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Schreibentwicklungsmodelle

Stadien der Schreibentwicklung

Carl Bereiter (1980)

  
 DIDAKTIK
● Glossar
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Fünf Stadien der Entwicklung von Schreibkompetenz

Carl Bereiter (1980) hat ein fünfstufiges Modell der ▪ Schreibentwicklung entworfen, auch als Dimensionswechselmodell bezeichnet, das die komplexe Schreibfähigkeit in Teilfähigkeiten zerlegt und nach ihrem Schwierigkeitsgrad ordnet.

Die Hierarchisierung bestimmter, allgemein geltender Teilfähigkeiten des Schreibens erfolgt dabei in einem integrativen Stufen-/Stadienmodell.

Darin durchläuft ein Schreiber fünf Stadien bei der Entwicklung seiner Schreibkompetenz.

Stufen der Schreibentwicklung als Organisationsformen

In der Entwicklung des Schreibkönnens unterscheidet Bereiter fünf Stufen, die, ähnlich wie bei »Jean Piagets (1896-1980) kognitiven Entwicklungsstufen, von Stufe zu Stufe anspruchsvoller und in einer aufsteigenden Reihenfolge überwunden werden.

Allerdings will Bereiter, wie Feist (2008) ausführt, seine Entwicklungsstufen "nicht als universal oder einer festen Abfolge unterworfen verstanden wissen und noch weniger als direkt verbunden mit den Entwicklungsstufen Piagets. Obwohl sie eine gewisse natürliche Ordnung haben, kann jede Stufe oder die dahinter stehende Fähigkeit mehr oder weniger unabhängig von den anderen entwickelt werden und selbstverständlich ist eine simultane Entwicklung aller Stufen über den Verlauf der Schulzeit zu erwarten (Bereiter 1980: 82)."

Bereiter will seine Stufen der Schreibentwicklung "nicht unbedingt als Abfolge, sondern als Organisationsformen verstanden" wissen. Diese können "die jeweils komplexere integrieren - mit individuellen Unterschieden auch in der Reihenfolge". Insofern sind die Stufen als ein "Integrationsmodell" aufzufassen. (Fix 2006/2008, S.52).(»Schreibkompetenz)

1. Stufe

Assoziatives Schreiben
(associative writing)

Ideenfindung und -verknüpfung in einer flüssigen Weise

ohne konzeptionelle Planung und Berücksichtigung der im Schreibprozess herzustellenden Textkohärenz werden Gedanken so zu Papier gebracht, wie sie kommen.

2. Stufe

Regelgemäßes Schreiben
(performative writing)

Produktion eines normgerechten Textes

Berücksichtigung von Orthografie, Syntax, Stil, Textstrukturwissen, Textsortenwissen

3. Stufe

Kommunikatives Schreiben
(communicative writing)

Adressatenorientierung

kommunikative Ziele, die mit Vorstellungen über potentielle Leser verknüpft sind

4. Stufe

Authentisch-gestaltendes Schreiben
(unified writing)

Kritische Beurteilung der eigenen Textproduktion (feedback loop)

Inhaltlich, sprachlich-stilistisch, Intention, Wirkung ...;

5. Stufe

Epistemisches Schreiben
(epistemic writing)

Schreiben als integraler Bestandteil des Denkens, der zu einem Zuwachs an deklarativem Wissen führt

Verarbeitungsprozesse z. B. Strukturierung, Zusammenfassung ) werden durch das Schreiben angestoßen; Entstehung neuer gedanklicher Konzepte im Schreibprozess, wissenschaftliches Schreiben,

(Die Stufenbezeichnungen Bereiters werden bei Übertragungen ins Deutsche unterschiedlich übersetzt. In der Tabelle wird der Übersetzung der Begriffe von Zuchewicz (2001) gefolgt; Kruse/Ruhmann 2006, S.26 übersetzen den Begriff performative writing als "flüssiges Schreiben" , den Begriff "unified writing als "reflektiertes Schreiben")

Bereiters Schreibentwicklungsmodell ist nicht empirisch verifiziert

Um Bereiters Schreibentwicklungsmodell (1980) einordnen zu können, muss man wissen, dass es "rein theoretisch abgeleitet und nie empirisch verifiziert worden" ist (Pohl/Steinhoff 2010a, S.11)

Das hat freilich seiner Popularität keinen Abbruch getan. Grundsätzlich gesehen geht Bereiter davon aus, "dass das Schreiben des Anfängers durch eine starke Konzentration auf die elementaren (motorischen und sprachlichen) Aufgaben gekennzeichnet ist." (Weingarten o. J., S.1)

Die Entwicklung der weiteren Schreibkompetenz ist dabei "dadurch gekennzeichnet, dass immer mehr Aufgaben routinisiert werden und damit zunehmend kognitive Kapazitäten für höherstufige Aufgaben (soziale Kognition, reflexive Prozesse) frei werden." (ebd.)

