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Einen Weg, Prozess- und Ergebnisorientierung auch im Rahmen schriftlicher
Prüfungen miteinander zu verbinden, stellt die
Schreibaufgabe
dar, wie sie z. B. in der Realabschlussprüfung im Fach Deutsch des Landes
Baden-Württemberg, aber auch in anderen Bundesländern, als sogenannte "Kompendiumaufgabe"
gestellt sind. Die
Ausführungsbestimmungen zur Durchführung der Abschlussprüfung an Realschulen
2013 in Baden-Württemberg sind im Internet zugänglich.
Ein Kompendium ist zunächst einmal ein Überblick bzw. Abriss zu einem
bestimmten Thema und wird in der davon abgeleiteten Bedeutung auch als eine
Zusammenstellung von Materialien verstanden, die einen Überblick über ein
Thema verschaffen können. In dieser Bedeutung wird der Begriff auch für die
so genannte Kompendiumaufgabe verwendet. Sie besteht darin eine Auswahl von
Texten zu einem bestimmten Thema zusammenzustellen, zu bearbeiten und für
einen ergebnisorientierten Schreibprozess, die Prüfungsschreibaufgabe, zu
nutzen. Dementsprechend lautet der Titel des Aufgabentyps 3 der
baden-württembergischen Schulabschlussprüfung auch nicht Kompendiumaufgabe,
sondern "Texte lesen, auswerten, schreiben", und dies zu einem mit
Impulstexten vorgegebenen und mit einem Textkompendium als Materialgrundlage
gestützten Rahmenthema.
Für die Durchführung der schriftlichen Prüfung auf der Basis der
Kompendiumaufgabe hat das zuständige Ministerium festgelegt:
"Das sachliche Argumentieren und Erörtern bestimmt die Aufgabe 3.
Spätestens mit Beginn des 10. Schuljahres bekommen die Schülerinnen und
Schüler ein Rahmenthema genannt. Zu diesem Rahmenthema werden
Impulstexte veröffentlicht, die Anstöße und Hilfestellungen für eine
argumentative Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt geben. Während
des Schuljahres werden von den Schülerinnen und Schülern bearbeitete
Texte zu diesem Rahmenthema in einem Kompendium gesammelt, das dann
während der Prüfung benutzt werden darf. Die Aufgabenstellung gibt in
einer fiktiven, aber real möglichen Schreibsituation einen Schreibanlass
mit einem klaren Adressaten und einer klaren Textintention (überzeugen,
informieren etc.) vor, wobei das vorbereitete Wissen relevant ist. Die
im Bildungsplan verankerten Arbeitstechniken sind das Handwerkszeug zur
Lösung der Aufgabe: Informationen aus kontinuierlichen und
diskontinuierlichen Texte sammeln, ordnen, auswerten, exzerpieren sowie
zusammenfassen.“ (Realschule. Neue Abschlussprüfung. Handreichung zur
neuen Realschulabschlussprüfung, hrsgg. V. Ministerium für Kultus,
Jugend und Sport, November 2006, S.15, »http://www.schule-bw.de/schularten/realschule/publikationen/handreichungv2.pdf
Der Aufgabentyps 3 trägt den bezeichnenden Titel "Texte lesen, auswerten
und schreiben" und setzt dabei auf einen "ganzheitlichen" Schreibprozess,
der mehrere Phasen umfasst. Zugleich wird der Schreibprozess bei der
Abfassung des Prüfungsaufsatzes durch ein prozessorientiertes Vorgehen bei
der Erstellung bzw. der Auswahl der Kompendiumstexte entlastet. Diese
Entlastung wirkt sich durchaus auf alle Phasen des Schreibprozesses aus.
Verbindliche Grundlage der materialgestützten Erörterung im
Rahmen der Kompendiumaufgabe sind festgelegte
Impulstexte zum Rahmenthema. Sie bieten inhaltlich Grundwissen
zum Thema und dessen Problemen an und sollen das Lesen, Auswerten und
Schreiben bei der Bewältigung der Schreibaufgabe anregen und die Auswahl der
Texte für das Kompendium steuern.
