Begriffswirrwarr Textwiedergabe
Im Zusammenhang mit der
▪
Textwiedergabe
kursieren in der Fachdidaktik, in der ▪
Schreibdidaktik und der
▪ Linguistik
mittlerweile zahlreiche begriffliche Konzepte.
Und auch in ▪
Operatorenkatalogen stehen begriffliche Konzepte
wie das Zusammenfassen und das Wiedergeben eines Textes entweder
friedlich nebeneinander und werden weitgehend synonym verwendet
oder werden gegeneinander abgegrenzt. ( ▪
Zusammenfassen
eines Textes als Schreibaufgabe)
In absehbarer Zukunft, so scheint es,
kann nicht erwartet werden, dass sich hier begriffliche und konzeptionelle
Eindeutigkeit herstellen lässt.
Die Ursachen sind nicht nur disziplinär unterschiedliche
Perspektiven auf den Gegenstand, sondern auch grundsätzliche
Positionen zum normativen Charakter entsprechender
Zuschreibungen für Texte dieser Art.
DIN-Normen sind kein Muster für schulische Textwiedergaben
DIN-Normen, wie die ▪
DIN
1426, die ▪
Formen der Inhaltsangabe
für Wissenschaft und Dokumentation normativ standardisieren sollen,
haben mit der Inhaltsangabe als schulische
Schreibform begreiflicherweise nur
bedingt etwas zu tun.
Denn während jene die wesentlichen Gedankengänge und
Schlussfolgerungen so darlegen soll, dass sie "unabhängig vom Dokument
selber nicht voll verständlich sein" müssen (vgl.
Neveling/Wersig
1975, S. 88, zit. n.
Kretzenbacher (1990, S. 21f.), soll die Inhaltsangabe in der Schule
einem Leser,
"der den Primärtext nicht oder nur unzureichend kennt, eine möglichst
genaue Textkenntnis [...] vermitteln."
(Steets 2007,
S.84ff.)

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Textwiedergabe als Oberbegriff
Trägt man einmal die
Textsorten zusammen, die in der Schule bei der inhaltlichen Wiedergabe
von Texten von Bedeutung sind, dann fällt dabei zunächst einmal auf, dass
darunter eine Vielzahl von Textsorten bzw.
Schreibaufgaben
fallen, die gemeinhin nicht gerne in einen Topf geworfen werden.
Dies gilt
insbesondere für die
▪
Nacherzählung
und die
▪
Inhaltsangabe.
Aber auch andere Formen wie z. B. das
▪
Inhaltsverzeichnis, der
▪
Konspekt oder auch ein
▪
Thesenpapier etc. sind vielen
nicht nur ihrer Funktion nach, sondern auch aufgrund ihres
Textmusters viel
zu verschieden, als dass sie unter einem gemeinsamen Oberbegriff
zusammengefasst werden könnten.
Ob man den Begriff Textwiedergabe als Ober-
oder als bloßen Sammelbegriff versteht, soll an dieser Stelle nicht von
Belang sein. Wir verstehen ihn jedenfalls ähnlich wie den Begriff der
Rekapitulation, der
von
Kretzenbacher (1990, S.2) für
jede Art von
"zusammenfassender (kondensierender) Textreproduktion" verwendet wird.
Zusammenfassung als Konkurrenzbegriff zu Textwiedergabe
In gleicher Bedeutung konkurriert der Begriff freilich mit dem der
Zusammenfassung. (vgl.
Moll 2002, S.
105, vgl.
Becker-Mrotzek/Böttcher
2011, S.171)
Da aber der Begriff Zusammenfassung "auch als Terminus
für einen Teiltext" verwendet wird, "der eine vorangegangene Darstellung
noch einmal zusammenfasst" (ebd.),
wofür häufig auch der Begriff Resümee verwendet wird,
ist auch hier die Begriffsbildung nicht eindeutig.
Auch
Fritzsche (2005,
S.27) verwendet den Begriff in einem engeren Sinne für die Wiedergabe von
Sachtexten, während er weiterhin den Begriff Inhaltsangabe für die
Wiedergabe von literarischen Texten bevorzugt. Dementsprechend definiert er
den Begriff der (Text-)Zusammenfassung wie folgt:
"Die Textzusammenfassung
ist je nach Vorlage ein teils darstellender, teils argumentativ-erklärender
Text in sachlicher Sprache ohne Wertungen."
Dabei gebe es auch
Textmuster der Zusammenfassung, die eben "keine klar definierte Textsorte"
darstellten (ebd., S.27). Sie seien einfach "unterschiedliche Spielarten"
der Schreibaufgabe, die vor allem vom Publikationsort und dem Verwendungszweck der Zusammenfassung
abhingen (vgl.
ebd.).
Zu ihren typischen Merkmalen zählten
über die
sachliche Sprache ohne Wertungen hinaus weiter: Präsens,
mäßiger und
nur wirklich begründeter
Zitatgebrauch, Innenperspektive, d.h. Wiedergabe des Inhalts aus der Sicht
des Verfassers der Vorlage, (aber auch Außenperspektive
nach dem Muster "Der Verfasser meint ..." möglich).
Wir halten hier auf der teachSam-Webseite am
Begriff der Textwiedergabe fest, wobei wir einen erweiterten Textbegriff
zugrunde legen.
