Woche etwa eine Stunde höher als die entsprechende Arbeit der Männer. Da zeigt: Beide Geschlechter arbeiten zeitlich gesehen in etwa gleich viel. Aber wer was zu welchen Anteilen tut und warum das so ist, darüber schweigen diese Daten. Es lässt sich vermuten, dass von einer partnerschaftlich organisierten Aufteilung weder bei der Erwerbsarbeit noch bei der unbezahlten Arbeit in Haushalt und Familie gesprochen werden kann.

Kein Wunder: Was zählt denn Hausarbeit wirklich im Bewusstsein der Menschen und dieser Gesellschaft? Männer entziehen sich der unbezahlten Haus- und Gartenarbeit, wo es geht, und daran haben die letzten zehn Jahre offenbar wenig geändert. Frauen arbeiten in diesem Bereich schlichtweg das Doppelte, auch wenn sich die Zahlen insgesamt ein wenig zu ihren Gunsten verändert haben. Bei den Hausarbeiten im engeren Sinne einschließlich der Pflege und Betreuung zeigen sich Männer in höchstem Maße arbeitsscheu. Auch wenn die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen im Haushalt sehr stark von der Erwerbstätigkeit der Partner abhängt, ist es doch so, dass über alle Altersstufen, unterschiedliche Einbindung der Partner ins Berufsleben und Familienstrukturen hinweg die Frauen zwischen einer Dreiviertelstunde und 4 1/4 Stunden mehr im Haushalt arbeiten als ihre Männer.

 
Die Linie, sich möglichst wenig an solchen Arbeiten zu beteiligen, zieht sich durch alle Lebensformen hindurch. Im Haushalt sind Männer einfach das bequeme Geschlecht. Bequem machen es sich nicht nur die Ehemänner, die sich eine Full-time-Hausfrau als Ehefrau leisten. Auch die Männer erwerbstätiger Frauen rühren bei der Haus- und Gartenarbeit oft nur dann mehr als einen Finger, wenn sie von ihrer Partnerin massiv unter Druck gesetzt werden. Am stärksten halten sich die Männer bekanntermaßen bei der Wäschepflege heraus, Aufwischlappen und bügelfeuchte Wäsche sind ihnen ein Gräuel.  
Allerdings: Pascha sein ist heutzutage nicht mehr ganz so angesagt wie früher. So sehen sich Männer den wenigstens gerne als „Mithelfende“ und packen dann schon mal hier und da im Haushalt an. Nur picken sie sich dann gern das heraus, was ihnen auch gefällt. Und auf Dauer wollen sie gewöhnlich dafür auch nicht die Verantwortung übernehmen. Es ist in höchstem Maße erstaunlich, wie selbst „fortschrittlich“ denkende Männer, ihren Beitrag zur Haus- und Gartenarbeit stets als eine Art „freiwillige Zusatzleistung“ betrachten, für die Frauen sich auf vielfältige Art dankbar zeigen sollten.  
Immerhin: Ein Mann, der sich der Hausarbeit verweigert, bekommt heute schon einmal Imageprobleme. So muss er im Zweifelsfall ein paar Ausreden parat haben, mit denen sich diese Arbeitsverweigerung begründen lässt. Da heißt es z. B. "Andere machen noch viel weniger als ich.“, oder: "Ich weiß nicht, was du hast. Mich stört nicht, dass nicht staubgesaugt ist.“ oder gar: "Ich kapiere einfach nicht, wie das Bügeln funktioniert.“ Billige Ausreden alle miteinander, um sich vor unbeliebten, gar unmännlichen (!) Hausarbeiten zu drücken.  
Spätestens hier werfen Männer gerne ein, man dürfe doch nicht die zahlreichen handwerklichen Arbeiten vergessen, das andauernde Reparieren und Renovieren, womit schließlich auch unbezahlte Hausarbeit geleistet werde. In der Tat: In diesem Bereich arbeiten Männer tatsächlich fast doppelt soviel wie Frauen, allerdings ist der zeitliche Umfang solcher Tätigkeiten auch bedeutend geringer. Und selbst bei den Männern macht dies nach den Erhebungen des Statistischen Bundesamts gerade mal 12% der von ihnen geleisteten unbezahlten Arbeit aus. So ist also klar: Selbst die klapprigste Rostlaube ist irgendwann wieder einmal fahrtüchtig oder auf dem Schrottplatz. Und so viele Dachböden, die ausgebaut werden wollen, und Zimmer, die zu tapezieren sind, gibt es gar nicht, dass die lebenslange, tägliche Hausarbeit der Frauen damit ansatzweise aufgewogen wäre. Von der Beziehungsarbeit, von der Pflege alter oder kranker Angehöriger ganz zu schweigen, die überwiegend von ihren Frauen, Töchtern oder Schwiegertöchtern versorgt werden.

