▪
Visuelle
Kommunikation
▪
Blick und Blickkontakt
▪
Überblick
▪
Der Blick beim Sprechen
▪
Kognitionspsychologie
▪
Top-down- und Bottom-up-Verarbeitung bei der visuellen Wahrnehmung
von Texten
Die
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visuelle Wahrnehmung des
Menschen nimmt im Wahrnehmungssystem des Menschen eine herausragende Rolle
ein, die auch durch die neurobiologische bzw. sinnesphysiologische
Bedeutung des Sehens und des optischen Apparates des
▪ Auges
unterstrichen wird. In der neueren Hirnforschung hat man festgestellt,
dass neben der primären Sehrinde, die ungefähr 15% des gesamten Cortex (Großhirnrinde) umfasst, es noch mehr als 30 weitere
verschiedene Areale des Gehirns gibt, die mit der visuellen Wahrnehmung zu
tun haben. Man nimmt heute an, dass etwa 60% des Cortex an Wahrnehmung,
Interpretation und Reaktion auf visuelle Reize beteiligt sind. (vgl.
Gegenfurtner 2005, S. 39)
Visuelle Reize, die wir aufnehmen, das wissen wir aus der Physik,
entstammen einem dreidimensionalen Raum, werden aber im Auge auf der
▪
Netzhaut (Retina) nur zweidimensional abgebildet. Unser Gehirn ist es,
das über ▪
perzeptuelle Strukturierung und Identifikation und
Wiedererkennung das im Bewusstsein repräsentierte Objekt wieder
dreidimensional macht.
Dabei wird im Zuge der Wahrnehmung ein
distaler Reiz (= physikalische Objekt) in
einen proximalen Reiz (= Abbild auf
der Netzhaut) verwandelt, von dem am Ende wiederum der proximale Reiz
abgeleitet wird.
Alltagsvorstellungen über das Sehen
Wenn wir im Alltag erklären wollen, wie das
Sehen funktioniert, vergleichen wir es das Auge häufig mit einer Kamera.
Aber: ▪
Auge und Kamera
weisen zwar
gewisse Ähnlichkeiten auf, aber sind letzten Endes doch völlig
verschiedene Systeme. Zwar können beide mit optischen Vorrichtungen das
Licht brechen und auf analoge Weise ein Abbild der Umwelt erzeugen, aber
die Weiterverarbeitung der Bildinformationen erfolgt auf eine ganz
unterschiedliche Art und Weise. Im Auge nämlich existiert dieses Abbild
nur, auf dem Kopf stehend, auf der
Netzhaut (Retina). Danach
wird es bei der Transduktion des Reizes in ein Feuerwerk neuronaler
Nervenimpulse zerlegt, die vom Gehirn weiterverarbeitet und interpretiert
werden.
Was wir über die Funktionsweise unserer visuellen
Wahrnehmung, die wir ja nicht selbst beobachten können, annehmen, ist, wissenschaftlich
betrachtet, von Irrtümern und Missverständnissen geprägt.
-
Unsere visuelle
Wahrnehmung, wie das gesamte Wahrnehmungssystem des Menschen überhaupt,
liefert uns
kein Abbild
der äußeren physikalischen Realität. Was wir
sehen, das macht ein
▪
Vergleich mit anderen Arten von Lebewesen schnell klar, ist nur
ein Ausschnitt der uns umgebenden Realität.
Was wir sehen, ist das, was
im Zuge der Stammesentwicklung des Menschen als Ergebnis eines langen
Anpassungsprozesses an unsere Umwelt entstanden ist und uns damit
biologisch zum Sehen zur Verfügung steht.
Anders ausgedrückt: "Was wir
als Kategorien der Außenwelt erleben, sind die uns biologisch
vorgegebenen Kategorien des Wahrnehmungssystems." (Mausfeld
2005, S.4) Mögen wir es beklagen, dass wir nachts nicht so
gut sehen wie eine Katze, dass wir das Ergebnis ultravioletter
Strahlung auf unserer Haut zwar als Sonnenbrand spüren, ultraviolettes
Licht aber nicht sehen können, dennoch: das visuelle System des Menschen ist
prinzipiell für das System Mensch gemacht und der (normalen) Umwelt des
Menschen optimal angepasst.
-
Was wir sehen,
sehen wir nicht nur deshalb, weil wir aus Erfahrung gelernt haben,
bestimmte von Objekten unserer Umwelt reflektierte Lichtstrahlen für
etwas Bestimmtes zu halten, d. h. zu interpretieren.
Die Grundstrukturen
bzw. Grundkonzepte unserer visuellen Wahrnehmung sind nämlich
biologisch
fest vorgegeben und werden eben nicht erlernt.
Jüngere Ergebnisse
der vergleichenden Wahrnehmungsforschung (Ethologie) und der
Säuglingsforschung lassen sogar den Schluss zu, dass die Sinne "als
Stichwortgeber für die Selektion einer bereits im Gehirn vorhandenen und
durch die Evolutionsgeschichte festgelegten »Außenwelt-Geschichte«"
dienen. (Mausfeld
2005, S.25)
Dies führt zu einer von unseren
Alltagsvorstellungen der Wahrnehmung radikal anderen Betrachtungsweise:
"Wir nehmen also nicht Kategorien der Welt wahr, sondern wir können gar
nicht anders, als die Außenwelt durch die Brille der uns verfügbaren
Grundkonzepte wahrzunehmen. Diese Kategorien stellen eine universelle
Form der Welterfahrung dar. In diesem Sinne ist unsere wahrgenommene
Welt eine - biologisch zweckmäßige -
Konstruktion unseres Geistes."
(ebd.)
Die neuronale und
kognitive Verarbeitung von distalen Reizen wird mit zwei Prozessen
beschrieben: ▪ Top-Down- und
Bottom-up-Prozessen. Mit Hilfe dieses Modells lassen sich auch
Verarbeitungsprozesse beschreiben, die beim Lesen bzw. der visuellen
Wahrnehmung von Texten ablaufen.
Auch wenn es einen
Grundkonsens bei der Konzipierung von Lese- und Verstehensprozessen
im Zusammenhang mit Texten gibt, ist man sich in der Wissenschaft
bis heute nicht so recht einig geworden, wie die grundsätzlich
unbestrittene Interaktion des Textes mit dem Leser funktioniert.
▪
Visuelle
Kommunikation
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Blick und Blickkontakt
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Überblick
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Der Blick beim Sprechen
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Kognitionspsychologie
▪
Top-down- und Bottom-up-Verarbeitung bei der visuellen Wahrnehmung
von Texten
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
26.07.2024
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