Neue
Zürcher Zeitung (1982)
Wovon handeln die Geschichten? Es sind die Ereignisse des
Alltags, die scharf beobachtet und in direkter Sprache, ohne überflüssige
Schnörkeleien oder gar Gefühlsdusel wiedergegeben sind; eine Kuh muss
geschlachtet werden, ein Bauer wird beim Schnapsbrennen erwischt und nimmt
unverhältnismäßige Rache an den zwei Steuereintreibern eine alte Frau führt
in eiskalter Nacht ihr Ziege zum Bock, um sie decken zu lassen, ein Junge
erlebt die Saumetzgete zu Hause und wird vom Großvater in die
Familientradition eingeweiht. Die Texte werden immer ausgedehnter, und der
letzte im Buch ist gar dreiteilig. Er handelt vom seltsamen Leben der Lucie
Chabrol, einer Zwergin, die sich außerhalb der Dorfgemeinschaft stellt und
von dieser systematisch zugrunde gerichtet wird.
Diese letzte Geschichte zeigt exemplarisch, worum es dem Verfasser geht.
Sein Ziel ist nicht nur, „Bauerngeschichten“ aufzuschreiben, sondern er
versucht, die letzten Augenblicke des in seinen Augen zum Tode verurteilten
Bauernstandes festzuhalten. So zeichnet er scharf den konservativen
Altbauern, der sich gegen einen Traktor (und damit die Mechanisierung) auf
seinem Hof wehrt – im Gegensatz zu den verschwommenen Söhnen, denen es an
Persönlichkeit fehlt. Tragisch und unabwendbar erscheint das Schicksal der
Bauern auf dieser Welt, die in ihrer Gesamtheit der Industrialisierung zum
Opfer fallen. Der Argwohn des Bauern steht stellvertretend für die Angst des
Menschen, sich selber auf dem Altar des Fortschrittes geopfert zu haben.
Gibt es noch ein Zurück? Die Geschichten scheinen es zu verneinen. Trotz
grimmigem Humor enden sie alle mit Zerstörung und Vernichtung, mit Untergang
von Mensch und Tier. Nicht ein Zurück in eine nostalgische Natur wird als
Ausweg angetönt, wohl aber ein Sich-Bewusstmachen, dass mit der Eliminierung
des Bauerntums auch die Hoffnungen auf wachsende Menschlichkeit in dieser
Welt ausradiert werden. [...]
Neue Zürcher Zeitung 18.5.1982
»(aus der
Pressemappe des Hanser-Verlages zum Autor, 23.09.02)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
16.03.2020