Zwar verbringen Männer heutzutage mehr Zeit mit ihren Kindern als früher und viele wünschen sich auch, mehr Zeit für Haushalt und Kinder zu haben, aber wenn es um die Sorge für die Kinder geht, dann genießen Männer stets gerne die Schokoladenseiten des Vaterdaseins: Sie lassen Drachen steigen, bauen Sandburgen und spielen Fußball mit den lieben Kleinen. Das, was mit Kindern wirklich Arbeit macht, ist aber weiter Sache der Frauen.

 
Wo bleibt der Gesetzgeber, wenn es mit der Gleichberechtigung zu Hause offenbar nicht so recht klappen will? Kann man die Männer an den Herd und den Putzlappen zwingen? Bestenfalls wohl indirekt. Aber auch das bringt offenbar nicht viel weiter. So hat der Gesetzgeber z. B. mit dem Gesetz zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern (Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz vom 30.11.2001) wichtige Regelungen zur Gleichstellung von Männern und Frauen in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes getroffen, die den vom Grundgesetz in Artikel 3 verbürgte Gleichberechtigung von Mann und Frau in diesen Bereichen voranbringen sollen. Aber solche gesetzlichen Regelungen strahlen offenbar wenig in die häuslichen Verhältnisse hinein aus. Und auch andere Gesetze brachten bisher offenbar nicht den gewünschten Erfolg. Noch immer ist der Anteil von Männern, die Erziehungsurlaub beanspruchen, verglichen mit Frauen unbedeutend gering.  
Soll sich etwas ändern, dann müssen viele Maßnahmen ineinander greifen. Männer müssen zunächst einmal ein anderes Verständnis von sich und ihrem Leben gewinnen. Familie und Partnerschaft mit allem, was dazugehört, müssen in ihrem Denken den gleichen Rang genießen wie berufliches Fortkommen. Unsere Gesellschaft braucht darüber hinaus ein neues Verständnis vom Wert unbezahlter Arbeit, das ihr endlich die Anerkennung zuteil werden lässt, die sie verdient. Dazu gehört auch Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass überhaupt eine freie und partnerschaftlich orientierte Aufteilung von Erwerbstätigkeit und unbezahlter Arbeit möglich wird, die Frauen nicht von vornherein aus der Erwerbstätigkeit in die unbezahlte Arbeit drängt. In den Schulen muss schon frühzeitig gegen Klischees von der weiblichen Hausfrauenrolle angegangen, gegen das Lächerlichmachen eines Hausmann-Daseins mit geeigneten pädagogischen Maßnahmen agiert werden. Vor allem aber muss einem Männer-Argument gesellschaftlich endlich das Wasser abgegraben werden: „Du verdienst draußen ja sowieso nicht so viel ich. Da ist es doch besser, du übernimmst eben mehr Hausarbeit.“ Ohne gleichen Lohn für gleiche Arbeit wird sich daran wohl in absehbarer Zeit nicht viel ändern: Die Männer sind und bleiben, zumindest was Familie und Haushalt angeht, das bequeme Geschlecht.  

Quellen:

  • Statistische Angaben aus: Wo bleibt die Zeit? hrsgg. Vom Bundesamt für Statistik, 2003
  • Pinl, Claudia (1994): Das faule Geschlecht, in: Die Woche 3.3.94

 

     
     
   Arbeitsanregungen:

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