Die nachfolgende Zusammenstellung gibt eine
umfassende
Inhaltsübersicht über den 5. Akt von
Lessings
Drama »Nathan der Weise«.
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V,1
In einem Zimmer des Palastes nimmt
Saladin
die Meldung seiner mameluckischen Reiter entgegen, dass die längst
erwarteten Tribute aus Ägypten endlich eingetroffen sind. Der
erste, der diese erfreuliche Nachricht meldet, lehnt die Belohnung
durch Saladin trotzig ab, weil er seinen Sultan erst darauf
aufmerksam machen muss. Der zweite Reiter wird dafür um so mehr
belohnt, auch wenn die Nachricht, die er bringt, für Saladin nichts
Neues mehr darstellt. Zugleich aber lässt dessen Bereitschaft,
seine Belohnung mit einem dritten Reiter, der im Wettstreit um die
Überbringung der guten Nachricht gestürzt war, zu teilen, Saladin
daran glauben, dass seine Männer seinem Vorbild an Freigiebigkeit
zu folgen trachten.
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V,2
Emir Mansor, der die Karawane mit den
Tributen aus Ägypten nach Jerusalem geführt hat, trifft bei
Saladin
ein und berichtet von den Schwierigkeiten, die die Karawane auf ihrem Weg
überwinden musste. Nachdem Saladin ihn belohnt hat, befiehlt er ihm, mit
neuen Truppen sofort in den Libanon aufzubrechen, um den Großteil des
Geldes seinem Vater zu bringen. Dabei müsse er unterwegs mit Angriffen
der Tempelherren rechnen. Damit alles, wie gewünscht geregelt wird, will
sich Saladin persönlich darum kümmern.
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V,3
Von seiner Audienz bei
Saladin zurückgekehrt,
wartet der Tempelherr unter den Palmen
vor Nathans Haus, um Nathans verbindliche
Antwort auf seinen Heiratsantrag zu erhalten. Die Belehrung, die ihm
Saladin erteilt hat, wirkt noch deutlich nach, so dass er sich darüber ärgert,
wie er sich Nathan gegenüber verhalten hat. Er will es nicht wahrhaben,
dass er selbst, mehr als er in seiner Wut noch Nathan zugeschrieben hat,
von blindem religiösen Fanatismus und Intoleranz getrieben worden sein könnte.
Klar steht ihm vor Augen, dass gerade das, was ihn an Recha so fasziniert,
Einflüsse ihres jüdischen Vaters und einer jüdischen Erziehung sind.
Denn der rein äußerlichen Attraktivität christlicher Frauen, das weiß
er aus Erfahrung, ist er bis dahin niemals erlegen. Während er sich
selbst beschwört, endlich seine Enttäuschung zu überwinden und auf
Saladins Vermittlung zu vertrauen, sieht er Nathan mit dem
Klosterbruder
kommen. Er nimmt daher an, dass Nathan doch vom Patriarchen entdeckt
worden sei und er dies verschuldet habe. Er macht sich deshalb Vorwürfe,
will sich aber auf die neue Situation einstellen und mit Nathan noch
einmal unter vier Augen sprechen.
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V,4
Nathan
bedankt sich bei dem
Klosterbruder
für die Überlassung des Büchleins, in dem
Rechas
leiblicher Vater, Wolf von Filnek, seine verwandtschaftlichen
Beziehungen aufgezeichnet hat. Er lässt sich darüber hinaus noch
einmal von seinem Gesprächspartner versichern, dass der
Tempelherr,
den Nathan für einen jungen, edlen und offenen Mann hält, ihn beim
Patriarchen
angezeigt hat. Enttäuscht, aber noch immer ohne diesen im weiteren
Gespräch irgendwie zu verurteilen, vertraut Nathan auf die
Wahrheiten, die das Büchlein Wolfs von Filnek enthält. Mit diesem
macht er sich auf den Weg zu
Saladin.
Dabei ist er mit sich einig und seiner Sache offenbar so sicher,
dass ihn die Tatsache, der Patriarch könne seinen Namen erfahren,
noch kurzem Zögern, nicht mehr schreckt. Der Klosterbruder
versichert ihm allerdings trotzdem, seinen Namen nicht dem
Patriarchen zu verraten.
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V,5
Nathan
und der
Tempelherr
begeben sich dem Wunsch
Saladins
gemäß
gemeinsam zum Palast. Auf dem Weg dahin gesteht der Tempelherr
Nathan, dass er den Fall dem Patriarchen vorgetragen habe, weil er
sich durch das, wie er sagt, "kalte" Verhalten Nathans
nach seinem Heiratsantrag zutiefst gekränkt gefühlt habe. Als ihm
dann in dieser Situation auch noch
Daja
das Geheimnis um
Recha
gelüftet habe, habe er eigensüchtige, von jüdischem Fanatismus
herrührende Motive bei Nathan vermutet. Nathan, der es dem
Tempelherrn zunächst nicht leicht macht, nimmt allerdings dessen
Entschuldigung an. Der Tempelherr, der befürchtet, der
Patriarch
könne Nathan Recha wegnehmen und ins Kloster schicken, wiederholt
seinen Heiratsantrag erneut. Dabei ist es ihm ausdrücklich gleich,
welche Religionszugehörigkeit Recha besitzt. Ja darüber hinaus,
fordert er Nathan auf, auch in Zukunft das Geheimnis ihrer
Abstammung vor Recha zu wahren. Zuletzt zieht er noch seinen letzten
Trumpf, um Nathans Einverständnis zu erlangen: Nur er könne Recha
für Nathan - und für sich selbst wohlgemerkt - noch retten. Doch
auch dieses Mal hält Nathan den Tempelherrn hin und verweist
darauf, dass seine Nachforschungen ergeben hätten, dass Recha einen
Bruder habe, von dessen Einwilligung alles abhinge. Der Tempelherr
sieht dadurch neue Verwicklungen auf sich zukommen und dreht nun
das, was er zuvor noch gegen Nathans Verhalten vorgebracht hat,
einfach um. Wenn Recha diesem christlichen Bruder übergeben werde,
verliere Recha, dieser von Nathan erzogene "Engel" alles
und werde schließlich christlich "verhunzt". Als der
Tempelherr daraufhin erwägt, mit Recha zu fliehen, macht ihn Nathan
darauf aufmerksam, dass sie sich ebenfalls schon im Palast Saladins,
bei
Sittah,
aufhalte.
