docx-Download -
pdf-Download
▪
Methodenrepertoire zur
szenischen Erarbeitung von Dramentexten
▪
Analyse einer dramatischen Szene
▪
Strukturen dramatischer Texte
▪
Analyse einer dramatischen Szene im Überblick
▪
Dramenhandlung
▪
Formtypen
des Dramas
▪
Dramaturgie und Inszenierung
Die unterschiedliche Regiekonzeption bei der Inszenierung der Begegnung
der Königinnen in Szene
III,4 von
Schillers
Drama »Maria
Stuart« kann mit Bildern anschaulich werden.
Bild 1: Aufführung in der finnischen Stadt Tampere 1933
Text 1:
Elisabeth ist keine "kleinliche, schwache, angstvolle Frau [...], sondern
eine von machtpolitischen Überlegungen eingeengte Herrscherin.[...] Auch
Maria bekommt starke politische Bedeutung, durch ihre Bemühung, Leicester
für sich zu gewinnen sowie Elisabeth zu sehen und umzustimmen, durch
Mortimers Befreiungspläne, die von Frankreich und den katholischen Mächten
beeinflusst sind. Nach solcher Konzeption kann das Treffen im Park des
Schlosses Fotheringhay nicht als das Gezänk zweier königlicher "Huren"
gelten, wie Goethe meinte, auch nicht als das Gezänk zweier
Geschlechtsgenossinnen, die in "blindem Henneneifer, der vor dem Gockel
Leicester siegen will" (Rischbieter, S.56) aufeinander losgehen, sondern
als Zusammenprall gegensätzlicher weltanschaulicher, religiöser und
politischer Mächte." ( Beimdick, Walter, Theater und Schule, Grundzüge
einer Theaterpädagogik, München 1975: Ehrenwirth, S. 135f. zit. n.
Frommer 1981, S.75)
Text 2:
Langsam, wie in Trance, schreiten die beiden Königinnen zur Rampe, keine
wagt es, zur Seite zu blicken, die andere anzuschauen. Dann ein zögerndes,
angstvolles Umwenden, ein endloses Anstarren, ein gelähmtes Schweigen.
Dann, als seien sie Wesen von zwei verschiedenen Sternen, fassen die
beiden einander ungläubig an, wie fassungslos jede, dass auch die andere
ein Mensch ist aus Fleisch. Einen Moment lang scheinen sich Hass und Angst
zu lösen, entsteht eine seltsame, schöne Schwesterlichkeit zwischen den
beiden Frauen - die dann abrupt in Jähzorn wieder umschlägt. Elisabeth
schleift die Stuart wie eine große Puppe über den Bühnenboden, schmiert
ihr Lippenstift ins Gesicht, reißt ihr, höhnisch keifend, das Kleid von
den Schultern. Dabei gelingt es Brieger tatsächlich, beide Seite der
Affäre zu beschreiben, die erhabene und die lächerliche: den Endkampf
zweier Königinnen, das Gezänk zweier Dirnen."
(Benjamin Heinrichs über die Bremer Inszenierung von Nicolas Brieger 1978,
in: Die Zeit, 20.10.1978)