teachSam- Arbeitsbereiche:
Arbeitstechniken - Deutsch - Geschichte - Politik - Pädagogik - PsychologieMedien - Methodik und Didaktik - Projekte - So navigiert man auf teachSam - So sucht man auf teachSam - teachSam braucht Werbung


deu.jpg (1524 Byte)

 

Moderne Parabel

Erzähler und Leser

Literarische Kommunikation

 
FAChbereich Deutsch
Glossar Literatur Autorinnen und Autoren Literarische Gattungen Erzählende TexteStrukturen erzählender Texte Formen erzählender Texte Fabel ▪ Gleichnis Kurzgeschichte Parabel Quickie: So interpretiert man eine Parabel Häufig gestellte Fragen Didaktische und methodische Aspekte Überblick ● Typen der ParabelÜberblickTraditionelle Parabel [Moderne ParabelQuickie: So interpretiert man eine moderne Parabel ÜberblickAllgemeine Merkmale Themen Erzähler und Leser ◄ ▪ Implizite Transfersignale Bild- und Sachbereich in Auflösung Textauswahl Bausteine ] Schulische Interpretation von Parabeln TextauswahlBausteine  Dramatische Texte Lyrische Texte Literarische Zweckformen ▪ Literaturgeschichte Motive der Literatur Grundlagen der Textanalyse und Interpretation Literaturunterricht Schreibformen 
Operatoren im Fach Deutsch
 

Bausteine 
Inferenzbildung beim Lesen kürzerer erzählender Texte

Die hierarchisch strukturierte Lehrer-Schüler-Beziehung von Erzähler und Leser wird aufgehoben

In der modernen Parabel ist die hierarchische Beziehung von Erzähler und Leser der Vergangenheit, die die literarische Kommunikation bei traditionellen Parabeln kennzeichnet, aufgehoben. Moderne Parabeln verfolgen auch keine didaktische Funktion, die ein solches Lehrer-Schüler-Verhältnis zwischen Erzähler und Leser begründet.

Nicht nur dass Intentionen und Themen gänzlich andere sind: Die modernen Parabel strukturiert auch die Erzähler-Leser Beziehung ganz anders.

Bei ihr müssen Erzähler und Leser auch nicht den gleichen Bewusstseins- und Erwartungshorizont teilen und sich über die Stellung und Bedeutung der dazu gehörigen Elemente ihres Welt- und Menschenbildes verständigen können.

Schon die ersten Vertreter der modernen Parabel (z. B. Friedrich Hebbel) haben sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts  von der hierarchischen Erzähler-Leser-Kommunikation abgesetzt und einen "Funktionswandel des parabolischen Sprechens in Richtung auf Desillusionierung, Irritation und Verfremdung des Vertrauten" vollzogen (Billen 1982 / 2001 S. 274f.)  Sie kehrten damit dem in der Tradition der Aufklärung stehenden Lehrer-Schüler-Verhältnis von Erzähler und Leser der Parabel den Rücken.

Während nämlich der Erzähler in der traditionellen Parabel aufgrund eines "Wissens um die Wahrheit die Wirklichkeit zu deuten vermochte", bietet er dem Leser in den neuen Typen "kein gültigen Antworten" mehr an, wiewohl er ihn dennoch "durch die Irritations- und Innovationskraft des Erzählten dazu bringen" will, selbst die "Frage nach dem Sinn seines eigenen Daseins" zu stellen und selbst "nach Antworten zu suchen". (ebd., S.277)

Bei modernen Parabeln des 20. Jahrhunderts wie denen von Franz Kafka setzt sich diese Entwicklung fort, so dass wie ein "Gegentypus zu ihren fast zweitausend Jahre alten Vorbildern"  (ebd., S.253) daherzukommen scheinen.

Nicht nur Preisgabe der Hierarchie, sondern auch Zuweisung einer aktiven Rolle

Die Aufgabe des Lehrer-Schüler-Verhältnisses führt zu einer Art neuen "Partnerschaft" zwischen Erzähler und Leser in der literarischen Kommunikation. Dabei geht das Konzept der Parabel nur auf, wenn der Leser selbst seine aktive Rolle auf allen Ebenen der Sinnfindung einnimmt.

"So wie der Erzähler der modernen Parabel nicht mehr als Lehrer in der nur temporär übernommenen Rolle des Erzählers zu verstehen ist, wird auch dem Leser nicht mehr die Rolle des Schülers zugemutet, sondern er ist ein Partner, der die Bildhälfte selbst in Richtung auf seine Sachhälfte weiterführt oder zu Ende führt.“ (Billen 1982 / 2001, S.286)

Die Notwendigkeit die Bildhälfte auf die jeweils individuell zu konstruierende Sachhälfte weiter- und zu Ende zu führen, hat dabei auch für die Sinnbildung auf lokaler Textebene Bedeutung. Dies gilt vor allem dann, wenn das dargestellte Geschehen der Bildhälfte selbst erstmal keinen Sinn zu machen scheint und sich auch mit verschiedenen ▪ Leseweisen (Lesetechniken) und/oder ▪ Organisationsstrategien nicht einfach "herbeilesen" lässt.

Kohärenzlücken überwinden

Dies lässt sich auch unter Hinzuziehung des ▪ Construction-Integration-Model, abgekürzt CI-Modell, einem psychologischen Prozessmodell des Textverstehens erklären, das gut verdeutlicht, "wie Vorwissen und Textinhalte im Lesenverstehensprozess zusammenspielen." ((Philipp 2015b, S.217),ebd.)

