Andrea:
»Der Text von Ingeborg Meckling, aus Fragespiele
mit Literatur, zusammengestellt in Frankfurt/M., Berlin , München, Diesterweg 1985, ist
eine Kompilation. Dies kann man an mehreren Stellen nachweisen. Nach dem ersten Satz ist
ein Sprung in der Geschichte festzustellen, d.h. ein neuer Textabschnitt beginnt, der mit
dem vorherigen Satz an sich nichts zu tun hat. Im ersten Satz (Z 1-1) heißt es nämlich:
"Fernher rauscht das Meer in in die holde Stille, der Wind regt sanft das starre
Laub." Im nächsten Satz geht es mit einer kurzen Kleidbeschreibung einer Person
weiter, als es heißt (Z 2-4): Ein mattseidenes Gewand elfenbeinweiß und golden bestickt,
umfließt ihre Glieder und lässt einen zartgeschwungenen Nacken frei, auf dem die
feuerfarbenen Flechten lasten." Im folgenden (Z 4-8) wird ein Zimmer eines Mädchens
bzw. einer Frau beschrieben, wobei man nicht weiß, ob die Person mit der im vorherigen
Satz, genau identisch ist. Zeile 9-16 umschreibt das Verhalten der Frau, die gerade
Klavier spielt, und wie die Melodie sich im Laufenden verändert. Ein weiterer
Textausschnitt wird in Z 16-18 eingefügt, als es heißt: "Helle Wiesen gehen auf,
Frühlingen spielen mit leicht bewegten Gestalten, und vor dem Herbst sitzt eine alte
Frau, eine böse Frau, um die herum die Blätter fallen. Winter wird sein." In diesen
zwei Sätzen wird der Frühling, der Herbst und der Winter aneinandergereiht, Die
nächsten drei Sätze enthalten je ein anderes Thema, Z 18-21 handelt von Engeln, die die
Geburt Jesu verkünden. Dies erkennt man, als es im Text heißt:" Große glänzende
Engel , (...) , werden sich zu horchenden Hirten neigen und ihnen singen von dem
Märchenkinde in Bethlehem." Der vorletzte Satz (Z. 22 -25) erzählt von der heiligen
Weihnacht, die die winterliche Heide umweht . Der letzte Satz endet mit dem Nachtwind, der
"durch die Winternacht" "wandelt".«
Thorsten:
»Das erste Textelement endet nach der ersten
Zeile, denn darin ist die Rede von fern rauschendem Meer, jedoch folgt in den darauf
folgenden zweieinhalb Zeilen die Rede von Brunhild, deren Glieder von ,,einem
elfenbeinweiß und golden bestickten Gewand" bedeckt sind. Dies erweckt eher einen
mittelalterlichen Eindruck.
Das nächste Textelement beginnt bei "die
schlanken Palmen". Dies unterscheidet sich in der Zeitform, denn im Gegensatz zum
vorigen Text wird hier in der Vergangenheit erzählt. Außerdem ist hier die Rede von
"chinesischen Kübeln" und Palmen.
Das nächste Textelement beginnt bei
"Brunhild saß vor dem Flügel", welcher bis zu ,,und spielt um die verlassene
Dorfkirche andauert". In diesem Abschnitt, der von Brunhilds Klavierspiel handelt,
ist kein Textübergang ersichtlich.
"Helle Wiesen" leitet den nächsten
Textabschnitt ein, der jedoch nur bis ,,Gestalten" andauert, denn der folgende
Textabschnitt, der mit und vor dem Herbst beginnt und bei Winter wird sein endet, handelt
zwar auch von Jahreszeiten, macht aber einen großen Sprung. Das nächste Element beginnt
mit "große glänzende Engel" und dauert bis vor dem Märchenkinde in Bethlehem
an. Im Gegensatz zum vorherigen Element handelt es sich hier um Weihnachten.
