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Petrarca und die
Überbietungspoetik des Barock
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Petrarkismus und barocke Liebesauffassung
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Petrarkismus, Manierismus und galanter Stil
Hans Assmann von
Abschatz (1656-1699), dessen Werk zu Lebezeiten als Lyriker und
Übersetzer wohl nur wenigen bekannt war – bis zu seinem Tod 1699 war nur
eine Übersetzung als Ganzschrift gedruckt worden – wurde dennoch sehr
geschätzt.
So trug »Christian
Gryphius (1649-1706), der älteste Sohn des Barockdichters »Andreas
Gryphius (1616-1664) schließlich 59 seiner religiösen Gedichte zu
einer Sammlung zusammen, von denen es einige in die Gesangbücher
schafften.
Neben seinen eigenen Gedichten und Liedern konnte er sich aber auch als
Übersetzer lateinischer und italienischer Werke einen Namen machen. Zu
seinen Übersetzungen zählen auch die sogenannten Scherzsonette von »Alexander
(Allessandro) Adimari (1579-1649).
Dass sie in der 1704 erschienenen postumen Ausgabe seiner Poetischen
Übersetzungen und Gedichte überhaupt erschienen sind, liegt wohl
auch an der Begeisterung für die manieristische Lyrik ▪
Hoffmannswaldaus (1616-1679) in dieser Zeit, die auch dazu führte,
dass die erotische Lyrik des mit ihm befreundeten Abschatz
wiederentdeckt und von Christian Gryphius herausgegeben worden ist.
(vgl.
Aurnhammer/Detering 2019, S.232)
Allerdings bleibt ist auch festzuhalten, dass das Spiel mit Stereotypen
und rhetorischen Strategien, bei dem sich die sprachlich-rhetorischen
und bildhaften Elemente sich soweit verselbständigten, dass sie ohne
inhaltliche Funktion nur noch "schwülstig", überladen und durch und
durch gekünstelt daherkamen, nicht unbedingt dem Geschmacksurteil der
Zeitgenossen entspricht. Ob die zum Teil sicher sehr gekünstelt und
gleichermaßen überzogen pathetisch daherkommende
Manierismus, dessen Bildsprache geradezu
strotzt von regelrecht gesucht wirkenden Bildern und rhetorischen
Gestaltungsmitteln und allerlei Chiffren, die sich nur einem
kompetenten zeitgenössischen, in dieser Bildsprache und ihrer
Rhetorik bewanderten Leser erschließen, immer den gewünschten
Gefallen gefunden haben, lässt sich kaum sagen. Ob sie also in ihrer
Zeit auch als manieristisch galten, zumal sie ja
die
im Grunde gleichen Motive, rhetorischen Verfahren und Bilder
benutzten, die auch ein eher nicht-manieristisch wirkendes Gedicht
auszeichnen, scheint dem jedenfalls bis zu einem gewissen
Grad entgegenzustehen.
Auch Abschatz war sich der Gefahr durchaus bewusst, dass seine "Scherz-Sonnette"
und anderen Gedichte von den Gelehrten als zu "schwülstig" angesehen
werden würden und verwahrte sich daher auch selbst gegen "die mit allzuvielem
Venus-Salz marinirten Speisen einiger Welschen (Abschatz 1704, II
S.247). Dennoch bleiben auch sie unter dem Blickwinkel des
nachträglichen Geschmacksurteils durchaus manieristisch und zeigen wie
mit
Aurnhammer/Detering (2019, S.232) "eine marinierte Fraktur."
Abschatz überträgt mit seiner Sammlung einen Sonettzyklus von 52 Sonetten von »Alexander
(Allessandro) Adimari (1579-1649), die dieser unter dem Titel "La
Tersicore overo scherzi, e paradossi poetici sopra la beltà delle donne"
im Jahr 1637 veröffentlichte. Darin münzt der Florentiner Dichter
etliche äußere Merkmale und charakterliche Eigenschaften, die bei Frauen
(von Männern freilich!) als Makel weiblicher Schönheit angesehen werden,
dialektisch zu einem Lob um, das er mit Verweisen auf den römischen
Philosophen, Naturforscher und Schriftsteller
»Seneca
(1-65 n. Chr.) ironisch stützt. (vgl.
ebd.) Dabei zielen dessen Sonette nicht darauf die Wirklichkeit
mimetisch abzubilden oder gar Gefühle authentisch darzustellen.
Stattdessen geht es darum, künstlerische Virtuosität zu zeigen und das
Publikum mit der Kombination ungewöhnlicher Bilder (Tropen) zu
überraschen und mit der Suche danach auch zu unterhalten. Es ist alles
in allem eine Art "verspielte(r)
Intellektualismus" (ebd.,
S.227) Gewand der frühneuzeitlichen Imitatio- und
"Überbietungspoetik" (Elit
2008. S.62), der sich darin zeigt und dabei auch oft bis an die Grenze des
Verständlichen gehen kann.
Allerdings darf man sich auch angesichts dieser Gedichte nicht darüber
hinwegtäuschen, dass sich - Manierismus und künstlerische Virtuosität
Hin oder Her – sich darin zeigt, wie sich die gelehrte Männerwelt und
alle diejenigen, die solche Gedichte produzierten und rezipierten, auf
Kosten von Frauen belustigten, die nicht dem Ideal weiblicher Schönheit
und Tugend entsprachen. Was in den sogenannten
"Schertz-Sonnetten" zur
Sprache kommt, ist jedenfalls nach einer modernen Lesart alles anderes
als "witzig". Was die "Schertz-Sonnette" thematisieren, ist eine
Negativfolie an äußeren und inneren Merkmalen von Frauen, die
tatsächlich erotische Attraktivität im Sinne des Zeitgeistes vermissen
lassen. Zugleich verweisen sie aber auch auf eine andere als die
petrarkistische Schönheits"wirklichkeit", indem sie dagegen Einblicke in
die Vielfalt weiblichen Lebens der Zeit geben.
Indem Abschatz den paradoxen Gedichtvorlagen Adimaris folgt, trägt er zu
einem "bizarren Manierismus" (Aurnhammer/Detering 2019,
S.232) in Deutschland bei. Dies bewerkstelligt er durch zum einen durch
eine deutliche Steigerung der konventionellen Vergleiche wie sie den ▪
petrarkistischen Schönheitspreis der Zeit auszeichnen. Zum anderen
konstruiert er "mit Sekundärmetaphern seine abstrakten Bildwelten" (ebd.,
S.233)
Als Beispiel für sein Verfahren kann das Scherz-Sonett ▪
"Lob der schönen grauen Haare"
(Nr.46) dienen, in dem Abschatz "Bilder aus dem Reich der Preziosen
(Gold. Silber), Jahreszeiten (Schnee, Sommer), Temperaturen (Hitze,
Kühle), Metereologie (Wind, Wolken), Astronomie (Sonne, Himmel) und
Botanik (Rosen, Lilien) zu einem Gebilde von hoher Selbstbezüglichkeit
(kombiniert). Gepaart mit einer manieristischen Lust an der Groteske ist
diese Komplexität das Grundmerkmal der grellen Effektästhetik im späten
Barock" (ebd.),
die sich vor allem im Werk von »Daniel
Caspar von Lohenstein (1635-1683) niederschlägt, der wie Abschatz zu
der »Zweiten
Schlesischen Dichterschule des Barock gezählt wird.
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Petrarca und die
Überbietungspoetik des Barock
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Petrarkismus und barocke Liebesauffassung
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Petrarkismus, Manierismus und galanter Stil
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.12.2023