Achter AuftrittLeicester. Mortimer
LEICESTER.
(verwundert). Was wandelte den Ritter an?
MORTIMER. Ich
weiß es nicht - Das unerwartete
Vertrauen, das die Königin mir schenkt
-
LEICESTER.
( ihn forschend ansehend ).
Verdient Ihr, Ritter,
dass man Euch vertraut?
MORTIMER.
(ebenso).
Die Frage tu ich Euch, Mylord
von Leicester.
LEICESTER. Ihr
hattet mir was in geheim zu sagen.
MORTIMER. Versichert
mich erst, dass ich's wagen darf. 1700
LEICESTER. Wer
gibt mir die Versicherung für Euch?
-
Lasst Euch mein Misstraun nicht
beleidigen!
Ich seh Euch zweierlei Gesichter zeigen
An diesem Hofe - Eins darunter ist
Notwendig falsch, doch welches ist das wahre?
MORTIMER.
Es geht mir ebenso mit Euch, Graf Leicester.
LEICESTER. Wer soll nun des Vertrauens Anfang machen?
MORTIMER. Wer
das Geringere zu wagen hat.
LEICESTER. Nun! Der seid Ihr!
MORTIMER. Ihr seid es !
Euer Zeugnis,
Des viel bedeutenden, gewalt'gen Lords,
1710
Kann mich zu Boden schlagen; meins vermag
Nichts gegen Euren Rang und Eure Gunst.
LEICESTER. Ihr
irrt Euch , Sir! In allem andern bin ich
Hier mächtig, nur in diesem zarten Punkt,
Den ich jetzt Eurer Treu' preisgeben soll,
Bin ich der schwächste Mann an diesem
Hof,
Und ein verächtlich Zeugnis kann mich
stürzen.
MORTIMER.
Wenn sich der allvermögende Lord Leicester
So tief zu mir herunterlässt, ein
solch
Bekenntnis mir zu tun, so darf ich wohl
1720
Ein wenig höher denken von mir selbst
Und ihm in Großmut ein Exempel geben.
LEICESTER. Geht mir voran im Zutraun, ich will folgen.
MORTIMER.
(den Brief schnell hervorziehend).
Dies sendet Euch die Königin von Schottland.
LEICESTER. (schrickt
zusammen und greift hastig darnach).
Sprecht
leise, Sir - Was seh ich! Ach ! Es ist
Ihr Bild!
(Küsst es und betrachtet es mit
stummem Entzücken.)
MORTIMER.
(der ihn während des Lesens scharf beobachtet).
Mylord,
nun glaub ich Euch.
LEICESTER.
(nachdem er den Brief schnell durchlaufen ).
Sir Mortimer! Ihr wisst des Briefes Inhalt?
MORTIMER. Nichts weiß ich.
LEICESTER. Nun!
Sie hat Euch ohne Zweifel
Vertraut -
MORTIMER. Sie
hat mir nichts vertraut. Ihr würdet
Dies Rätsel mir erklären, sagte
sie.
1730
Ein Rätsel ist es mir,
dass Graf
von Leicester,
Der Günstling der Elisabeth, Mariens
Erklärter Feind und ihrer Richter einer,
Der Mann sein soll, von dem die Königin
In ihrem Unglück Rettung hofft - Und
dennoch
muss dem so sein, denn Eure Augen sprechen
Zu deutlich aus, was Ihr für sie empfindet.
LEICESTER. Entdeckt mir selbst erst, wie es kommt,
dass
Ihr
Den feur'gen Anteil nehmt an ihrem Schicksal,
Und was Euch ihr Vertraun erwarb.
MORTIMER. Mylord,
1740
Das kann ich Euch mit wenigem erklären.
Ich habe meinen Glauben abgeschworen
Zu Rom und steh im Bündnis mit den Guisen.
Ein Brief des Erzbischofs zu Reims hat mich
Beglaubigt bei der Königin von Schottland.
LEICESTER.
Ich weiß von Eurer Glaubensänderung,
Sie ist's, die mein Vertrauen zu Euch weckte.
Gebt mir die Hand. Verzeiht mir meinen Zweifel.
