August Wilhelm Iffland
(1759-1814)
Franz Moor als schauspielerische Gestaltung (1806) -
Auszüge
"Wer
raunte mir das ein?" frägt der unter sich gekehrte Blick. "Rächet denn
jemand" - hier hebt sich der Blick allmählich gegen den Himmel - "droben
über den Sternen?" Hier ist die ganze Gestalt zurückgelehnt, er wagt es,
in seine Zukunft zu starren. Er erblickt das Weltgericht - seine Qual
auf Erden, seine Verdammnis droben - die letzte Kraft ringt gegen seinen
Untergang - er wirft sich vor, dem Gerichte Gottes entgegen, stampft die
Erde unter seinem Fuß, drohet mit aufgehobener Rechten in den Himmel
hinein, und mit fürchterlichem Tone ruft er: "Nein!" Doch ist es keine
geballte Faust, die den Himmel herausfordert; - es ist eine aufgehobene
offene Hand. - Nur der Ballen derselben lehnt sich frech gegen den
Himmel, die flache Hand, die ausgebreiteten Finger vermögen es nicht,
sich zu dem trotzigen Willen zu schließen. So hält er eine Weile; bis
ihn die Angst überwältigt, die Brust bricht, er sich zurückzieht, den
Arm sinken läßt, den Fuß, der die Erde einstampfen wollte, zurückzieht
und mit zermalmendem Tone, indem er das Gesicht bedeckt, ausruft: "Ja,
ja! Wehe mir - -" Franz ist schon von der Erde weg, er steht dem
Weltgericht entgegen - unermeßlicher Greuel - ewiges Gericht! zwischen
diesen äußersten Enden schwebt seine geängstigte Seele. Sie ist bang und
lallet - nur hie und da dringt ein Schrei der Verzweiflung vor! In
diesem Zustande,
bei den hohen Bildern, die seine aufgejagte Phantasie herauswirft, kann es nicht möglich sein, daß der, welcher den Franz
darstellt, an Mienen und Artikulationen denken wollte, die den Bösewicht
bezeichnen sollten,
Hier ist vom Schrecklichen die Rede, und das kann
nicht kleinlich gegeben werden ...
Die Schrecken, die zuletzt ihn
umgeben, und wie er sie zu empfinden die Fähigkeit hat, beweisen, daß
Anlagen zum Außerordentlichen in seiner Seele waren. Indem wir mit
Entsetzen uns von ihm wenden, fühlen wir unwillkürlich, daß
Seelenvermögen dazu gehöre, selbst diese Greuel in sich zu tragen und zu
reifen.
(Iffland 1806, zit. n.
Buchwald 41959, S. 310)
Szene V,1 (Trauerspielfassung): Monolog
von Franz Moor am Szenenende:
Franz. Pöbelweisheit! Pöbelfurcht! - Es ist
ja noch nicht ausgemacht, ob das Vergangene nicht vergangen ist, oder
ein Auge findet über den Sternen - Hum! hum! - Wer raunte mir das ein?
Rächet den droben über den Sternen einer? - Nein, nein! - Ja, ja!
Fürchterlich zischelts um mich: Richtet droben einer über den Sternen?
Entgegen gehen dem Rächer über den Sternen diese Nacht noch! Nein! sag
ich - Elender Schlupfwinkel, hinter den sich deine Feigheit verstecken
will - öd, einsam, taub ist droben über den Sternen - Wenns aber doch
etwas mehr wäre? Nein, nein, es ist nicht! Ich wills, es ist nicht!
Wenns aber doch doch wäre? Whe mir, wenns nachgezählt würde diese Nacht
noch! - Warum schaudert mirs so durch die Knochen? - Sterben! warum
packt mich das Wort so? Rechenschaft geben de, Rächer droben über den
Sternen - und wenn er gerecht ist, - wenn er gerecht ist?