"Normalerweise" verfügt ein ein Text auf ▪ mikrostruktureller Ebene (Mikro-)Propositionen, welche mit bestimmten Signalen (skripto- und typograhische Signale auf der Sprachoberfläche, mit allen Arten vonKohäsionsmitten, darunter Koreferenzen, ▪ rhetorischen Relationen und mit kausalen, temporalen, adversativen, und additiven Verknüpfungswörtern/Konnektiva) einen Bedeutungszusammenhang, z. B. eine zeitliche Abfolge von Handlungen und/oder ihre kausale Relation, ergeben.

Doch bei modernen literarischen Texten, namentlich auch modernen Parabeln, ist dies eben nicht immer der Fall. Daraus ergibt sich unter Umständen also auch die Notwendigkeit, als Partner des Erzählers auch die Bildhälfte so weiterzuführen, dass sie zu der von einem Leser konstruierten Sachhälfte passt.

Besitzt die Parabel nämlich keine oder nur wenige mikrostrukturelle Signale, "stolpert" man eventuell beim Lesen, weil man diese Kohärenzlücken nicht zu schließen weiß. Damit dies aber nicht zu einer maßgeblichen Beeinträchtigung des Textverstehens führt, muss muss ein Leser, um den Text kognitiv verarbeiten zu können, selbst Kriterien finden, nach denen er die Mikropropositionen ordnet.

Das geschieht mit sogenannten ▪ Makroregeln, die durch Auslassen, Auswählen, Verallgemeinern und Konstruieren bestehende Mikropropositionssequenzen zu Makropropositionen verdichten können. (Christmann 2015, S.172) Meistens kann man allerdings nicht alle "Ungereimtheiten" auf der Mikrostrukturebene auflösen. So kommt es immer wieder vor, dass bei der Herstellung einer Makrostruktur auch Mikropropositionen auf der Strecke bleiben. Sie besitzen eben dann für die Makrostrukturbildung keine Relevanz oder können nicht in den übergeordneten Bedeutungszusammenhang der Makrostruktur gebracht werden. Grundsätzlich beliebig ist allerdings nicht, wie die "Textlöcher" (Linke u. a. 1994, S.226) bzw. "Kohärenzlücken" (Christmann 2015, S.173) geschlossen werden. Sie sollten einen nachweisbaren Textbezug haben, sind in jedem Fall begründungspflichtig und müssen zumindest plausibel gemacht werden.

Die Art der Makropropositionen, die konkrete Gestalt der Makrostruktur und die Frage, wann sie beim Lesen herausgebildet wird, hängt von etlichen textseitigen und leserseitigen Faktoren ab. Das sind z. B.  Art und subjektive Schwierigkeit des Textes, Erwartungen und Ziele des Lesers und sein Wissen unterschiedlichster Art (z. B. Weltwissenaktives Wissen, Erfahrungswissen, Fachwissen, Sprachwissen, Textmusterwissen, thematisches Wissen).

Schwierigkeiten, die beim Textverstehen auftauchen können, weil es einem nicht hinreichend gelingt, existierende Kohärenzlücken in einem Text durch eigenaktive Konstruktion ihres Bedeutungszusammenhangs zu schließen, sind im Übrigen in der Regel auf der Ebene der Makrostruktur weitaus gravierender als bei den Mikropropositionen.

Schafft man es bei den Mikropropositionen auf der lokalen Textebene also hin und wieder nicht, die Bedeutung einzelner Textaussagen zu erschließen, dann ist das nicht so gravierend und muss das Verständnis der ▪ Textbasis nicht unbedingt sehr beeinträchtigen. (vgl. Christmann 2015., S.173) Der "Misserfolg" bei der Mikropropositionsbildung kann aber durchaus Auswirkungen auf die Lesemotivation haben.

Den Freiraum der Sinnkonstruktion plausibel nutzen

Indem die moderne Parabel dem Leser keinen vorgegebenen Sinn anbietet, gewährt sie dem Leser einen viel größeren Freiraum, um zu eigenen Deutungen und Textkonkretisierungen zu gelangen. Die Rolle des Lesers wird in der literarischen Kommunikation also gestärkt.

Auf der anderen Seite bringt sie ihn aber ohne jedes Sinnversprechen auch dahin, das Erzählte, so irritierend, sperrig oder verstörend es auch sein mag, für sich selbst in einem konstruktiven Akt der Sinnfindung aufzulösen, dessen "Ergebnis" von anderen Lesern, abhängig von vielen Faktoren, mal mehr, mal weniger geteilt wird.

Bausteine 
Inferenzbildung beim Lesen kürzerer erzählender Texte

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 01.04.2024

 
 

 
ARBEITSTECHNIKEN und mehr
Arbeits- und ZeitmanagementKreative ArbeitstechnikenTeamarbeit ▪ Portfolio ● Arbeit mit Bildern  Arbeit mit Texten Arbeit mit Film und VideoMündliche KommunikationVisualisierenPräsentationArbeitstechniken für das Internet Sonstige digitale Arbeitstechniken 
 

 
  Creative Commons Lizenzvertrag Dieses Werk ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International License (CC-BY-SA)
Dies gilt für alle Inhalte, sofern sie nicht von
externen Quellen eingebunden werden oder anderweitig gekennzeichnet sind. Autor: Gert Egle/www.teachsam.de
-
CC-Lizenz