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Theorie des autoritären Charakters

Die sadomasochistische Triebstruktur


 PSYCHOLOGIE
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Abwehrmechanismen
Reaktionsbildung
Kompensation
Verschiebung)
Die sadomasochistische Triebstruktur Diederich Heßlings in Heinrich Manns Roman »Der Untertan«

Für »Erich Fromm (1900-1980) gibt es grundsätzlich zwei verschiedene Persönlichkeitstypen mit bestimmten überindividuellen Eigenschaften. Sie stellen Sozialcharaktere dar, die sich aus den sozioökonomischen Bedingungen einer Gesellschaft entwickeln. (vgl. Fromm 1936/1980, S. 141-187) 

  • Der nicht-autoritär geprägte Typ richtet seine Aggressionen gegen die Mächtigen und entwickelt Sympathien für die Unterdrückten.

  • Der autoritär geprägte Typ, zu dem auch der autoritäre Charakter zählt, dreht diese Ausrichtung um: Er richtet seine Aggressionen gegen Wehr- und Hilflose und sympathisiert mit den Mächtigen. Die Sympathie und Hingabe, die der autoritäre Charakter dabei gegenüber dem Mächtigen zeigt, beruht auf der Anwendung von Abwehrmechanismen, mit denen er sich seiner eigentlich grundlegenden Furcht gegenüber dem Mächtigen entledigen kann.

Die Triebbasis des autoritären Charakters ist nach Fromm von den beiden Strebungen Masochismus und Sadismus bestimmt. Aus diesem Grunde spricht Fromm, wenn es ihm nicht darum geht, "den psychologischen Aspekt seiner Charakterstruktur in eine politische Haltung" (Fromm 1977/1992, S.330) zu übersetzen, auch vom sadomasochistischen Charakter. Die Begriffe autoritärer und sadomasochistischer Charakter entsprechen sich daher in ihrem jeweiligen Bedeutungsumfeld. "Diese Auffassung", so begründet Fromm, "ist insofern gerechtfertigt, als Personen, deren politische Haltung man im allgemeinen als autoritär (im aktiven oder passiven Sinn) bezeichnen kann, in der Regel (in unserer Gesellschaft) die Merkmale des sadomasochistischen Charakters aufweisen: die Beherrschung der Untergebenen und Unterwürfigkeit gegenüber den Vorgesetzten." (ebd.) Ob sich im Verhalten des autoritären Charakters die eine oder andere Strebung zeigt, hängt davon ab, ob sie sich auf einen Stärkeren oder einen Schwächeren als Objekt bezieht.

  • Der Masochismus des autoritären Charakters zielt, so Erich Fromm, darauf ab, "unter Preisgabe der Individualität der eigenen Persönlichkeit und unter Verzicht auf eigenes Glück das Individuum an die Macht hinzugeben, sich in ihr gleichsam aufzulösen und in dieser Hingabe, die in den pathologischen [=krankhaften, d. Verf.] Fällen bis zum Erleiden körperlicher Schmerzen geht, Lust und Befriedigung zu finden." (Fromm 1936/1980, S. 141-187) 

  • Der Sadismus des autoritären Charakters verfolgt dagegen umgekehrt das "Ziel, einen anderen zum willen- und wehrlosen Instrument des eigenen Willens zu machen, ihn absolut und uneingeschränkt zu beherrschen und in den extremen Fällen ihn zum Leiden und den damit verbundenen Gefühlsäußerungen zu zwingen." (ebd.)

Die Tatsache, dass seine grundlegende Beziehung zur Macht von Furcht geprägt ist, dringt indessen kaum ins Bewusstsein des autoritären Charakters, zumal seine Gefühle im Zuge der Reaktionsbildung, "bei der das Individuum anders denkt und handelt, als es seinen unbewussten Impulsen entspricht" (Bourne/Ekstrand 2005, S.369) von "Ehrfurcht, Bewunderung und Liebe" (Fromm 1936/1980, S. 141-187) zeugen.

Man kann sogar sagen: "Wo dieser Charakter Macht spürt, muss er sie beinahe automatisch verehren und lieben. Dabei ist es gleich, ob es sich um die Macht eines Menschen, einer Institution oder eines durch die Gesellschaft anerkannten Gedankens handelt. Man könnte für ihn mit Recht das bekannte Sprichwort umdrehen und sagen: »Wer ihn züchtigt, den liebt er.« Er ist glücklich, wenn er Befehlen folgen kann, falls nur diese Befehle von einer Instanz kommen, die er infolge ihrer Macht und der Sicherheit ihres Auftretens fürchten, ehrfürchten und lieben kann. Dieser Wunsch, Befehle zu erhalten und nach ihnen handeln zu können, sich einem Höheren in Gehorsam unterzuordnen, ja ganz in ihm aufzugehen, kann so weit gehen, dass er auch die Züchtigung und Misshandlung durch einen Stärkeren genießt." (ebd.) Im Verhältnis gegenüber dem Mächtigen zeichnet sich der autoritäre Charakter also durch die Unfähigkeit zu selbständigem Handeln aus.

