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Figurengestaltung in dramatischen Texten
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Kontrast-
und Korrespondenzbeziehungen der Figuren
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Figurenkonstellation
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Konfiguration
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Figurenkonzeption
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Figurencharakterisierung
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Literarische Charakteristik
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Recha-Szenen im Dramentext von Lessing
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Recha im Rahmen der
Szenenanalysen
Recha gehört zu den zu den ▪
Hauptfiguren in ▪
Lessings Drama
▪ Nathan der Weise. Sie
tritt im im 1.- 3. und 5. Akt in insgesamt ▪
8 Szenen auf. Die Aufklärung
über ihre eigentliche Herkunft, die von ▪
Nathan ohne Wissen, um wen es
sich handelt, an Kindes statt einst angenommen worden ist, als
Tochter des verschollenen Bruders Assad von
▪ Saladin
und
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Sittah
gehört zu den Elementen der ▪
analytisch angelegten Dramenhandlung, die erst am Ende des
Stückes mit der »Auflösung im Schlusstableau
(V,8) vollständig ans Tageslicht kommt.
Ihre Charaktereigenschaften stehen
im Zentrum unterschiedlicher ▪
Interpretationsansätze
zur Figur. Neben ihrer Rolle als
(vermeintliche) Tochter ▪ Nathans
wird sie auch als religiöse Schwärmerin in ihrer Beziehung zum ▪
Tempelherrn
dargestellt, zu dem sie eine Liebe entwickelt, die sich aber,
angesichts der Tatsache, dass - wie am Ende herauskommt - beide
Geschwister sind, nicht in der intendierten Weise erfüllen kann.
Recha, Nathans
(angenommene) Tochter, entkommt während eines Brandes in Nathans Haus, als
dieser auf einer Geschäftsreise ist, mit Hilfe eines jungen Tempelherrn den
Flammen und wird dadurch gerettet. Unter dem Einfluss der christlichen Haushälterin Nathans,
▪
Daja, die selbst eine christliche Schwärmerin ist, glaubt sie, dass sie ihre
Rettung einem Engel zu verdanken hat. Als Nathan nach seiner Rückkehr von
dem Geschehen und Rechas Wunderglauben erfährt, wird sie sie von ihm
einfühlsam, aber auch bestimmt wieder dahin gebracht, den ihrer Eitelkeit
schmeichelnden Wunderglauben abzulegen und die Ereignisse auf der Grundlage
vernünftigen Denkens zu beurteilen.
Dabei ist sie aber erst dann bereit,
ihre sie eine Zeit lang beherrschenden schwärmerisch-religiösen Vorstellungen aufzugeben, als Nathan
erfolgreich an andere Gefühle in ihr appellieren kann. Als er ihr Mitgefühl
anspricht, indem er sie auf den Gedanken bringt, dass ihr seit dem Brand
verschwundener Retter ja auch einfach krank sein könne, ist sie bereit, sich
von ihrem Vater auf den Weg der Vernunft zurückführen zu lassen. Dabei nimmt
sie an, was ihr Nathan lehrt und betont dabei ("Begreifst du aber, / Wie viel andächtig
schwärmen leichter, als / Gut handeln ist?" (I,2).
Recha ist eine junge Frau, die ihren Vater Nathan auch dann noch innig
liebt, als sie die Wahrheit über ihre tatsächliche Herkunft als Tochter Wolf
von Filnecks erfährt. (V,6)
Sie vertraut ihm und weiß, dass sie ihm und seiner Zuneigung und Erziehung
vieles zu verdanken hat, ohne dabei mit einer "kalten Buchgelehrsamkeit" (V,6)
Sie ist, auch wenn sie
unter dem Eindruck ihrer Rettung durch den Tempelherrn und dem Einfluss
Dajas zunächst zu einer irrationalen Schwärmerei neigt, durchaus auch
eigenständig in der Lage, vernunftgemäß zu denken, z. B. als sie sich gegen
die anhaltenden Christianisierungsversuche Dajas mit ihren "sonderbaren
Begriffen" mit rationalen Argumenten zu wehren versteht und ausdrücklich
"den Samen der Vernunft, / Den er [Nathan, d. Verf. ] so rein in meine Seele
streute" (III,1),
dagegen ins Feld führt.
Recha benötigt einige Zeit
zu erkennen, dass sie sich in den Tempelherrn verliebt hat (III,3).
Ihre Zurückhaltung steht dabei ganz im Gegensatz zu den Empfindungen des
Tempelherrn, der sich nach ihrer Begegnung (III,2)
Hals über Kopf in Recha verliebt und bei Nathan um ihre Hand anhält (III,9).
Vielleicht ist das Zögern Rechas als eine Art Intuition zu verstehen, das
auf die später herauskommende Blutsverwandtschaft mit dem Tempelherrn
verweist. (V,8)
Recha wird von ▪ Sittah
in den Palast eingeladen (IV,5),
nachdem sie und ihr Bruder ▪Saladin
beim Besuch des ▪
Tempelherrn
erfahren haben, dass Recha nicht die leibliche Tochter Nathans und dazu eine
Christin ist. Die beiden sind sich dabei einig, dass in einem solchen Fall
der Tempelherr Recha heiraten kann, auch wenn Nathan das nicht will. Sittah,
die eigentlich will, dass ihr Bruder die Vormundschaft über Recha übernehmen
soll, will sich ein Bild von der jungen Frau machen. Auf dem Weg in den
Palast erfährt Recha von Daja die Wahrheit über ihre Herkunft und befürchtet
nun, dass Saladin ihr Nathan als Vater nehmen könne, was sie tief
beunruhigt. (V,6;
V,7)
Als Nathan und der Tempelherrn in der Schlussszene des Dramas zu Saladin,
Sittah und Recha im Palast hinzukommen (V,8),
löst sich auch dieses Problem im Rahmen der ▪
vollständigen Klärung der Familienverhältnisse.
Am Ende stellt sich nämlich heraus, dass Recha eigentlich Blanda von Filneck
heißt und Tochter Wolf von Filneck, des zum Christentum konvertierten und
umgekommenen Bruder Saladins und Sittahs mit dem Namen Assad und der
Tempelherr ihr leiblicher Bruder ist. Als Säugling war sie Nathan nach dem
Tod ihres Vaters und ihrer Mutter vor 18 Jahren in Darun von einem
Reiterknecht, dem ▪
Klosterbruder
Bonafides, übergeben (IV,7)und
seitdem von diesem großgezogen worden. Die Art und Weise, wie Recha und der
Tempelherr mit dieser ganz anderen emotionalen Situation umgehen und sie
geradezu euphorisch annehmen, hat in der Kritik kontroversen Einschätzung
geführt, sie stünden am Ende da wie ▪ "begossene
Pudel in einem Rührstück".