Bereiters Modell der Schreibentwicklung als Integrationsmodell

Bereiters Modell kann als "Integrationsmodell" angesehen werden. Das bedeutet, dass die auf einer vorausgehenden Stufe erforderlichen Teilkompetenzen erst internalisiert werden müssen, um zu einer höheren Stufe zu gelangen. (vgl. Baurmann 1990, S. 11)

Dies wird von Bereiter auch sprachlich ausgedrückt, indem er z. B. sein 4. Stadium als "unified writing" bezeichnet, das "mit zunehmendem Entwicklungsstand und damit fortschreitender individueller Verarbeitungskapazität" schließlich zu einem Schreibstil führt, "der diese drei Stufen integriert (unified writing)." (Fix 2006/2008, S.52)

So muss man offenbar, bevor man einen leserorientierten Schreibstil im kommunikativen Schreiben (Leserantizipation) erreichen kann, erst die Phase der Normorientierung (performatives Schreiben) durchlaufen. (vgl. ebd.)  

Die Stufen der Schreibenwicklung haben keine festgelegte Abfolge

Festzuhalten ist, dass es sich bei Bereiters Modellierung "nicht um eine festgelegte Abfolge von Entwicklungsstufen handelt ("there is no natural order of writing development“ (Bereiter 1980, S. 89).

  • Dies impliziert zugleich, dass nicht alle Stufen zwangsläufig erreicht werden müssen.

  • Es beinhaltet aber auch, dass neue Entwicklungsstufen bzw ▪ Schreibstrategien bereits erworbene nicht einfach ablösen oder überwinden. Vielmehr existieren unterschiedliche Strategien nebeneinander weiter.

    Und dies hängt von einer Reihe anderer Faktoren ab, wie z. B. von der allgemeinen Schreiberfahrung, davon ob jemand die Schreibaufgabe vertraut ist oder ob der Schreiber über sogenannte "genre schemes" (Bereiter 1980, S. 78) verfügen kann. (vgl. Lehnen 2000, S.16)
     
    Wer viel Erfahrung mit dem Verfassen von Texten einer spezifischen Textsorte hat, weil sie z.B. zur täglichen Berufspraxis gehören, verfügt mit der Zeit über ein "Muster" ihrer Herstellung, das wiederkehrende Inhalte und Darstellungsverfahren umfasst. (Textschema, Textmusterwissen, Textsortenwissen)
     
    Dadurch können Formulierungsroutinen entstehen (Gülich 1997, 164ff.), die mit ihren "vorgeformten Strukturen" (Gülich/Krafft 1998, 14ff.) den Schreibprozess auch insgesamt weiter routinisieren. (vgl. Fix 2006/2008, S.54)

Bereiters Modell ist kein Stufenmodell

Bereiters Modell, das ist wohl der wichtigste  Punkt, sollte nicht als Stufenmodell verstanden werden (vgl. Ossner 1996, S. 83, vgl. Fix 2006/2008, S.53), zumal auch "die Abfolge der Stufen [...] nicht zwingend" (Fix 2006/2008, S.54) ist.

Schließlich können auch manche Kinder schon leserorientiert, d.h. kommunikativ schreiben und auch Erwachsene folgen häufig noch einer assoziativ-egozentrischen Schreibstrategie und gelangen z.B. nicht in das Stadium des authentisch-gestaltenden oder epistemischen, auf Wissenszuwachs orientierten Schreibens.. (vgl. ebd.)

Wie dem auch sei, Bereiters Modell, so die Meinung Baurmanns (2002/2008, S.28), "presst den dynamischen Prozess der Schreibentwicklung in ein Gerüst, das vielen Texten und Schreibentwicklungen kaum gerecht wird. In ihrer strengen Zielgerichtetheit vermögen derlei Auffassungen Vor- oder Rückgriffe nicht zu erklären, die bei einzelnen Schreiberinnen und Schreibern konkret zu beobachten sind." Zudem bleibe unberücksichtigt, "wie Schreiberinnen und Schreiber vorgehen und zu welchen Ergebnissen sie kommen" (ebd.). Und diese wiederum hingen eben in beträchtlichem Maße von den Schreibaufgaben und "dem Kontext der 'Lehr-Lern-Interaktionen' ab." (ebd.). In die gleiche Richtung zielt auch die Kritik von Haueis (2006, S.15), der davor warnt, das Stufenmodell in Ermangelung einer konkreten Berücksichtigung der Aneignungs- und Entwicklungsperspektive als "Fahrplan" zu nutzen, dem sicher entnommen werden könne, in welcher Reihenfolge entsprechende Lerngegenstände im Curriculum vorzusehen sind – oder welche Leistungen in der Ontogenese sich nahezu von selbst einstellen, wen man sie nur geduldig abwartet." Solche Überlegungen gingen vor allem auch deshalb fehl, weil selbst die Existenz bestimmter Textmerkmale in den Schreibprodukten von Anfängern noch kein sicheres Indiz dafür sei, dass der Schreiber diese Textsorte auch bewusst zu gestalten. Schließlich könnten solche vordergründigen Ähnlichkeiten auch darauf beruhen, dass kulturell etablierte Gestaltungsmuster, mit denen die Schreiber*innen unabhängig von der normativen Vermittlung bestimmter schulischer Textformen imitiert werden. Trotz dieser Kritik hält aber auch Haueis (2006, S.16) daran fest, dass "Stufenmodelle als didaktische Heuristiken" durchaus dabei helfen können, "den didaktischen Blick zu schärfen".

