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Bausteine zur Uraufführung 13.1.1782 - Mannheim

Wirkung auf Bühnen- und Lesepublikum

Friedrich Schiller (1759-1805): Die Räuber - Rezeptionsgeschichte

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Friedrich Schiller Biographie
Werke Dramatische Werke Die Räuber Didaktische und methodische Aspekte Überblick Gesamttext /Recherche/Leseversion) Entstehungsgeschichte des Dramas Stoffgeschichte  • Verschiedene Fassungen Schiller zu den "Räubern" Komposition des Dramas Handlungsverlauf Figurenkonstellation Einzelne Figuren Weitere Aspekte der Analyse Sprachliche Form Rezeptionsgeschichte Überblick [ Uraufführung in Mannheim (13.1.1782, Nationaltheater) Überblick Besetzung (Schauspieler ) Iffland als Franz Moor • Textauswahl Bausteine ] Textauswahl Bausteine Textauswahl • Bausteine Links ins Internet Maria Stuart Lyrische Werke Sonstige Werke Bausteine Links ins Internet  Schreibformen Rhetorik Operatoren im Fach Deutsch
 

Die große Wirkung, die Friedrich Schillers Drama •"Die Räuber" auf das zeitgenössische Bühnenpublikum bei der Uraufführung und das Lesepublikum entfaltet, wird von der Literaturwissenschaft auf unterschiedliche Art und Weise erklärt.

Albert Ludwig (1912)

(77) "Was war es nun,  das selbst in der teilweise recht bedenklichen Bühnenbearbeitung die Hörer zu Mannheim und bald allerorten ergriff? Es war schlechthin Neues, etwas, das wie ein Wirbelwind dramatischer Leidenschaft ergriff und fortriss [...] Die Deutschen hatten schon Tragödien, auf die sie stolz waren: 'Götz von Berlichingen" war freilich kein Bühnendrama, aber Lessings 'Emilia Galotti' hatte sich auch auf den Theatern erfolgreich gezeigt, dies und jenes Werk von Gerstenberg, Leisewitz, Klinger genoss großen literarischen Ruf. Aber hier war es etwas anderes: wie fern lagen die italienischen Staaten und Städte, in die jene mit Vorliebe ihre Handlungen legten, im Vergleich mit den böhmischen Wäldern, der Donau, Franken! [...]
(78) Hier aber ertönte aus Karl Moors Munde die Klage über das tintenklecksende Säkulum [...] hier flüchtete sich einer, der stark und schön war, in den Naturzustand der böhmischen Wälder, und ihm gegenüber steht der Bösewicht, der aus der Raffiniertheit hoher Bildung sich Mittel und lästernde Rechtfertigung für die naturwidrigsten Verbrechen holt, ihm gegenüber steht die ganze verrottete Gesellschaft - und in Süddeutschland konnte jedermann sagen, wer der Minister, der Finanzrat, der Pfaffe war, die Karl Moor niederwarf, wusste jeder, dass Kosinskys Geschichte nicht Ausgeburt einer wilden Phantasie war.
Aber nicht bloß dieser zeitliche Gehalt packte die Hörer und Leser: ewige Gegensätze des menschlichen Lebens, tiefste Fragen unseres Daseins wurden hier aufgewühlt. Die Herzen flogen Karl Moor zu, war er nicht bei allem Leichtsinn, allem Frevel ein Jünglingsideal? Kühn, voller Begeisterung, hohen Strebens voll! [...] Und trotzdem, hatte er recht? Der Dichter ließ keinen Zweifel: der große Räuber, er bricht zusammen; mochten die Missstände und Missbräuche zum Himmel schreien, er hat sich gegen die sittliche Weltordnung vergangen, und auf solchem Untergrunde lässt sich kein neues Leben aufbauen.[...]
(79) Jedermann musste aber empfinden, dass hier auch seine Sache verhandelt wurde, denn jeder bekommt diesen Gegensatz des einzelnen gegen die Allgemeinheit zu spüren, hat ihn auszufechten [...]. Und wie hier ein allgemein menschliches Problem aufgedeckt wurde, so rührte noch ein anderes an tiefste Fragen: im Schoß der Familie war dieser fruchtbare Streit entsprungen. [...] was aber bleibt noch, wenn diese Grundfesten unseres Zusammenlebens wanken?"

