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Die Figur des Nathan in Lessings Nathan der Weise

Überblick

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Literarische Gattungen Dramatische Texte Autorinnen und Autoren Gotthold Ephraim Lessing Nathan der Weise
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Figurengestaltung in dramatischen Texten
Kontrast- und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
Figurencharakterisierung

Techniken der Figurencharakterisierung in dramatischen Texten
▪  Auktoriale Techniken
▪  Figurale Techniken
Literarische Charakteristik

Nathan-Szenen im Dramentext von Lessing
Nathan im Rahmen der Szenenanalysen

Nathan ist die Hauptfigur in ▪ Lessings Drama Nathan der Weise. Als Titelfigur steht sie von Anfang an im Zentrum der Aufmerksamkeit der Rezipienten. Seine ▪ Präsenz auf der Bühne in 20 Szenen unterstreicht diese Bedeutung ebenso wie das ▪ Motiv der Weisheit das, wie schon im Titel ausgedrückt, strukturierend für das gesamte Drama wirkt. Seine Vorgeschichte und sein Handeln im Verlauf der ▪ analytisch angelegten Dramenhandlung sind Voraussetzungen des dramatischen Geschehens und treiben es voran, bis es am Ende zur »Auflösung im Schlusstableau (V,8) kommt.

Seine ▪ Charaktereigenschaften stehen im Zentrum unterschiedlicher ▪ Interpretationsansätze zur Figur. Neben seiner Rolle als Erzieher nimmt er auch mit seiner ▪ Ringerzählung im Gespräch mit dem dem Sultan Saladin in III,7 eine herausragende Rolle ein.

Analyse wichtiger Szenen, an denen Nathan beteiligt ist (Auswahl)
Nathan im Überblick

Der reiche jüdische Kaufmann Nathan, den man im Volk den »Weisen« nennt (I, 6), kehrt von einer längeren Geschäftsreise wieder nach Hause in die Stadt Jerusalem zurück (I,1). Nach seiner Ankunft erfährt er von seiner Haushälterin ▪ Daja, dass es in seinem Haus gebrannt hat und seine Tochter   Recha bei dem Brand beinahe umgekommen wäre, wenn sie nicht von einem jungen ▪ Tempelherrn  in letzter Minute vor dem Feuer gerettet worden wäre.

Recha, seine (angenommene) Tochter, glaubt seitdem, dass sie von einem Engel gerettet worden ist. Nathan kann Recha durch seine einfühlsame Art der Belehrung wieder von dieser Schwärmerei abbringen (I, 2) und dankt dem Tempelherrn persönlich für seine Tat (II,5). Er trifft dabei auf einen jungen Mann, der sich als Tempelherr von ausgeprägten Ressentiments in seinem Denken und Verhalten gegenüber Juden leiten lässt ist. Indem Nathan gelingt, dem Tempelherrn diese Vorurteile bewusst zu machen ("Sind Christ und Jude eher Christ und Jude, / Als Mensch? Ah! Wenn ich einen mehr in Euch / Gefunden hätte, dem es gnügt, ein Mensch / Zu heißen!" - II, 5), legt er die Grundlage für eine beginnende Freundschaft zwischen ihnen. In der Folge sperrt sich der Tempelherr auch nicht mehr länger, selbst den Dank eines "Judenmädchens" anzunehmen. Als Nathan den (vermeintlichen) Namen des Tempelherrn, Curd von Stauffen, erfährt, ahnt er bereits, dass Recha und der Tempelherr verwandt sein könnten, zumal ihn auch die äußere Erscheinung und die Art, wie der Tempelherr spricht, an seinen vor vielen Jahren verstorbenen, christlichen  Freund Wolf von Filneck erinnert. (II, 7).

Bevor Nathan dieser Sache auf den Grund gehen kann, erhält er die Aufforderung, sich zum muslimischen Herrscher über Jerusalem, Sultan ▪ Saladin, zu begeben. Dessen finanziellen Mittel sind erschöpft und so fehlt ihm das Geld für seine weiteren Feldzüge gegen die christlichen Kreuzritter im Heiligen Land und die eigene Hofhaltung. Dies soll ihm der reiche Nathan leihen. Da Saladin aber von seinem Finanzverwalter (Defterdar), dem Derwisch ▪ Al-Hafi, gehört hat, dass Nathan kein Geld verleiht (II, 2), will er ihn mit einer von seiner Schwester ▪ Sittah ausgedachten List (III, 4) unter Druck setzen, um sein Ziel zu erreichen.

