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Bausteine
Die Abgrenzung von anderen Textsorten
Die ▪ Parabel ist nicht einfach eine
Textsorte
wie jede andere. Sie lässt sich nicht so ohne weiteres in ein System einordnen
und die Textsorten, die mit ihr als verwandt gelten, sind dies oft so,
dass sie vordergründig eine ausgesprochen hohe Ähnlichkeit mit ihr
besitzen. Und wenn die Entwicklung der modernen Literatur mit
berücksichtigt wird, wird auch schnell klar, dass die Bezeichnung Parabel als Gattungsbegriff zu eng"
geworden ist. (Braak
1969, S.164)
Oft wird die Parabel mit mehr oder minder verwandten Textsorten
wie der
Fabel,
der
Kurzgeschichte, der
Allegorie
oder dem
Gleichnis
in einem Atemzug genannt. Und in der Tat gibt es oft nicht viel und
schon gar nicht in letzter Konsequenz Trennscharfes, was diese
literarischen Formen, die jede auf ihre Weise das "uneigentliche
Sprechen" praktizieren, voneinander unterscheiden. Und für manche
ist die Parabel wie das
Gleichnis
ohnehin
eine übergeordnete Form, die in verschiedenen
Literaturgattungen zu Hause ist.
.
Dennoch gehört die Fähigkeit Parabeln, so weit dies möglich ist, von
anderen vergleichbaren Textsorten abzugrenzen, zur
literarästhetischen Rezeptionskompetenz.
Die Abgrenzung der Parabel von anderen epischen Kleinformen ist
nicht immer klar
Eines der Grundelemente, die Parabeln als Erzähltexte
kennzeichnen, ist die Tatsache, dass das im Wortlaut
Erzählte nicht oder zumindest nicht allein für sich das Gemeinte ist.
Zugleich soll sich eine der vom Text ermöglichten Bedeutungsoptionen
durch Übertragung des Erzählten in einen überwiegend außerhalb des
Textes liegenden Bedeutungsrahmen bzw. Bezugrahmen konstruieren
lassen. (vgl. Der
kleinste gemeinsame Nenner)
Die ▪ Parabel
entzieht sich dabei gewöhnlich "einem
spontanen Leserzugang" (Durzak
1986, S.348), weil ihr "Sinn nicht in der Geschichte selbst, sondern in
dem, was ihr Inhalt bedeutet" (van
Rinsum 1986b, S.14), liegt.
Die
Textsortenverwandtschaft
der Parabel ist, soweit man diesen
Begriff dafür überhaupt verwenden kann, mit der Zeit größer geworden.
Dabei sind die Grenzen
zu anderen
literarischen Textsorten, die wie die Parabel das uneigentliche Sprechen
praktizieren (wie z. B.
Fabel,
Beispielerzählung oder Märchen) durchlässiger und fließender
geworden.
So bewegen sich z. B. die Kurzgeschichte oder die
Novelle
und die Parabel in der modernen Literatur so weit aufeinander zu, dass die
Gattungsgrenzen
im Einzelfall verschwinden, was am Ende aber auch
normative Gattungsbegriffe mit festgeschriebenen Textsortenmerkmalen
in Frage stellt.
Insbesondere bei modernen Parabeln ist
man gut beraten, einzelne Texte am besten als lediglich
Prototypen
zu verstehen, die bestimmte Textsortenmerkmale der Parabel mal mehr oder
weniger allein oder in einer Vermischung mit denen anderer
Textsorten aufweisen.
Parabel und parabolische Dichtung
Brettschneider
(1971) beharrt auf der begrifflichen Unterscheidung von Parabel
und parabolischer Dichtung. Letztere umfasse
größere Formen (z.
B. Drama,
Roman, Novelle), "welche das karge Gerüst der Parabel durch Erweiterung
der Handlung, theatralische Vergegenwärtigung, psychologische Vertiefung
usf. anreichern, doch das Grundelement der Parabel insofern enthalten, als
auch hier das dichterisch Realisierte nicht das Gemeinte selbst ist,
sondern nur darauf hindeutet."
Parabel und Beispielgeschichte
Die Parabel wird hin und wieder auch als Beispielgeschichte
bezeichnet. Allerdings unterscheiden sich beide doch grundlegend.