Dabei wird der Begriff mit dem der Zusammenfassung "als
Oberbegriff für alle Arten von zusammenfassenden Texten" (ebd.)
weitgehend synonym verwendet.
Vereinfacht gesagt, geht es bei der Textwiedergabe darum: Ein Ausgangstext,
auch
Primärtext genannt, wird in einem Zweittext,
Sekundärtext
genannt, zusammengefasst. Dabei bedeutet Zusammenfassen, dass die
Informationen des Ausgangstextes verdichtet werden. Dies geschieht bei allen
Formen der Textwiedergabe in unterschiedlicher Art und Weise.
( ▪
Das Kürzungspotential von Texten:
Sachgehaltsdichte und Textkondensationsstrategien)
Die Textfunktion als Leitkriterium
Die
▪
Textfunktion
wird häufig herangezogen, um die verschiedenen Formen der Textwiedergabe
voneinander abzugrenzen.
Dabei besteht aber darüber, gerade was deren
schulische Formen anbelangt, keineswegs
Einigkeit.
So lässt sich z. B. die ▪
Inhaltsangabe
als Schreibform/Schreibaufgabe durch die ihr als dominierend
zugeschriebene informative Funktion von der
▪
Nacherzählung
(z. B.
Mettenleitner 1988, S.108-125) abgrenzen, um vor allem den
sachlichen-informativen Stil der Inhaltsangabe herauszuarbeiten.
Strukturelle Koppelung vertieften Textverständnisses mit der
intersubjektiven Vermittlung der Ergebnisse
Nichtzuletzt diese "Verschriftlichungsnormen (...) wie etwa die Verwendung
des Sachstils und des Präsens"
(ISB
(Hg.), Neues Schreiben, Bd.2, 2. Aufl. 2010, S.337) heben die
Inhaltsangabe von der Nacherzählung ab.
Sie gründen auf ihrer "Zielsetzung
'Information über einen Text'", welche zwei Schreibziele miteinander
strukturell koppelt: Das Gewinnen
eines vertieften Verständnisses des zu untersuchenden Primärtexts und die
intersubjektive Vermittlung der Ergebnisse der inhaltlichen Erschließung des
Textes.
Diese strukturelle Koppelung betrifft im Grunde genommen alle
schulischen Schreibaufgaben zur Textwiedergabe in der Schule wie z. B.
Inhaltsangabe,
Abstract,
strukturierte
Textwiedergabe.
Spielarten und Verwendungsweisen von Inhaltsangaben (Fritzsche
1994)
Fritzsche
(1994, S. 148f.) sieht hingegen drei verschiedene
▪
"Spielarten
und Verwendungsweisen" der Inhaltsangabe und unterscheidet sie aufgrund
der jeweils dominierenden Textfunktion von einander: Die
▪
argumentative
Inhaltsangabe, die
▪
informierende
(berichtende) Inhaltsangabe und und die
▪
appellierende
und wertende Inhaltsangabe.
Die Primärtextsorte als Leitkriterium
Häufig werden die verschiedenen Formen der Textwiedergabe auch nach der
Textsorte klassifiziert.
-
So bezieht
Fritzsche (1974,
S.148ff.) die Schreibaufgabe Inhaltsangabe allein auf
literarische Texte (2005,
S.27) und
spricht davon, dass "der Inhaltsangabe meistens ein literarischer Text
zugrunde liegt." (Hervorh. d. Verf.).
-
Ähnlichen Überlegungen scheinen auch
Becker-Mrotzek/Böttcher
(2011, S.171) zu folgen, die ebenfalls behaupten, dass der Begriff
"Inhaltsangabe" in der Schule vor allem auf literarische Texte angewendet
werde.
-
Für Inhaltsangaben anderer Texte findet sich hin und wieder auch der
Begriff der sachbezogenen
Inhaltsangabe.
Sachtextwiedergaben als Zusammenfassungen
Sach-, Fach- und
Gebrauchstexte, also nichtliterarische Texte, so
Fritzsche (2005,
S.27), seien als "Zusammenfassungen"
zu bezeichnen, da in ihnen, so seine Begründung, weder ein Handlungsgang
rekonstruiert, noch Motive von Figuren genannt würden, sondern stattdessen
"der Sachzusammenhang erklärt oder der rote Faden einer Argumentation
wiedergegeben" würde.
Becker-Mrotzek/Böttcher
(2011, S.171) schlagen für die Inhaltsangabe von
expositorischen
Texten (Gebrauchstexten) vor, den Begriff Exzerpt
zu verwenden.
Dabei
haben sie indessen nicht das geschlossene Textmuster für das Schreiben von
Inhaltsangaben in der Schule vor Augen, sondern lassen je nach konkreter
Funktion unterschiedliche textliche Gestaltungen zu, die von reinen
Stichwortlisten, über zitierte oder paraphrasierte Kernstellen und
zusammenfassenden Notizen bis zu ausformulierten Texten mit Angabe von
Quellen usw. reichen.
Fix (2006/2008,
S. 101) hebt unter schreibdidaktischem Aspekt den grundlegenden
Unterschied zwischen dem Angeben
von Inhalten und ihrem Zusammenfassen hervor. Während es beim ersten darum
gehe, den Ausgangstext (Primärtext) mit eigenen Worten wiederzugeben,
bedeute "Zusammenfassen (...) Kürzen des vorhandenen Textes, ohne ihn zu
verändern."
Gert Egle. zuletzt bearbeitet am:
07.07.2024
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