Als die beiden Männer zusammentreffen, stellt Saladin Nathan die Frage, welche von den drei Religionen – Islam, Judentum, Christentum – die wahre Religion sei (III, 5). Nathan wägt darauf hin für sich ab, was Saladin mit seiner Frage bezweckt (III,6), und antwortet ihm dann mit einem »Märchen«, der sogenannten Ringerzählung (III, 7). In dieser Parabel, deren Kerngedanke darin besteht, dass alle drei Religionen auf Offenbarungen ein und desselben Gottes zurückgehen, wird die Forderung erhoben, dass alle drei Religionen gleichermaßen zu Humanität und Toleranz verpflichtet sind: "Es eifre jeder seiner unbestochnen / Von Vorurteilen freien Liebe nach! / Es strebe von euch jeder um die Wette, / Die Kraft des Steins in seinem Ring' an Tag / Zu legen!" (III, 7). Saladin ist von Nathan und seinem "Märchen" so beeindruckt, dass er sein Ansinnen, Nathan wegen seiner eigenen Geldnot unter Druck zu setzen, aufgibt und Nathan um seine Freundschaft bittet. Nathan, der über die finanzielle Misere des Sultans durch seinen Freund Al-Hafi bestens unterricht ist, bietet Saladin danach sein Geld aus freien Stücken an und dieser räumt ihm gegenüber ein, was er eigentlich vorgehabt hatte.

In der Zwischenzeit hat sich der Tempelherr mit Nathans Tochter Recha getroffen und sich dabei in die junge Frau verliebt (III, 2). Bei seinem nächsten Treffen mit Nathan, hält er bei ihm um ihre Hand an. Doch Nathan weicht aus und hält ihn, ganz anders als von diesem erwartet, hin. Er muss zunächst seinen Ahnungen die Herkunft des Tempelherrn nachgehen und sich Gewissheit verschaffen (III,9).

Im Gespräch zwischen Nathan und dem ▪ Klosterbruder Bonafides (IV, 7) kommen dabei wesentliche Fakten ans Licht, die auch schon zuvor gemachte Anspielungen, z. B. Dajas Anspielungen darauf, dass er nicht Rechas Vater ist (I, 1) "auflösen".

In Wirklichkeit ist Recha, was das analytische Drama nach und nach enthüllt, eben nicht Nathans leibliche Tochter, sondern das Kind seines Freundes Wolf von Filneck. Dessen Frau, eine Schwester des Conrad von Stauffen (der Tempelherr hält diesen fälschlicherweise für seinen Vater hält bzw. ausgibt) hat Recha zur Welt gebracht. Als die Mutter Rechas vor 18 Jahren gestorben war, hatte Wolf von Filneck den wenige Wochen alten Säugling von einem Reitknecht zu Nathan bringen lassen. Wenig später war Wolf von Filneck bei den Kämpfen um Askalon selbst umgekommen.

Als Nathan das Kind seines Freundes übergeben wird, steckt er selbst in einer schweren Lebenskrise. Wenige Tage zuvor hatte er nämlich seine Frau und sieben Söhne bei einem von Christen begangenen Judenpogrom verloren. Und doch hatte er nicht gezögert, die Tochter eines (vermeintlichen) Christen an Kindes Statt anzunehmen und mit väterlicher Liebe aufzuziehen (IV, 7).

Der Klosterbruder gibt sich im Gespräch mit Nathan als genau jener Reitknecht zu erkennen, der Nathan Recha einst gebracht hatte. Zugleich überreicht er ihm ein Gebetbüchlein seines ehemaligen Herrn, in dem Wolf von Filneck die Ahnentafel seiner Familie und die seiner Frau aufgezeichnet hat (IV, 7; V, 4). Mit Hilfe dieses Breviers und den darin enthaltenen Aufzeichnungen erhält Nathan schließlich Gewissheit und sieht sich in seinen Vermutungen bestätigt. Es verhält sich, wie er geahnt hat: Auch der Tempelherr ist ein Kind seines Freundes Wolf von Filneck und damit also Rechas Bruder. Die Annahme des Tempelherrn, er sei ein Sohn Conrad von Stauffens ist damit offenkundig widerlegt, denn dieser ist "nur"  dessen Onkel.