Sadistische Charakterzüge müssen, so Fromm, stets als Teil einer "Gesamtcharakterstruktur", als "Teil eines Syndroms", das nur als Ganzes zu verstehen ist, aufgefasst werden (Fromm 1977/1992, S.328f.). Was u. a. zu diesem Syndrom gehört, zeigt Erich Fromms nachfolgende Darstellung von Charakterzügen des autoritären bzw. sadomasochistischen Charakters:

"Für den sadistischen Charakter muss alles Lebendige kontrollierbar sein. Lebendige Wesen werden zu Dingen. Oder genauer gesagt, lebendige Wesen werden in lebende, zitternde, pulsierende Objekte der Herrschaft verwandelt. Ihre Reaktionen werden ihnen von dem, der sie beherrscht, aufgezwungen. Der Sadist möchte zum Herrn des Lebens werden und will daher, dass sein Opfer am Leben bleibt.[...]
Ein anderer Charakterzug des Sadisten besteht darin, dass er immer nur von den Hilflosen und nicht von den Starken stimuliert wird. [...] Für den sadistischen Charakter gibt es nur eine bewundernswerte Eigenschaft, und das ist die Macht. Er bewundert und liebt den Mächtigen und duckt sich vor ihm und er verachtet den Machtlosen, der sich nicht wehren kann, und verlangt danach, ihn zu beherrschen.
Der sadistische Charakter hat vor allem Angst, was nicht sicher und voraussehbar ist, was Überraschungen bietet, die ihn zu spontanen und individuellen Reaktionen zwingen könnten. Aus diesem Grund hat er Angst vor dem Leben. Das Leben erschreckt ihn deshalb, weil es seinem Wesen nach nicht voraussagbar und ungewiss ist. Es ist wohl strukturiert, aber nicht »ordentlich«; [...] Auch Liebe ist unsicher. Geliebt werden setzt die Fähigkeit voraus, dass man selbst lieben, dass man selbst Liebe erwecken kann, und Liebe schließt stets das Risiko ein, abgelehnt zu werden und zu scheitern. Deshalb kann ein sadistischer Charakter nur »lieben«, wenn er den anderen beherrscht, das heißt, wenn er Macht über den Gegenstand seiner Liebe hat.
Der sadistische Charakter ist gewöhnlich xenophobisch und neophobisch eingestellt - was fremd ist, stellt etwas Neues dar. Und: Was neu ist, erregt Angst, Argwohn und Ablehnung, weil es eine spontane, lebendige, nicht routinemäßige Reaktion erfordern würde.
Ein anderes Element in dem Syndrom ist die Unterwürfigkeit und Feigheit des Sadisten. Es klingt wie ein Widerspruch, wenn man sagt, der Sadist sei ein unterwürfiger Mensch, und doch ist es kein Widerspruch - es ist, dynamisch gesehen, sogar eine Notwendigkeit. Er ist sadistisch, weil er sich impotent, unlebendig und machtlos fühlt. Er versucht diesen Mangel dadurch zu kompensieren, dass er Macht über andere hat, dass er den Wurm, als den er sich fühlt, in einen Gott verwandelt. Aber selbst der Sadist, der Macht besitzt, leidet unter seiner menschlichen Impotenz. Er kann töten, aber er bleibt ein ungeliebter, isolierter, angstvoller Mensch, der eine höhere Macht braucht, der er sich unterwerfen kann."

Gegenüber Schwächeren und Hilflosen kompensiert der autoritäre Charakter seine Schwäche gegenüber dem Mächtigen (vgl. ▪ Abwehrmechanismus: Reaktionsbildung, ▪ Kompensation und  ▪ Verschiebung). Denn "ebenso automatisch wie Macht in ihm Furcht und, wenn auch ambivalente, Liebe erweckt, erweckt Hilflosigkeit in ihm Verachtung und Hass. Dieser Hass unterscheidet sich aber von dem, den der nicht‑autoritäre Charakter gegen den Starken hat, nicht nur durch das Objekt, sondern auch durch die Qualität. Während jener Hass den Stärkeren beseitigen oder vernichten will, will dieser den Schwächeren quälen und leiden lassen. Alles, was an Feindseligkeit und Aggression vorhanden ist und was dem Stärkeren gegenüber nicht zum Ausdruck kommt, findet sein Objekt im Schwächeren. Muss man den Hass gegen den Stärkeren verdrängen, so kann man doch die Grausamkeit gegen den Schwächeren genießen. Muss man darauf verzichten, den eigenen Willen gegen den Stärkeren durchzusetzen, so bleibt doch der Genuss, das Gefühl der Macht durch die schrankenlose Herrschaft über den Schwächeren; und das bedeutet mehr Herrschaft, als ihn zum Leiden zu bringen!" (Fromm 1936/1980, S. 141-187)

Abwehrmechanismen
Reaktionsbildung
Kompensation
Verschiebung)
Die sadomasochistische Triebstruktur Diederich Heßlings in Heinrich Manns Roman »Der Untertan«

 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 17.12.2023

 
 

 
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