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Zeitgestaltung
im erzählenden Text
Das ist die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der
zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen
hatte, nicht mehr zu schlafen.
Denn er war in unsägliche und darum unglückliche Liebe zu seiner Cousine
Elsbeth entbrannt und seit jener Zeit nicht länger willens, auch nur
einen Augenblick zu ruhen, bis dass er das Geheimnis der Unmöglichkeit
seines Liebens zugrunde geforscht hätte. Tapfer hielt er bis zu seinem
unglaublichen Ende bei sich, dass die Zeit des Schlafs Verschwendung und
folglich Sünde sei, ihm dereinst im Fegefeuer aufgerechnet werde, denn im
Schlaf sei man tot, jedenfalls lebe man nicht wirklich. Nicht von
ungefähr vergliche ein altes Wort Schlaf und Tod mit Brüdern. Wie,
dachte er, könne ein Mann reinen Herzens behaupten, er liebe sein Weib
ein Leben lang, tue dies aber nur des Tags und dann vielleicht nur über
die Dauer eines Gedankens? Das könne nicht von Wahrheit zeugen, denn wer
schlafe, liebe nicht.
So dachte Johannes Elias Alder, und sein spektakulärer Tod war der letzte
Tribut dieser Liebe. Die Welt dieses Menschen und den Lauf seines elenden
Lebens wollen wir beschreiben.
(aus:
Robert Schneider, Schlafes Bruder. Roman, 1992, S. 9, Romananfang)
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Zeitgestaltung
im erzählenden Text
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
20.12.2023
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