Ich kann der Vorsicht nicht zu viel gebrauchen,
Denn Walsingham und Burleigh hassen mich,
1750
Ich weiß,
dass sie mir lauernd
Netze stellen.
Ihr konntet ihr Geschöpf und Werkzeug
sein,
Mich in das Garn zu ziehn -
MORTIMER. Wie kleine Schritte
Geht ein so großer Lord an diesem Hof
!
Graf, ich beklag Euch !
LEICESTER. Freudig werf ich mich
An die vertraute Freundesbrust, wo ich
Des langen Zwangs mich endlich kann entladen.
Ihr seid verwundert, Sir,
dass ich so
schnell
Das Herz geändert gegen die Maria.
Zwar in der Tat hasst' ich sie nie -
der Zwang
1760
Der Zeiten machte mich zu ihrem Gegner.
Sie war mir zugedacht seit langen Jahren,
Ihr wisst's, eh' sie die Hand dem Darnley
gab,
Als noch der Glanz der Hoheit sie umlachte.
Kalt stieß ich damals dieses Glück
von mir;
Jetzt im Gefängnis, an des Todes Pforten
Such ich sie auf, und mit Gefahr des Lebens.
MORTIMER. Das heißt großmütig handeln!
LEICESTER. - Die Gestalt
Der Dinge, Sir, hat sich indes verändert.
Mein Ehrgeiz war es, der mich gegen Jugend
1770
Und Schönheit fühllos machte. Damals
hielt ich
Mariens Hand für mich zu klein, ich hoffte
Auf den Besitz der Königin von England.
MORTIMER. Es ist bekannt,
dass sie Euch allen Männern
Vorzog -
LEICESTER. So schien es, edler Sir - und nun, nach zehn
Verlornen Jahren unverdrossnen Werbens,
Verhassten Zwangs - O Sir, mein Herz
geht auf !
Ich
muss des langen Unmuts mich entladen
-
Man preist mich glücklich - wüsste
man, was es
Für Ketten sind, um die man mich beneidet
-
1780
Nachdem ich zehen bittre Jahre lang
Dem Götzen ihrer Eitelkeit geopfert,
Mich jedem Wechsel ihrer Sultanslaunen
Mit Sklavendemut unterwarf, das Spielzeug
Des kleinen grillenhaften Eigensinns,
Geliebkost jetzt von ihrer Zärtlichkeit
Und jetzt mit sprödem Stolz zurückgestoßen,
Von ihrer Gunst und Strenge gleich gepeinigt,
Wie ein Gefangener vom Argusblick
Der Eifersucht gehütet, ins Verhör
1790
Genommen wie ein Knabe, wie ein Diener
Gescholten - o die Sprache hat kein Wort
Für diese Hölle -
MORTIMER. Ich beklag Euch, Graf.
LEICESTER.
Täuscht mich am Ziel der Preis! Ein andrer
kommt,
Die Frucht des teuren Werbens mir zu rauben.
An einen jungen blühenden Gemahl
Verlier ich meine lang besessnen Rechte,
Heruntersteigen soll ich von der Bühne,
Wo ich so lange als der Erste glänzte.
Nicht ihre Hand allein, auch ihre Gunst
1800
Droht mir der neue Ankömmling zu rauben.
Sie ist ein Weib, und er ist liebenswert.
MORTIMER. Er
ist Kathrinens Sohn. In guter Schule
Hat er des Schmeichelns Künste ausgelernt.
LEICESTER. So stürzen meine Hoffnungen - ich suche
In diesem Schiffbruch meines Glücks ein
Brett
Zu fassen - und mein Auge wendet sich
Der ersten schönen Hoffnung wieder zu.
Mariens Bild, in ihrer Reize Glanz,
Stand neu vor mir, Schönheit und Jugend
traten
1810
In ihre vollen Rechte wieder ein,
Nicht kalter Ehrgeiz mehr - das Herz verglich,
Und ich empfand, welch Kleinod ich verloren.
Mit Schrecken seh ich sie in tiefes Elend
Herabgestürzt, gestürzt durch mein
Verschulden.
Da wird in mir die Hoffnung wach, ob ich
Sie jetzt noch retten könnte und besitzen.
