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Methoden des Literaturunterrichts

Vorlesen durch die Lehrperson

 
FAChbereich Deutsch
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Themabereich: Lesen
Stilles Lesen
Lesekompetenz
arbeitstechnik lesen

Einzelne Lesetechniken und Lesestrategien (Auswahl)
Grundlegende Lesetechniken für Schule und Unterricht

Das Vorlesen eines literarischen Textes durch die Lehrperson gehört zu den ▪ Methoden des Literaturunterrichts. Als Mittel der Leseförderung kann dieses leseanimierende Verfahren drei verschiedenen Inszenierungsmustern im Literaturunterricht, besonders in der Grund- und Orientierungsstufe (Klassen 1-5), folgen. Es kann eigenständiges Element ohne weitere Einbindung in einen erarbeitenden Unterrichtszusammenhang (z.B. in speziellen Vorlesestunden oder in bestimmten Vorleseritualen zum Unterrichtsbeginn in der Grundschule) sein, kann als Einstieg in die weitere Lektüre eines Textes dienen oder gewissermaßen Endpunkt der Beschäftigung mit einem Text sein. (vgl. Spinner 2010, S.195)

Das Vorlesen durch eine Lehrperson steht dabei stets unter den Bedingungen der allgemeinen Gestaltung der Lehrer-Schüler-Interaktion im Unterricht. Natürlich wird damit, ob man dies intendiert oder nicht, eine in gewisser Hinsicht autoritative Lesesituation geschaffen, indem den Schülerinnen und Schülern damit eine bestimmte Interpretation eines Textes "vorgesetzt" wird. Didaktisch gesehen gibt es aber eine hinreichende Zahl von Mitteln bei der Gestaltung der Interaktionsprozesse während des Vorlesens lernstrategischen Orientierungen entgegenwirken, die auf einer ▪ sozialen Abhängigkeitsorientierung beruhen.

Ergebnisse von neueren empirischen Vorlesestudien

In einer umfangreichen Studie unter Leitung von Jürgen Belgrad an der PH Weingarten (2010) (u. a. Belgrad, Jürgen und Christin Klippstein 2015) mit mehr als 10.000 Schülerinnen und Schülern der Klassenstufen 2 bis 8 wurde untersucht, wie sich Vorlesen auf die die basale Lesekompetenz auswirkt. Dabei wurde festgestellt, "dass sich die Lesekompetenz der Schüler signifikant verbessert, wenn die Lehrerin oder der Lehrer regelmäßig drei- bis viermal in der Woche 10 bis 15 Minuten lang im Unterricht vorliest.[...] Ein weiterer wichtiger Effekt des regelmäßigen Vorlesens ließ sich anhand der Studienergebnisse nachweisen: Die teilnehmenden Schüler gewannen deutlich mehr Lust am Vorlesen und viele wollten danach sogar selber lesen (Steigerung von 47% auf 57%). Jungen profitierten vom Vorlesen fast genauso stark wie Mädchen. Die Wissenschaftler empfehlen, regelmäßige Vorlesezeiten sowohl in der Primar- als auch in der Sekundarstufe im Curriculum zu etablieren. Neben der Verbesserung der basalen Lesefähigkeit und des grundlegenden Textverstehens kann damit auch eine Verbesserung des Klassenklimas und der Arbeitsatmosphäre erreicht werden." (https://www.lesen-in-deutschland.de/html/content.php?object=materialien&lid=5085 , abgerufen am 5.4.2022)


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Aber nicht nur für die ▪ Lesekompetenz ist das Vorlesen förderlich sondern auch für die Schreibkompetenz.