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V,6
In Sittahs Harem im Palast finden
Sittah,
die Schwester
Saladins,
und
Recha
schnell zu einem offenherzigen und freundschaftlichen Verhältnis
zueinander. Sittah zollt der jungen Frau Anerkennung für deren
kluges und frommes Wesen, das sie auf häufiges Lesen von Büchern
zurückführt. Recha erklärt ihr dagegen, dass sie ihr Wissen nicht
"kalter Buchgelehrsamkeit", sondern ihrem Vater
Nathan
verdanke, der es immer verstanden habe, ihr den Sinn der von ihm
vermittelten Wertvorstellungen und Wissenstatbestände rational
einsichtig und nachvollziehbar zu machen. Jetzt aber, so müsse sie
sich endlich Luft verschaffen, habe sie große Angst, ihren Vater zu
verlieren. Inständig bittet sie Sittah zu verhindern, dass ihr ein
anderer Vater aufgezwungen werde. Als Sittah Näheres erfahren will,
teilt ihr Recha mit, dass sie von
Daja
auf dem Weg in den Palast damit konfrontiert worden sei, dass Nathan
überhaupt nicht ihr Vater und sie selbst eine Christin sei. In
ihrer Verzweiflung wirft sie sich Sittah zu Füßen, wird aber
sogleich von dieser gebeten, sich wieder zu erheben, da Saladin
Sittahs Harem betritt.
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V,7
Als
Saladin
zu
Sittah
und
Recha
kommt, fällt Recha vor ihm zu Boden und erhält dessen Versprechen,
ihr
Nathan
nicht als Vater zu nehmen. Dabei stimmt er mit ihr auch darin
überein, dass die Blutsverwandtschaft nicht allein maßgebend sein
könne. Zugleich bietet er sich selbst als einen Ausweg aus einem
möglichen Dilemma an. Sollte es tatsächlich zum Streit kommen,
dann sei er bereit, die Stelle ihres Vaters zu übernehmen, wenn sie
dies wünsche. Doch im Grunde sieht Saladin darin angesichts der
künftigen Verbindung Rechas mit dem
Tempelherrn
kein ernsthaftes Problem. Seine diesbezüglichen Andeutungen kann
die völlig aufgewühlte Recha aber in diesem Moment, als eine
Sklavin die Ankunft Nathans und des Tempelherrn meldet, nicht recht
verstehen.
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V,8
Nach seiner Begrüßung durch
Saladin
sieht Nathan, dass
Recha
offenbar geweint hat. Er will daher von ihr wissen, ob sie ihn noch immer
als Vater und er sie als Tochter ansehen könne. Als Recha dies in einer Form
bejaht, dass der Tempelherr glaubt, ihr eigentlich gar nichts zu bedeuten,
bittet er Saladin, weitere Vermittlungsversuche einzustellen. Dieser
fordert Recha auf, dem
Tempelherrn ihre
Liebe zu bekennen, um die Verbindung der beiden herbeiführen zu können.
Doch Nathan schreitet mit dem Hinweis ein, dass dazu zunächst Rechas
Bruder gehört werden müsse. Darauf erfährt der Tempelherr nun seine
wahre Identität. Sein Name sei, so bedeutet ihm Nathan, nicht Curd von
Stauffen, sondern Leu von Filnek. Sein Vater Wolf, der kein Deutscher
gewesen sei, sei mit einer Schwester des Tempelherrn Curd von Stauffen
verheiratet gewesen, habe mit ihr einige Zeit in Deutschland gelebt, sei
aber wegen des rauen Klimas dort wieder nach Palästina zurückgekehrt.
Ihn aber habe Wolf zur Erziehung dem Bruder seiner Frau, Curd von Stauffen,
in Deutschland überlassen. Als Nathan desweiteren enthüllt, dass der
Tempelherr der Bruder Rechas ist, erregt er damit allgemeines Erstaunen
und der Tempelherr ringt sichtlich um seine Fassung. Während Recha, alias
Blanda von Filnek, die neue Lage offenbar sogleich akzeptiert, muss Leu
sich einmal mehr von Saladin zurechtweisen lassen, ehe er in der Lage ist,
diese Umdeutung seiner Beziehung zu Recha hinzunehmen, in der
Geschwisterbeziehung gar eine Aufwertung der Bande zu erblicken, die ihn
nun mit Recha verbinden. Saladin, der wegen den Ausführungen Nathans über
Wolf von Filnek ins Nachdenken gekommen ist, kann mit Hilfe des Breviers
des Klosterbruders, das Nathan mit sich führt, die wahre Identität Wolfs
von Filnek lüften: Es handelt sich um seinen verschollenen Bruder Assad
und Leu und Blanda sind nichts anderes als dessen Kinder. In gegenseitigem
Einverständnis, das sich gestisch in Umarmungen aller Beteiligten ausdrückt,
löst sich der lange mögliche Konflikt.
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
18.03.2021