Der ▪ Prototypenansatz kann zur
Erklärung für bestimmter Phänomene beim Kategorienerwerb und zur Erklärung
bestimmter Vorgänge bei der ▪
Repräsentation konzeptionellen Wissens gute Dienste leisten.
Zugleich hat er aber auch seine Grenzen.
Waldmann
(2017, S.362) sieht vor allem folgende Probleme:
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Es werden keine
Informationen über die zulässigen Unterschiede (Variabilität)
und/oder die Größe der Exemplare (Objekte, Instanzen)
gespeichert, weil im Prototyp nur die "zentrale Tendenz einer
Kategorie" gespeichert wird.
-
Prototypen
stellen nicht immer die mittlere Ausprägung charakteristischer
Merkmale der verschiedenen zur Kategorie zählenden Exemplare
dar, sondern werden auch manchmal als ideale Prototypen
modelliert. Die sog. Nulldiät, also der Verzicht auf jede
Art von Kalorienzufuhr, ist z. B. idealer Prototyp für Diäten,
aber eben nicht der Durchschnittswert bzw. der mittlere Nährwert
von Diäten überhaupt. Das gilt im Übrigen auch für viele
biologische Kategorien: Weder ein Vogel noch ein Baum werden
wohl eher idealtypisch kategorisiert, das Konzept Baum
oder Vogel entsteht daher wohl kaum durch die Berechnung
eines Durchschnittswerts.
-
Korrelationsbeziehungen zwischen bestimmten Kategorien kann der
Prototypenansatz nicht so ohne weiteres darstellen. Dies gelingt
aber durchaus, wenn er mit Theorien ▪ semantischen Netzwerken
(▪
hierarchische vs. ▪
erfahrungsbasierte semantische
Netzwerke) (vgl.
Gruber
2018, S.49) kombiniert wird. Auf sich allein gestellt, kann der
Prototypenansatz aber Korrelationen wie z. B. zwischen Blutdruck
und Herzerkrankungen, zwischen Übergewicht und schweren
Verläufen der COVID-19-Infektionen, Gewaltdarstellungen in
Videos und Gewalt in der Familie etc. nicht darstellen und die
Bedeutung solchen (Vor-)Wissens beim Kategorienerwerb nicht
angemessen berücksichtigen.
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Ob ein Exemplar
(Objekt) typischer oder weniger typisch für eine Kategorie ist,
hängt auch vom Kontext ab, in dem das Exemplar präsentiert wird.
Dies können größere kulturelle Kontexte sein (Beispiel: Farben
weiß oder schwarz als Trauerfarbe), soziale oder
sozio-kulturelle Kontexte (Kaffee ist für Fernfahrerinnen* und
Sekretärinnen* das typischste Getränk, aber an zweiter Stelle
steht bei den Fernfahrerinnen* Milch und bei den Sekretärinnen*
Tee). Ebenso konnte gezeigt werden, "dass das Erzählen einer
Safarigeschichte im Vergleich zu einer Bauernhofgeschichte dazu
führt, dass Probanden andere Tiere (z. B. Löwe) für typische
Tiere halten (Barsalou
19877)." (Kiesel/Koch
2012c, Kindle-Positionen1230-1231)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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