(Ludwig 1914, S. 77-79)

Franz Schnatz (1914)

"Solch tiefgehende Wirkungen und solch ungestümer Beifall werden nur dem Dramatiker zuteil, dessen Feder den Lebensnerv seiner Zeit trifft. Auch mit Abzug dessen, was bei diesem ungeheuren, umfassenden Erfolge aufs Konto der Gefühlsseligkeit jener Zeit gesetzt werden muss, so ist doch klar, dass eine Dichtung, die den Zeitgenossen wie eine machtvolle, wundertätig befreiende Offenbarung unmittelbar ans Herz griff und als lösendes Wort der Rätsel, die in aller Brust schlummerten, empfunden ward, nur das literarische Erzeugnis und Ergebnis einer ganzen Epoche sein kann.“

(Schnatz 1914, S. 113)

Hans Richard Brittnacher (1998)

(328)" Die Räuber führten dem Publikum den febrilen Ausnahmezustand einer Zeit vor Augen, die ihre wesentlichen Bindungen verloren glaubte. Im Furor einer aller Legitimation entbundenen Rationalität und eines entfesselten Idealismus erkannte das Publikum das drohende Schreckgespenst der sozialen Anomie nach dem Zusammenbruch des metaphysischen Weltbildes.
Um die Haltlosigkeit der in die Anomie entlassenen Individuen angemessen darstellen zu können, greift Schiller zu archaischen Metaphern. Der Machtwunsch von Karl steigert sich in die Allmachtsphantasie eines Demiurgen, der sich aus der grausamen Herrschaft über andere die eigene Identität bestätigen will […]. Karls »Universalhaß« (NA 22,120) zielt auf nichts Geringeres als die Ausrottung der gesamten Menschheit […]
Diese anarchischen Gewaltphantasien, vermittelt und gesteigert durch die eigentümliche, brisante Mischung aus aufklärerischer Fürstenkritik, dem derben Selbsthelferpathos des Sturm und Drang, der spektakulären Operngestik und dem kultischen Charakter der attischen Tragödie mit Chor, Nemesis, Blut und Opfer, gelten für alle Fassungen des Dramas. […]
(330) Am Ende des Dramas wird en suite getötet und auf den Knien um Tod und Leben gefleht. Selig und weinend küssen sich Held und Opfer, Gesetzlose fordern ein Sühneopfer, und der Empörer liefert sich bußfertig der Gerechtigkeit aus. LESSINGS Forderung nach Wahrscheinlichkeit und Glaubwürdigkeit der Dramenhandlung, aber auch die vom Sturm und Drang eingeklagte Maxime der Natürlichkeit der Charaktere werden von Schiller souverän missachtet. Im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert , auf dem Höhepunkt von Aufklärung und Empfindsamkeit, sprechen die dramatis personae eine Sprache, die sich gegen die Diskurse der Vernunft und des Herzens zu einem von archaischen Begriffen geradezu gesättigten Dramenpathos bekennt: Schwur, Abfall, Empörung, Vergeltung, Erlösung, Opfer.
Die ekstatische Reaktion des Publikums galt nicht dem obrigkeitswidrigen Republikanismus des Stückes – der sich ohnehin eher an Rom als ROUSSEAU orientierte -, sondern war eine affektische Enthemmung grundsätzlicher Art. In einer doppelten Opferhandlung war der narzisstische Wahn der feindlichen Brüder implodiert; Franz, vom eigenen Gewissen vor Gericht gezerrt, richtet sich selbst; Karl, der Aufrührer, bekennt sich zur weltlichen Gerechtigkeit, um die göttliche zu versöhnen. Selbst Gesetzlose, intrigante Despoten und infernalische Selbsthelfer beweisen ihre Teilhabe an der Ordnung der Gotteskindschaft: Opfer und Selbstopfer, elementare Formen der Zustimmung zur Schöpfung, triumphieren über die Selbstbezüglichkeit der Vernunft. Der Durchbruch eines offenbar (331)unverwüstlichen kultischen Prinzips führte zu jenem Erlösungsgefühl, von dem die Zuschauer augenscheinlich so ergriffen waren. Sie erlebten eine ästhetische Krisenintervention, die ihnen versicherte, dass selbst zwei so exzentrische Vertreter des neuen Denkens sich den Bedingungen einer unantastbaren Ordnung fügen. Beide kriechen vor dem Kreuz zu Kreuze, und das Publikum fällt sich in die Arme."

(Brittnacher 1998, S. 328-331, gekürzt)

 Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 21.11.2023

    
   Arbeitsanregungen:
  1. Arbeiten Sie heraus, wie sich die Autoren die große Wirkung der "Räuber" auf die Zuschauer und Leser erklären.

  2. Vergleichen Sie die Positionen miteinander.

  3. Nehmen Sie kritisch Stellung.

 
   
 

 
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