Epistemisches Schreiben

In das höchste Stadium der Schreibkompetenz gelangt man nach Bereiter auf der Stufe des epistemischen Schreibens (epistemic writing). Das ist die Stufe, "bei dem die Schreibenden das Schreiben bewusst als Werkzeug zur Steigerung kognitiver Komplexitätszustände einsetzen können." Dadurch wird das Schreiben  "zu einem Wissen schaffenden, oft auch zu einem Wissen strukturierenden und klärenden Prozess". (Pohl/Steinhoff 2010a, S.11)

Im einzelnen "(umfasst) eine voll entwickelte (und damit epistemisch wirksame) Schreibstrategie (...) die sukzessive Entwicklung und Integration folgender Fähigkeiten:

  • die Fähigkeit, geschriebene Sprache und kontrollierte Assoziationen hervorzubringen,

  • die Beherrschung der Schreibkonventionen,

  • die Fähigkeit, sich in andere hineinversetzen zu können und Texte kritisch zu bewerten sowie

  • reflexives Denken."

Das Modell des schreibenden Experten

Expertentum im Schreiben wird erst möglich, wenn der Schreibende alle diese Tätigkeiten gleichzeitig koordinieren kann. (▪ Denkfigur des schreibenden Experten)

Voraussetzung dafür ist, dass die meisten davon automatisiert oder so gut entwickelt sind, dass der Schreibende vorübergehend seine Aufmerksamkeit mehreren dieser Ebenen gleichzeitig widmen kann". (Molitor-Lübbert 1989,S. 286f.)

Molitor-Lübbert betont dabei noch deutlicher als Bereiter (1980) bzw. Bereiter/Scardamalia (1987) den "wissensgenerierenden Aspekt und seine kognitiven Operationen beim Schreiben" (Mrotzek/Böttcher 2011, S.32), die sich, abhängig von der Person des Schreibers und der Schreibaufgabe, auch in einer flexiblen Handhabung von ▪ Schreibstrategien niederschlagen muss. (▪ Bottom-up-Schreiber, ▪ Top-Down-Schreiber, ▪ Mischtyp)

Das Modell des schreibenden Experten ist umstritten

Gegen die Auffassung, dass diese Stufe der Schreibkompetenz nur von professionellen Schreibern mit einem umfangreichen deklarativen Wissen erreicht werden kann (vgl. Pohl/Steinhoff 2010a. S. 19), sind gewichtige Einwände geltend gemacht worden.

  • Sie bemängeln die Ausrichtung des Kompetenzbegriffs am Schreibthema und fordern, auch Lernvorgänge einbeziehen, "die auf den 'Aneignungsgegenstand' rückwirken, also die sich entwickelnde Textsortenkompetenz." (ebd., S.11)

  • Wenn also z. B. Grundschulkinder "ihre Schreibaktivitäten nicht dergestalt kontrolliert oder gar bewusst steuern können, sodass sie sich ein 'neues' Wissen erschreiben" (Augst et. al. 2007, S.364f., zit. n. ebd.), bedeutet das nicht, dass sich der Wirkmechanismus, sich beim Schreiben neue Kenntnisse anzueignen, bei den Kindern nicht auswirke. Denn häufig erschreiben sich, wie Augst et. al. (2007) weiter betonen, die Grundschulkinder wesentliche Aspekte des Schreibauftrags auch im Bereich der Sachdimension erst im Schreibprozess selbst.

  • Wenn die epistemischen Prozesse als "sowohl auf den Schreibgegenstand (das Thema, die 'Sache') als auch auf das Schreibmedium (den Text in seiner sprachlichen Verfasstheit) ausgerichtet" (Pohl/Steinhoff 2010a, S.16) sind, ist epistemisches Schreiben sowohl beim Schreibexperten als auch beim Schreibnovizen zu finden.

Epistemisches Schreiben ist dann eben nicht von einem hohen Bewusstseinsgrad und hoher Reflexionsfähigkeit abhängig, das sich ausschließlich auf deklaratives Wissen stützt, sondern umfasst auch das beim Schreiben gewonnene Wissen.

Lernendes Schreiben und epistemisches Schreiben unterscheiden sich

So kann auch "ein implizites, unbewusstes Wissen" einbezogen werden, " das von den Schreibern eben nicht zielgerichtet 'gesucht' wird, sondern sich beim Schreiben gewissermaßen 'einstellt' und zudem (noch) nicht verbalisierbar ist" (ebd., S.19f.).

Derartiges Schreiben lässt sich dann als lernendes Schreiben bezeichnen.

Die Unterschiede zwischen Bereiters Verständnis des epistemischen Schreibens und dem lernenden Schreiben haben Pohl/Steinhoff (2010a, S.20) in der nachfolgenden tabellarischen Gegenüberstellung herausgestellt:

 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 11.01.2024

     
 

 
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