Beide sind Nebenfiguren
in der ▪
Figurenkonstellation
des Dramas; die Tatsache, dass beide eine ganz
unterschiedliche Deutung der Lage und eine völlig kontroverse
Charakterisierung Maria Stuarts vornehmen (Hanna spricht von der "Jammervolle(n)",
V 25 und "Unglücksselige(n)"
V,86 und Paulet hingegen von der "unheilbrütend Listige(n)", V, 132
und der "ränkevollen
Königin", V.141);
Diese Dramaturgie
unterschiedlicher Deutungsperspektiven, die den Zuschauer immer
wieder vor die Aufgabe stellen, sich ein eigenes Bild von den
Ereignissen zu machen, ist auch im Kontext der
"Spannungserzeugung" zu sehen und zeigt auch, mit wie Schiller "die
Strategie des Überraschens, Überrumpelns und der dramatischen
Täuschung zur Meisterschaft aus(bildet)." (Sautermeister
1992/2005, S.286). Dies wird sichtbar, wenn der Zuschauer z. B.
in der nachfolgenden Szene ▪
I,2
beim erstmaligen Auftreten ▪
Maria Stuarts erkennt, dass Hanna eigentlich "ungebührlich
parteiisch, fast schwärmerisch" (Vonhoff
2005, S.161) in ihrem Urteil ist und Paulet, sich nicht wie zu
Beginn beim Aufbrechen von Marias Pult, als brutal oder skrupellos
herausstellt, sondern als durchaus verständig in einer Weise, dass
er auch von Maria als "Sachwalter" akzeptiert wird. (vgl.
ebd.)
Und: "Anders als Paulet mutmaßte, betritt Maria Stuart die Bühne mit
disziplinierter Schwermut. Todesahnungen überschatten ihre Hoffnung
auf eine Unterredung mit Englands Königin Elisabeth und auf ein
gerechtes Urteil des englischen Parlaments." (Sautermeister
1992/2005, S.286). Doch auch hier soll der Zuschauer im Rahmen
der strukturbildenden Unruhe in dem sonst weitgehend handlungsarmen
Stück (Vonhoff
2005, S.161) seine gerade gewonnene Deutung mit einem der
"Überraschungsmanöver, die Schiller so häufig inszeniert" (Sautermeister
1992/2005, ebd.), um die Situation "postwendend" zu
dramatisieren: "Mortimer, der anscheinend rohe Neffe des
Gefängniswärters, enthüllt sich als Ästhet, diensteifriger Bote und
Parteigänger Marias: das Urteil des Parlaments laute auf Tod und
Hinrichtung, wovor er sie zu retten gedenken. Die Furcht des
Theaterpublikums vor der Katastrophe und die Hoffnung auf das
Gelingen des Rettungsplans halten einander die Waage. Dieses
unschlichtbare Spannungsverhältnis lebenszerstörender und
lebenserhaltender Kräfte beutet Schiller sorgfältig aus."(ebd.)