Insgesamt liefern die Vorlesestudien u. a. eindeutige Hinweise darauf (vgl. Karabacey 2021, S.722)

  • dass Vorlesen und späterer Schulerfolg eng zusammenhängen

  • dass Kinder, denen zu Hause und in der Schule vorgelesen wurde, besonders gern zur Schule gehen

  • dass Wissbegierde, Freude und Ausdauer beim Lernen gefördert werden

  • dass Kinder, denen häufig und vielfältige Stoffe vorgelesen wurden, einen weiteren Horizont entwickeln

  • dass sie besonders gern mit anderen zusammen sind und für diese meistens mehr als nur Spielkameraden sind

  • dass Vorlesen gerade sozial isolierten Kindern hilft

  • dass Vorlesen einen wichtigen Beitrag zur emotionalen Stärke und zur sozialen Kompetenz leist und damit  Kinder in ihrer persönlichen Entwicklung und beim Aufbau sozialer Beziehungen stärkt

  • dass Kindern, denen vorgelesen wurde, sich als besonders zupackend und engagiert erweisen und bereits gesellschaftliche Verantwortung mit einem Gefühl für das gesellschaftliches Miteinander zeigen

Als "Lernmedium" kann und muss das gesamte (Unterrichts-)Setting beim Vorlesen durch die Lehrperson interaktiv gestaltet werden, damit das Interaktionsformat Vorlesen "den Stellenwert eines Sprachlernsettings, das Kinder im Spracherwerb vielseitig unterstützt, ihre kognitive Entwicklung von frühen Kindheitsjahren an fördert, literarische Fähigkeiten anbahnt und den Schriftspracherwerb vorbereitet. [...] Der Vorleser, das Kind und das Buch stehen dabei in einer Wechselbeziehung zueinander, die den kontextuellen Rahmen der Situation bestimmt." (Gressnich/Müller/Stark 2015, S.7, zit. n. Karabacey 2021, S.719)

Funktionen des Vorlesens

Nach Belgrad/Klippstein (2015) besitzt das Vorlesen sechs verschiedene Funktionen:

  • Die kulturelle Funktion des Vorlesens besteht daran, dass beim Vorlesen kulturelle und literarische Traditionen vermittelt werden und dass "konzeptionelle Schriftlichkeit im Medium des Mündlichen“ erfahren werden kann. (vgl. ebd., S.181f.)

  • Die literarisch-ästhetische Funktion besteht in der Art der intensiven Auseinadersetzung mit der fiktionalen Welt, z. B. ihrer Räume und der agierenden literarischen Figuren. Dabei können die Lehrpersonen auch die Rolle von Lesevorbildern einnehmen und Lesemodelle repräsentieren, an denen sich die zuhörenden Schüler*innen orientieren können. für Lernende sein können, an denen sich diese orientieren können  (vgl. ebd., S.182)

  • Das Zuhören als Rezeptionsmodus bestimmt die kognitive Funktion des Vorlesens, die darin besteht, das Zuhören selbst zu fördern, Verstehensprozesse über das "bloße" Zuhören in Gang zu setzen und innere Vorstellungsbilder zu erzeugen. (vgl. ebd.)

  • Die emotionale Funktion des Vorlesens besteht in seiner Schaffung einer Leseatmosphäre in einem rundum positiven Leseklima, das auch für weitere Lektüreerlebnisse genutzt werden kann. So kann dabei nicht nur eine affektive Begeisterung für das jeweils Vorgelesene entstehen, sondern auch Muster und Schemata entwickelt werden, mit denen z. B  Einfühlungsprozesse in literarische Figuren unterstützt werden, die auch eine Übernahme emotionaler Haltungen der Figuren aus deren Perspektive ermöglichen kann. (vgl. ebd., S.183)

  • Die kommunikative Funktion besteht in dem Anregung zur Anschlusskommunikation, die sie während und nach dem Vorlesen ergeben kann. Indem die zuhörenden Schüler*innen ermuntert werden, über das Vorgelesene zu sprechen und ihre Rezeptionseindrücke auszutauschen, denken sie über das Gehörte nach.  Im Hinblick auf die Gespräche im Zusammenhang mit dem Vorlesen wird Folgendes ausgeführt: Diese Form des ▪ offenen literarischen Gesprächs kann die Motivation und volitionale Bereitschaft für das Lesen literarischer Texte steigern. Zugleich stärkt es die mündlichen Kommunikationsfähigkeiten beim Verbalisieren subjektiver, spontaner, intuitiv-emotionaler Erfahrungen im Umgang mit literarischen Texten in der Gruppe. Dabei können im Gespräch mit anderen eventuelle Leerstellen gefüllt werden und Unklares geklärt werden. Außerdem kann das Vorlesen sprachliche Korrektheit bei Aussprache, Intonation und Grammatik verdeutlichen. (vgl. ebd.)

