Es ist eine der ▪
strittigen Fragen der
Literaturdidaktik, wie ▪
Gattungswissen erworben werden
soll und welche Bedeutung es im Umgang mit Literatur haben sollte.
Dabei wird allgemein, auch unter dem
Einfluss ▪
kognitionspsychologischer Erkenntnisse zur Sinnkonstruktion beim ▪
Lesen und
Textverstehen akzeptiert, dass
vorhandenes Gattungswissen die
Bildung von Inferenzen fördert. Wer also darüber verfügt, kann Vorteile
bei der Bedeutungserzeugung und bei der mentalen Repräsentation haben.
Was allerdings dabei am besten repräsentiert werden kann und welche
Rolle dies für das Verstehen spielt, wird vom ▪
wissenschaftsorientierten
Ansatz der klassischen Gattungsdidaktik und der eher an der
ästhetischen Erfahrung des Leser ansetzenden ▪ "Prototypendidaktik"
unterschiedlich gesehen und bewertet.
Aus diesem Grund
empfiehlt sich im schulischen Unterricht ▪
ein flexibler und pragmatischer Umgang jenseits der "reinen"
Lehre, der sich an den Prinzipien der
didaktischen Reduktion zu orientieren versucht. Schließlich
können beide
Konzepte izum Erwerb ▪
literarischer Kompetenz,
insbesondere zur ▪
literarästhetischen
Rezeptionskompetenz, beitragen.
Da Parabeln aus
verschiedenen Gründen erst in der späten Sekundarstufe I und in der
Sekundarstufe II Gegenstand des Literaturunterricht werden,
haben die Schülerinnen und Schüler gewöhnlich schon vielseitige
Leseerfahrungen in und außerhalb unterrichtlicher Lernprozesse
gemacht. Dementsprechend fließen deren Ergebnisse und mentalen
Repräsentationen auch in ihre Rezeption und die Arbeit mit Parabeln
im Unterricht ein.
Dabei ist es
zunächst einmal unwichtig, ob das dabei erworbene (Gattungs-)Wissen
im ▪
Handlungsfeld Literatur
an mehr oder weniger ▪
abstrakte Merkmalkataloge gebunden worden ist und/oder ein
Wissen darstellt, das in einem System
gut begründeter Lernprogression mit ▪
vielfältigen
Leseerfahrungen verknüpft ist. Solche Leseerfahrungen können in
einem ganzheitlichen Ansatz, der
Begriffliches,
Exemplarisches und Imaginatives im Umgang mit literarischen
Formen uneigentlichen Sprechens gleichzeitig mental repräsentieren
will, z. B. im Umgang mit ▪ Fabeln
oder ▪ Gleichnissen gemacht
worden sein. An sie können die im Anschluss folgenden
unterrichtlichen Lehr- und Lernprozesse anknüpfen und sie dabei ggf.
modifizieren.
Es gibt ▪
unterschiedliche Gründe, weshalb von den Vertretern der
so genannten ▪ "Prototypendidaktik"
(z. B.
Spinner 2006,
Köster 2015)
ein Vorgehen beim Erwerb von Gattungswissen über den Vergleich
unterschiedlicher Texte, die zur weiteren
Textsortenverwandschaft zählen, und über das eigenständige
Generieren von
(Familien-)Ähnlichkeiten bevorzugt wird.
Neben anderen sind
es motivationale Aspekte eines solchen Vorgehens, die auch
Kaspar
H. Spinner (2006) in seinem ▪
Konzept literarischen
Lernens betont. Dabei wird allerdings oft das ▪
Zerrbild einer methodischen Praxis im Literaturunterricht
von den Anhängern dieses Ansatzes aufgerufen, um die
so genannte ▪ "Merkmals-Nachweis-Didaktik"
(
(Leubner/Saupe/Richter 2016) zu diskreditieren.
Dass das dabei an
etlichen und mannigfachen Beispielen (wie viele Parabeln werden im
Unterricht eigentlich behandelt?) am Ende auch mit mehr oder weniger
normativen Merkmalslisten oder Zusammenstellungen von verschiedenen
Merkmalsaspekten abgeglichen werden kann, steht dem eigenständigen Generieren ohnehin nicht
grundsätzlich entgegen, zumal solche Merkmalzusammenstellungen eben
ein ▪
großes Transferpotenzial besitzen und ein ▪
flexibler Umgang mit ihnen gerade auch im Literaturunterricht zu
erlernen ist.
Entscheidungen darüber,
ob ein konkreter Text ein wirklicher "guter Vertreter" (Köster
2015.,
S.66) für die über das Prinzip der Familienähnlichkeit gebildete
Gruppe ist oder ob er den anderen Familienmitgliedern nur mehr oder
weniger entspricht, sind jedenfalls, so sehen es die Vertreter der
Prototypendidaktik, für das Verstehen von literarischen Texten allemal
relevanter und gehen zudem mit einer deutlichen höheren kognitiven
Aktivierung einher
(vgl. ebd.).
Vorausgesetzt: die behandelten Texte treffen in einem insgesamt
förderlichen Lernklima (vgl. auch ▪
Scaffolding) auf das Interesse und die
volitionale Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler, weil sie
"einen deutlichen Bezug zur Lebenswelt der Schüler haben oder aber ein
großes Lustversprechen enthalten" (ebd.)
Im Übrigen sind
Entscheidungen, die hinsichtlich "guter Vertreter" zu treffen sind,
keineswegs (sozial) beliebig. Auch solche globalen Ähnlichkeitsentscheidungen
müssen begründet werden, wenn sie in der Kommunikation über literarische
Texte Bestand haben wollen. (vgl.
ebd., S.64)