Die ▪ vollständige Klärung der Familienverhältnisse findet vor den Augen der Zuschauer - entsprechend den ▪ Kompositionsprinzipien des analytischen Dramas - erst am Ende des Dramas (V,8) in der Schlussszene statt. Am Ende stellt sich nämlich heraus, dass Wolf von Filneck gar kein Christ gewesen ist, sondern ein Muslim und zugleich der Bruder Saladins und Sittahs mit dem Namen Assad, der als verschollen gegolten hatte. Saladin erkennt in der Handschrift in dem Brevier sofort die seines Bruders (V,8).

Der Schlussszene, die die Familie in friedlicher Eintracht vereint, gehen eine Reihe weiterer Verwicklungen voraus, an denen Nathan keinen Teil hat und von denen er auch nur am Rande erfährt (IV, 7; V, 4; V, 5). Dazu zählt z. B., dass der gekränkte Tempelherr, angestiftet durch Dajas Verrat (III, 10), Recha sei nicht Nathans Tochter und dazu Christin, die Hilfe des Sultans gegen Nathans Weigerung in Anspruch nehmen will, ihm Recha, das vermeintliche von Nathan jüdisch erzogene Christenkind, zur Frau zu geben. Nathans Aufgabe ist es am Ende, die christlich-muslimische "Familie" in glücklicher Harmonie zusammenzuführen. Dass ihn dabei keine blutsverwandtschaftlichen Bindungen an Recha zu dieser Familie gehören lassen, zeigt die Kraft der "von Vorurteilen freien Liebe", wie er sie mit der Ringparabel und ihrer Botschaft unmissverständlich eingefordert hatte.

Warum eigentlich ausgerechnet ein Jude als Muster der Weisheit?

Immer wieder kommt die Frage auf, warum Lessing wohl "einen Juden zur Hauptfigur und zum Muster der Weisheit gemacht hat, und nicht einen Moslem" (Nisbet 2008, S.805), zumal er von Anfang an eine positive Einstellung zum Islam hatte (ebd., S.794). Besonders schätzte er an diesem  "die Toleranz anderen Religionen gegenüber und die Nähe zur natürlichen Religion, und zwar vor allem zur unitarischen Gottesvorstellung" (ebd., S.795).

Vielleicht hat Lessing auch, "genau wie andere Aufklärer und Klassiker unter ihnen J. W. v. Goethe (erkannt), dass der Islam eine vernünftige Religion ist, die dem Prinzip der Aufklärung entspricht." (Muslim 2010, S.23)

Für Lessing, so betont der Autor weiter, stellt der Islam "eine 'natürliche' Offenbarungsreligion" dar, "die die anderen Religionen - Judentum und Christentum - anerkennt und er findet im Koran den 'gesunden Menschenverstand'." (ebd., S.249)

Um so erstaunlicher also, zumal Lessing ja bekannt war, dass Islam in deutscher Übersetzung etwa "die Überlassung seiner in den Willen Gottes" bedeutet. Diese "Gottergebenheit" die Voraussetzung dafür, dass Nathan nach der Ermordung seiner Familie bei dem von Christen verübten Judenpogrom in Gath (Vorgeschichte) überhaupt weiterleben und Recha, das Christenkind, an Kindes statt aufnehmen konnte. (vgl. IV,7: IV,7- Nathan und der Klosterbruder im Gespräch über die Ereignisse in Darun vor achtzehn Jahren

Offenbar bezieht Lessing dieses Prinzip damit eben nicht nur auf den Islam, sondern auf alle Religionen, denen er damit zutraut, zu einer solchen Gottergebenheit beizutragen.

Dass Lessing sich für die Figur des Juden Nathan als "aufgeklärteste(n) von allen" und als "die einzige wahrhaft ideale Gestalt in Lessings dramatischen Gesamtwerk" (ebd., S.793) entschied, war möglicherweise die Vorstellung, "dass Juden als dem Publikum vertraute benachteiligte Minderheit überzeugender wirken würden als Moslems, und hinzukam, dass der Judaismus die einzige der drei Religionen des Dramas ist, die nicht missioniert, also grundsätzlich weniger dogmatisch ist als die anderen." (ebd., S.805f.)

Figurengestaltung in dramatischen Texten
Kontrast- und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
Figurencharakterisierung

Techniken der Figurencharakterisierung in dramatischen Texten
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 02.05.2021

 
 

 
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