  • Die reflexive//reflektive Funktion erweist sich in der Auseinandersetzung mit den Erfahrungen und Lebensentwürfen von Figuren, die auf die eigene Lebenswelt und -wirklichkeit bezogen werden können. (vgl. ebd.)

Vorlesen als Einstieg entlastet das Verstehen auf Seiten der zuhörenden Schülerinnen und Schüler

Wenn es gut gemacht ist, ermöglicht das sinnakzentuierende, deutende und/oder szenische Vortragen durch die Lehrperson den zuhörenden Schülerinnen und Schülern oftmals eine "intensive Texterfahrung" (vgl. Spinner 2010, S.195), die ihnen sonst oft, auch angesichts fehlender Vorleskultur im Elternhaus, verwehrt bleibt. Oftmals ist dies angesichts der Tatsache, dass Schülerinnen und Schüler oft in der Grundschule deutliche Mängel bei der ▪ Lesekompetenz aufweisen, ein didaktisch sinnvoller Weg, ihnen Zugänge zu komplexeren Texten zu ermöglichen. Gerade für Jungen, die gewöhnlich signifikant weniger lesen als Mädchen und sich schon früh digitalen Medien zuwenden, Kinder aus den bildungsfernen Sozialschichten und Kinder mit Migrationshintergrund kann das Vorlesen daher eine Hilfe sein und die Lust am Lesen stärken.

Zugleich ist es aber durch die suprasegmentalen Elemente der Sprache beim lauten (Vor-)Lesen (z. B. Ton, Intonation, Akzent und Akzentstruktur, zeitliche Dauer lautsprachlicher Äußerungen, Pausen, Sprechtempo, Sprechausdruck) (Prosodie, paraverbale Merkmale) aber auch vom einzelnen Zuhörer abhängige Rezeptionslenkung der Zuhörer *innen, den mit dieser Textinszenierung eine bestimmte Deutung bzw. Deutungsrichtung nahegelegt bzw. suggeriert wird. Hier den Ausgleich zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Schülern, der beiden gerecht werden kann, ist Aufgabe der Differenzierung im Unterricht, die das Vorlesen durch die Lehrperson oder auch mit entsprechenden Tonträgern dann eher für das untere und ggf. mittlere Kompetenzniveau von Schülerinnen und Schülern vorsehen könnte.

Die Interaktionsstruktur beim Vorlesen gestalten

Damit das Vorlesen durch eine Lehrperson möglichst viele der oben genannten Wirkungen erzielen kann, muss, wie schon erwähnt, das Vorlesen durch die Lehrperson interaktiv gestaltet werden, zusammengestellt.

Eine ganze Reihe von Anregungen und Tipps hat in diesem Zusammenhang Claus Claussen (2006). So schlägt er unter anderem vor, beim Vorlesen langsam vorzugehen, Wiederholungen einzubauen, zwischen Vorlesen und freiem Erzählen zu wechseln, die Intonation zu variieren und bestimmte Figuren stimmlich verschieden zu gestalten und beim Vorlesen auch das Involvement mit eigenen Emotionen sichtbar werden zu lassen.

Grundsätzlich kann das Vorlesen von erzählenden Texten "durch kurze Gesprächseinlagen unterbrochen werden, die die Imagination und das Mit- und Nachdenken der Schülerinnen und Schüler im Sinne einer verzögerten Rezeption anregen sollen" (Spinner 2010, S.196)

Zur Interaktionssteuerung bei "Vorlesegesprächen" kann man nach Spinner (2004, 2010, S.197) u. a. die folgenden Impulse einsetzen:

  • Antizipation: Die Schülerinnen und Schüler sollen darüber nachdenken, wie die Geschichte weitergehen könnte.