Die Erstellung eines Kompendiums stellt dabei zunächst einmal eine
Recherche- und Auswahlaufgabe dar, die als Grundlage Lesekompetenz für alle
dem Kompendium zugeordneten
kontinuierlichen und
diskontinuierlichen Texte (Bilder, Karikaturen, Schaubilder, Texte i. e.
S.), ein bestimmtes Maß an verfügbarem
Weltwissen zur
inhaltlich-thematischen Beurteilung der Kompendiumsmaterialien und ein
bestimmtes
Textmusterwissen voraussetzt, um die Materialien von ihrem
Adressatenbezug, ihren Textintentionen etc. einschätzen und einordnen zu
können.
Es ist also keineswegs so, dass sich diese Phase des
Schreibprozesses
auf das einfache Sammeln bzw. Zusammenstellen von Kompendiummaterialien ohne
Reflexion über den weiteren Schreibprozess und die damit in Verbindung
stehenden
Schreibzielen bewerkstelligen lässt.
Das Kompendium, so heißt es unter der ergebnisorientierten Perspektive der
Prüfungsaufgabe im Rahmen des →materialgestützten
Erörterns "ist nicht Teil der Prüfungsleistung und wird nicht bewertet."
Die Auswahl von Materialien,
welche die Schülerinnen und Schüler vor ihrer Prüfung vorzulegen haben,
dürfen "keine unzulässigen Materialien (Hilfsmittel)“ darstellen. Das gilt
vor allem für Musteraufsätze. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Aufsätze
im Zusammenhang mit der im Vorfeld der Prüfung u. U. eigenen
Auseinandersetzung mit den Materialien entstanden sind oder ob es sich um
beispielhafte Lösungen (Musteraufsätze) aus fremden Quellen handelt. Es darf
also z. B. nicht vorkommen, dass das Kompendium schon einen besonders
gut gelungenen
kommentierenden Leserbrief zum Thema oder einem bestimmten Text enthält.
Dies muss von der Lehrkraft geprüft werden, wenn die Kompendien rechtzeitig
vor der Prüfung eingesammelt werden.
Anderseits dürfen die Texte, das sieht die Ausführungsverordnung eindeutig
vor, bearbeitet sein. So ist es zulässig, dass die darin enthaltenen Texte
mit →Markierungen und Hervorhebungen
versehen sind, die vom →intensiven
Lesen der Texte zeugen. Dies könnte u. U. bis hin zu einem
Parallelkonspekt gehen. Eigens angefertigte
Exzerpte zu den
Texten sind dagegen wohl nicht zulässig.
Die Schülerinnen und Schüler, die sich bei der Auswahl ihres
Themas während der schriftlichen Prüfung für den Aufgabentyp 3
(Kompendiumsaufgabe) entscheiden, erhalten ihr Kompendium zu Beginn der
schriftlichen Prüfung zurück. In Baden-Württemberg umfasst die
Prüfungszeit 240 min.
Der relativ neue Aufgabentyp hat allerdings auch noch für
Unsicherheiten gesorgt, die sich in verschiedenen Foren im Internet
widerspiegeln. Dafür steht das nachfolgende Beispiel, das im Forum von
gutefrage.net erschienen ist.
(Quelle: : gutefrage.net, 15.1. 2013
Die Antworten, die im Forum zu lesen sind, verweisen
entweder auf ein bestimmtes Verlagsprodukt oder geben Ratschläge. Das ist
zum einen der Hinweis auf weitere Möglichkeiten der Textbearbeitung (z.B.
Leserbrief, produktive Textarbeiten wie z. B. zum Thema Körperbewusstsein
das Verfassen eines Appells an die Modeindustrie“). Zum anderen wird
die Zahl der Texte eines Kompendiums erörtert: Fünf gelten als zu wenig, 25
als hervorragend, aber "12 stück sollteste haben wenns geht", betont einer
der Forumsautoren.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
23.01.2017
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