Die Beispielgeschichte "belegt" nämlich nur etwas, ohne dass das
Erzählte wie bei der Parabel vom Bild- in einen
Sachbereich übertragen werden muss. Eine derartige
"Richtungsänderung des Bedeutens" findet bei der Beispielgeschichte
nicht statt. (Zymner
2006, S.306)
Grundlegendes Unterscheidungsmerkmal von Parabel und Fabel ist
die bei der Fabel konstitutive vollständige Vermenschlichung (Anthropomorphisierung)
der vorwiegend aus der Tierwelt, aber auch aus anderen
nicht-menschlichen Bereichen stammenden Figuren. Dieses Figural (z.
B. der Löwe, der Rabe, der Fuchs, die Eiche, etc.) verhält sich,
denkt und spricht wie selbstverständlich so wie dies sonst nur die
Menschen tun.
Parabel und Gleichnis
Die Parabel ist im Gegensatz zum Gleichnis ein episch-fiktionaler
Text. Das bedeutet, etwas vereinfacht ausgedrückt, dass die
Geschichte, die in einer Parabel erzählt wird, so erzählt ist, als
ob sie in Wirklichkeit stattgefunden hat (Als-ob-Wirklichkeit).
Dabei wird die Geschichte im üblichen Erzähltempus des
Präteritums erzählt.
Das Gleichnis kann man dagegen als
"hypothetisch-fiktional" bezeichnen, weil seine Geschichte "immer
Signale des bloß Erdachten, Vorgestellten auf(weist)" (Zymner
2006, S.306). Der hypothetische Charakter zeigt sich dabei
-
mit ganz
expliziten Formulierungen wie "Nehmen wir mal an ...",
"Angenommen, ...", "Stellen wir uns also einmal vor".
-
häufigem Gebrauch
des Konjunktivs
-
dem Präsens als
"Basistempus" des Erzählens (vgl.
ebd.)
Was die Art des Vergleiches anbetrifft, der einer Parabel bei der
Übertragung vom Bild- in den Sachbereich
und bei einem Gleichnis zugrundeliegt, so weist zumindest ein
bestimmter Typ des Gleichnisses große
Ähnlichkeit
auf.
Parabel und Kurzgeschichte
Eine Parabel ist ein vergleichsweise kurzer episch-fiktionaler
Text wie es auch die ▪
Kurzgeschichte ist.
Der entscheidende Unterschied der beiden Textsorten ist dabei
wohl, dass eine kurze Geschichte erst dann
zur Parabel wird, wenn
-
das im Wortlaut
Erzählte nicht oder zumindest nicht allein für sich das Gemeinte ist
-
eine der vom Text ermöglichten
Bedeutungsoptionen durch Übertragung des Erzählten in einen
überwiegend außerhalb des Textes liegenden Bedeutungsrahmen bzw.
Bezugrahmen konstruieren lässt.
Das ist im Idealfall bei einer Kurzgeschichte anders. Ihr Sinn
ergibt sich nicht auf dem Weg eines abstrahierenden
Analogieschlusses auf etwas, das aus der Geschichte, dem
Bildbereich, auf etwas anderes, außerhalb der erzählten Geschichte
Liegendes, dem Sachbereich, verweist. Diese Doppelstruktur und der
entsprechende Verweisungszusammenhang von Bild-
und Sachbereich ist kein konstitutives Merkmal der
Kurzgeschichte.
Bei der Kurzgeschichte ist die Reflexion über das Geschehen
quasi im Erzählten selbst realisiert. Während die Parabel durchaus
von den Elementen darstellbarer Wirklichkeit abstrahieren kann,
richtet sich der Fokus der Kurzgeschichte auf diese Wirklichkeit,
die sie auf ihre Weise verdichtet. Während die Parabel auf der
Grundlage ihrer Tendenz von der Wirklichkeit zu abstrahieren, über
Raum und Zeit vergleichsweise frei verfügen kann, bleibt die
Kurzgeschichte "an einen bestimmten Augenblick, eine spezifische
Situation, ein zentrales Ereignis gebunden"
Durzak
(1986, S.348f.).
In der modernen Literatur sind die Gattungsgrenzen im
Allgemeinen, aber auch im Fall von Parabel und Kurzgeschichte aber
sehr durchlässig geworden, so dass eine klare Abgrenzung
zwischen beiden zum Teil kaum mehr gelingt.
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Bausteine
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.10.2020
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