Durch eine treue Hand gelingt es mir,
Ihr mein verändert Herz zu offenbaren,
Und dieser Brief, den Ihr mir überbracht,
1820
Versichert mir,
dass sie verzeiht, sich
mir
Zum Preise schenken will, wenn ich sie rette.
MORTIMER. Ihr
tatet aber nichts zu ihrer Rettung!
Ihr ließt geschehn,
dass sie verurteilt
wurde,
Gabt Eure Stimme selbst zu ihrem Tod!
Ein Wunder
muss geschehn - Der Wahrheit
Licht
muss mich, den Neffen ihres Hüters,
rühren,
Im Vatikan zu Rom
muss ihr der Himmel
Den unverhofften Retter zubereiten,
Sonst fand sie nicht einmal den Weg zu Euch!
1830
LEICESTER. Ach, Sir, es hat mir Qualen g'nug gekostet!
Um selbe Zeit ward sie von Talbots
Schloss´
Nach Fotheringhay weggeführt, der strengen
Gewahrsam Eures Oheims anvertraut.
Gehemmt ward jeder Weg zu ihr, ich
musste
Fortfahren vor der Welt, sie zu verfolgen.
Doch denket nicht,
dass ich sie leidend
hätte
Zum Tode gehen lassen ! Nein, ich hoffe
Und hoffe noch, das Äußerste zu
hindern,
Bis sich ein Mittel zeigt, sie zu befrein.
1840
MORTIMER. Das ist gefunden - Leicester, Euer edles
Vertraun verdient Erwiderung. Ich will
sie
Befreien, darum bin ich hier, die Anstalt
Ist schon getroffen, Euer mächt'ger Beistand
Versichert uns den glücklichen Erfolg.
LEICESTER.
Was sagt Ihr? Ihr erschreckt mich. Wie? Ihr
wolltet -
MORTIMER. Gewaltsam
auftun will ich ihren Kerker,
Ich hab Gefährten, alles ist bereit -
LEICESTER.
Ihr habt Mitwisser und Vertraute! Weh mir!
In welches Wagnis reißt Ihr mich hinein!
1850
Und diese Wissen auch um mein Geheimnis?
MORTIMER.
Sorgt nicht. Der Plan ward ohne Euch entworfen,
Ohn' Euch wär' er vollstreckt, bestünde sie
Nicht drauf, Euch ihre Rettung zu verdanken.
LEICESTER.
So könnt Ihr mich für ganz gewiss
versichern,
dass in dem Bund mein Name nicht genannt
ist?
MORTIMER.
Verlasst Euch drauf! Wie? So bedenklich,
Graf,
Bei einer Botschaft, die Euch Hilfe bringt!
Ihr wollt die Stuart retten und besitzen,
Ihr findet Freunde, plötzlich, unerwartet,
1860
Vom Himmel fallen Euch die nächsten Mittel
-
Doch zeigt Ihr mehr Verlegenheit als Freude?
LEICESTER. Es
ist nichts mit Gewalt. Das Wagestück
Ist zu gefährlich.
MORTIMER. Auch
das Säumen ist's !
LEICESTER.
Ich sag Euch, Ritter, es ist nicht zu wagen.
MORTIMER.
(bitter).
Nein, nicht für Euch, der sie besitzen
will!
Wir wollen sie bloß retten und
sind nicht so
bedenklich -
LEICESTER. Junger
Mann, Ihr seid zu rasch
In so gefährlich dornenvoller Sache.
MORTIMER. Ihr - sehr bedacht in solchem Fall der Ehre.
1870
LEICESTER. Ich seh die Netze, die uns rings umgeben.
MORTIMER. Ich fühle Mut, sie alle zu durchreißen.
LEICESTER. Tollkühnheit,
Raserei ist dieser Mut.
MORTIMER. Nicht Tapferkeit ist diese Klugheit, Lord.
LEICESTER. Euch lüstet's wohl, wie Babington zu
enden?
MORTIMER. Euch nicht, des Norfolks Großmut nachzuahmen.
LEICESTER. Norfolk hat seine Braut nicht heimgeführt.
MORTIMER. Er
hat bewiesen, dass er's würdig war.
LEICESTER. Wenn
wir verderben, reißen wie sie nach .
MORTIMER. Wenn wir uns schonen, wird sie nicht gerettet.
