"Lernen mit allen Sinnen" wird allerorten gefordert, wenn "ganzheitliches
Lernen" praktiziert werden soll. Damit soll ausgesagt werden, dass Lernen
über unterschiedliche
Sinneskanäle (sensorische Kanäle) erfolgt. Zugleich wird unterstellt,
dass das Lernen des Einzelnen dadurch effizienter wird, wenn man seinen
bevorzugten Sinneskanal anspricht.
Die damit verbundenen "Vorgehensweisen lassen
sich als unterschiedliche
Lerntypen
beschreiben. So kann gefragt werden, welche
Sinnesorgane beim Lernen im Vordergrund stehen, auf welche Art die
Informationen am leichtesten aufgenommen werden:" (Schräder-Naef
1992, S. 27f.)
Die Lerntypen gehen auf
Frederic Vester (1975) zurück. Er unterscheidet vier Lerntypen:
Ungeachtet der oben aufgeführten Einwände hat die Lerntypentheorie in der
pädagogisch-didaktischen Literatur unzählige Abwandlungen gefunden.
-
"Unser
Lerntyp steuert uns durch die Informationsflut" (Schräder-Naef)
Regula Schräder-Naef (1992) unterscheidet die folgenden
Lerntypen:
-
Wer durch Sehen und Beobachten lernt, gehört zum visuellen Lerntyp.
-
Wer durch eigenes Tun und nachvollzogene Handlungen lernt, wird als
haptischer Typ bezeichnet.
-
Der Gesprächstyp lernt durch die sprachliche Auseinandersetzung
und das Verstehen im Dialog.
-
Der verbal-abstrakte Lerntyp nimmt am besten durch das Lesen
und Hören von abstrakt dargebotenem Wissensstoff auf.
-
Beim auditiven Lerntyp steht das Zuhören im Vordergrund.
(Schräder-Naef
1992, S. 27f.)
Auch wenn Lerntypen in "reiner Form" nicht vorkommen, Mischtypen also die
Regel sind, lassen sich aber doch nach Schräder-Naef einige
Verhaltensmerkmale erkennen, die zur Bestimmung des dominanten Lerntyps
hilfreich sein können: "Während [...]
beispielsweise der auditive Lerntyp beim aufmerksamen Zuhören die Augen
schließt, blendet der visuelle Lerntyp alle Geräusche aus, wenn er von einem
Bild oder Text fasziniert ist. Unser Lerntyp steuert uns somit durch die
Informationsflut. " (ebd.)
- Das
Institut für integratives Lernen und Weiterbildung Berlin (IFLW)
unterscheidet sechs verschiedene
Lerntypen:
Die Lerntypen sind
ein pädagogisches
Konstrukt und keine
kognitionspsychologische Kategorie. Sie beschreiben wohl am ehesten die Wirklichkeit schulischen Lernens,
Relevanz für die
bedeutungsbezogene Wissensrepräsentation
haben sie im Allgemeinen
dagegen nicht, denn: "Verstehen ist in erster Linie ein Bemühen um Bedeutung,
womit die semantische Informationsverarbeitung einen zentralen Stellenwert
bekommt." (Looß. 2001).
Lerntypen
und die davon abgeleiteten Lernstrategien haben durchaus ihre Berechtigung,
wenn es um reproduzierbares
Wissen (deklaratives
Wissen,
Faktenwissen) geht, das auswendig gelernt werden soll. Sobald komplexere
Sachverhalte gelernt werden sollen, das Lernen insgesamt also komplexer
wird, kommt man aber mit Lerntypentheorien nicht mehr hinreichend zurecht.
Natürlich ist die Typologie von Lerntypen schon allein dadurch problematisch,
dass kognitive Prozesse einseitig einem bestimmten Lerntyp zugeordnet
werden. "Sinnesdaten als solche haben keine innewohnende Bedeutung. Erst
der Lernende gibt den Sinnesdaten durch Interpretationen Bedeutung. Je nach
Beschaffenheit der Daten erfolgen die Interpretationen unterschiedlich. So
liefern Bilder als analoge Repräsentationen von Wirklichkeit dem Einzelnen
Informationen über visuell feststellbare Eigenschaften. Wenn es aber darum
geht, einen Sachverhalt zu verstehen, der sich auf andere Eigenschaften
bezieht (z.B. Gewicht oder Klang), reicht eine visuelle Präsentation nicht
aus, um Verstehen zu erzeugen." (Lerntypen,
http://www.learn-line.nrw.de/angebote/schulberatung/main/medio/banlass/lernen/lerntypen.html,
17.8.03)
Die Verarbeitung einer Information durch Lernen hängt nämlich u. a. davon ab
-
ob ein Schüler die unterschiedlich dargebotenen Informationen
erfolgreich nutzen kann,
-
ob er geeignete Verknüpfungen zu seinem Vorwissen herstellen und
Schlussfolgerungen daraus ziehen kann
-
ob er überhaupt an einer Erkenntnis darüber interessiert ist
-
ob er seine Aufmerksamkeit in angemessener Weise auf die notwendigen
Informationen richtet (vgl. ebd.)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023