  • Aktivierung von eigenen Erfahrungen (individuelles (Vor-)Wissen) zu ähnlichen bzw. vergleichbaren Gefühlen und Situationen etc., die die Schüler*innen selbst erlebt haben.

  • Anregung zur Perspektivenübernahme als Aufforderungen und oder Fragen, sich in eine Figur, deren Perspektive und Gefühle hineinzuversetzen.

  • Reflexion des Verhaltens einer Figur als Überlegungen, mit denen die Schüler*innen z. B. zum Verhalten einer Figur kritisch Stellung beziehen und oder über deren und prinzipiell andere Handlungsoptionen nachzudenken.

  • Interpretationen können mit geeigneten textbezogen Interpretationsfragen helfen, bestimmte Textstellen durch andere Textstellen zu erhellen, z.B. wenn aus dem vorangegangenen Textzusammenhang eine Begründung für das Verhalten einer Figur erschlossen werden soll. Solche Fragen dienen der Herstellung von Textkohärenz beim Verstehen des Texts.

"Tonkonserven" können das Vorlesen durch die Lehrperson grundsätzlich nicht ersetzen

Der technologische Wandel brachte es mit sich, dass das Vorlesen, wie es früher im Kreis der Familie oder in der Schule praktiziert worden ist, durch Tonträger übernommen werden konnte, auf denen ein oder mehrere Sprecher den Text vorlesen.

In der Hörbuch-Welle, die seit etwa zwei Jahrzehnten zu beobachten ist, hat diese Entwicklung mit der Nutzung mobiler Geräte zum Abspielen derartiger Tondokumente seinen klaren Ausdruck gewonnen. Aber auch in selbstproduzierten Audio- und Videopodcasts melden sich heute auf verschiedenen Plattformen im Internet Sprecher und Sprecherinnen zu Wort, die beim Vorlesen eines Textes, dessen Urheberrecht aber auch bei solchen Veröffentlichungen zu beachten ist, unterschiedliche Mittel zur sprechgestaltenden und kombiniert damit visuellen Inszenierung der Texte nutzen.

Oft sind solche Produkte auch wirklich gut gemacht und können, insbesondere dann, wenn eine Lehrperson selbst sich bei der Inszenierung des Vorlesens als "Lernmedium" schwer tut, durchaus ein gewisser Ersatz für das persönliche Vorlesen, indem sie die vor allem schwächeren Schülerinnen und Schüler bei der Bedeutungskonstruktion entlasten. Die Präsentation derartiger professioneller oder semiprofessioneller akustischen Inszenierungen von Texten als Rezitationen können aber die besondere Interaktions- und Kommunikationsstruktur, die beim Vorlesen durch eine vorlesende Lehrperson nicht ersetzen, die schließlich über den akustischen Kanal hinweg beim Vorlesen auch auf andere Weise kommuniziert (z. B. Blickkontakt mit den Zuhörer*innen, Mimik und Gestik) und damit zum Lesevorbild werden kann.

Und doch gibt es professionelle Rezitationen, die in Klassenstufen, in denen das Vorlesen durch die Lehrperson - sieht man einmal von einigen Selbstdarstellern als Lehrpersonen ab - eigentlich so gut gemacht sind, dass man sie Schülerinnen und Schülern nicht unbedingt vorenthalten muss. Zu denken ist z. B. an die "legendären" Rezitationen von ▪ Balladen, mit denen der dafür vielfach ausgezeichnete »Gert Westphal (1920-2002) ganze Schülergenerationen überraschen und begeistern konnte und dem hier mit seiner Rezitation von »Gottfried August Bürgers (1747-1794) »Lenore am Ende ein - persönliches - Denkmal gesetzt werden soll. (z.B. »Gert Westphal liest: Die schönsten deutschen Balladen: CD Standard Audio Format, Lesung Audio CD – CD, 11. Juni 2018)

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Einzelne Lesetechniken und Lesestrategien (Auswahl)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 24.12.2023

   
 

 
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