1880
LEICESTER. Ihr überlegt nicht, hört nicht,
werdet alles
Mit heftig blindem Ungestüm zerstören,
Was auf so guten Weg geleitet war.
MORTIMER. Wohl auf den guten Weg, den Ihr gebahnt?
Was habt Ihr denn getan, um sie zu
retten?
- Und wie? Wenn ich nun Bub g'nug gewesen,
Sie zu ermorden, wie die Königin
Mir anbefahl, wie sie zu dieser Stunde
Vor mir erwartet - Nennt mir doch die Anstalt,
Die Ihr gemacht, ihr Leben zu erhalten.
1890
LEICESTER.
(erstaunt).
Gab Euch die Königin diesen Blutbefehl?
MORTIMER. Sie
irrte sich in mir, wie sich Maria
In Euch.
LEICESTER. Und
Ihr habt zugesagt ? Habt Ihr ?
MORTIMER. Damit
sie andre Hände nicht erkaufe,
Bot ich die meinen an.
LEICESTER. Ihr tatet wohl.
Dies kann uns Raum verschaffen. Sie verlässt
sich
Auf Euren blut'gen Dienst, das Todesurteil
Bleibt unvollstreckt, und wir gewinnen Zeit
-
MORTIMER.
(ungeduldig).
Nein, wir verlieren Zeit !
LEICESTER. Sie zählt auf Euch,
So minder wird sie Anstand nehmen, sich
1900
Den Schein der Gnade vor der Welt zu geben.
Vielleicht,
dass ich durch List sie überrede,
Das Angesicht der Gegnerin zu sehn,
Und dieser Schritt
muss ihr die Hände
binden.
Burleigh hat Recht. Das Urteil kann nicht
mehr
Vollzogen werden, wenn sie sie gesehn.
- Ja, ich versuch es, alles biet ich auf -
MORTIMER.
Und was erreicht Ihr dadurch ? Wenn sie sich
In mir getäuscht sieht, wenn Maria fortfährt,
Zu leben - Ist nicht alles wie zuvor ?
1910
Frei wird sie niemals ! Auch das Mildeste,
Was kommen kann, ist ewiges Gefängnis.
Mit einer kühnen Tat müsst
Ihr doch enden,
Warum wollt Ihr nicht gleich damit beginnen
?`
In Euren Händen ist die Macht, Ihr bringt
Ein Heer zusammen, wenn Ihr nur den Adel
Auf Euren vielen Schlössern waffnen wollt
!
Maria hat noch viel verborgne Freunde;
Der Howard und der Percy edle Häuser,
Ob ihre Häupter gleich gestürzt,
sind noch
1920
An Helden reich, sie harren nur darauf,
dass ein gewalt'ger Lord das Beispiel
gebe !
Weg mit Verstellung ! Handelt öffentlich
!
Verteidigt als ein Ritter die Geliebte,
Kämpft einen edeln Kampf um sie. Ihr
seid
Herr der Person der Königin von England,
Sobald Ihr wollt. Lockt sie auf Eure Schlösser,
Sie ist Euch oft dahin gefolgt. Dort zeigt
ihr
Den Mann ! Sprecht als Gebieter ! Haltet sie
Verwahrt, bis die Stuart freigegeben !
1930
LEICESTER. Ich
staune, ich entsetze mich - Wohin
Reißt Euch der Schwindel ? - Kennt Ihr
diesen Boden?
Wisst Ihr, wie's steht an diesem Hof,
wie eng
Dies Frauenreich die Geister hat gebunden?
Sucht nach dem Heldengeist, der ehemals wohl
In diesem Land sich regte - Unterworfen
Ist alles, unterm Schlüssel eines Weibes,
Und jedes Mutes Federn abgespannt.
Folgt meiner Leitung. Wagt nichts unbedachtsam.
- Ich höre kommen, geht.
MORTIMER. Maria hofft!
1940
Kehr ich mit leerem Trost zu ihr zurück?
LEICESTER. Bringt ihr die Schwüre meiner ew'gen
Liebe!
MORTIMER.
Bringt Ihr die selbst! Zum Werkzeug ihrer
Rettung
Bot ich mich an, nicht Euch zum Liebesboten!
(Er geht ab).