Der nächste Text , der bei "der heiligen
Weihnacht" beginnt, handelt auch von Weihnachten, jedoch in andrer Umgebung und bei
der Erzählzeit handelt es sich im Gegensatz zum vorhergehenden Text um Präsens.
Das nächste Textelement beginnt bei "und
draußen streicht" und dauert bis "durch die Winternacht" an.«
Claudia:
»Meiner Meinung nach lässt sich der vorliegende
Text in sieben verschiedene Strukturen unterteilen, die jeweils von sieben verschiedenen
Autoren verfasst sein könnten.
Von Zeile 1 - 4 glaube ich den ersten
Textabschnitt gefunden zu haben. Dieser Abschnitt könnte sehr gut in einer Erzählung
über eine frühere Zeit zu finden sein, wobei ich aufgrund des Gewandes der Frau glaube,
dass diese aus dem ostasiatischen Raum stammt. Der nächste Satz stellt für mich den Text
eines neuen Autors dar. Wenn mich nicht alles täuscht, dann stammt dieser Satz aus dem
Nibelungenlied und wurde nur ein wenig verändert, indem seine ursprüngliche Struktur
abgewandelt wurde. Die Person, um die sich der Inhalt dieses halben Satzes dreht, ist
Brunhild, Siegfrieds Frau.
Dann, so meine ich, folgt ein längerer
Textabschnitt, der in Zeile 4 ab der Hälfte des vorangegangenen Satzes beginnt und bis
Zeile 16 reicht. Die Frau, um die es hier geht, heißt ebenfalls Brunhild, Ich bin jedoch
der Überzeugung, dass dies nur so ist, um den inneren Zusammenhalt des Textes ein wenig
zu stabilisieren. Dieser Textabschnitt könnte aus irgendeinem Roman stammen, da er für
mich wie die Beschreibung einer spannenden Situation klingt. Brunhild sitzt in einem
prächtig geschmückten Raum vor dem Piano. Sie spielt eine bezaubernde Melodie, die ihren
Gedanken Flügel verleiht und sie an verschiedene Plätze ihres Lebens trägt.
Der nächst Abschnitt reicht von Zeile 16-18. Ich
könnte mir vorstellen, dass dieser Text ursprünglich in einem Märchen oder einer
Erzählung zu finden war. Er wirkt ein wenig wie die Beschreibung eines Traumes. Zeile
18-21 beinhaltet einen neuerlichen Abschnitt. Er erzählt die biblische Geschichte von der
Geburt des Sohn Gottes. Die Erzählweise könnte auf eine Version dieser Geschichte
hinweisen, die speziell für Kinder geschrieben wurde.
Der nächste Abschnitt von Zeile 22 - 25 klingt
für mich ein wenig nach einer Weihnachtsgeschichte. Die Erzählweise lässt auf einen
Autor aus unserer Zeit schließen und könnte vielleicht in jedem Buch mit
Weihnachtsgeschichten zu finden sein.
Der letzte Abschnitt reicht meiner Meinung nach
von Zeile 25 bis zum Ende des Textes. Es ist ein anderer Erzählstil als der
vorangegangene, und dennoch lässt sich nicht eindeutig sagen, wo dieser Satz stehen
könnte oder was genau er sagen möchte. Er hat keinerlei Beziehung zu den vorangegangenen
Texten und könnte in den verschiedensten Textarten vorkommen.«
Johannes:
»Dass der Text eine Kompilation ist, lässt sich
im Text anhand der einzelnen Abschnitte der verschiedenen Texte leicht
erklären, z.B. an den unvollständigen Textübergängen, die nicht
richtig zusammenpassen, wie nach dem ersten Satz. Erst wird von Meer und
Stille gesprochen, dann im nächsten Satz von einer Frau in ihrem Gemach.
Außerdem wird das Wort ihr" verwendet, ohne die Person, die damit
gemeint ist zu nennen. Der nächste solche Textsprung ist in der 4. Zeile,
wo plötzlich von "schlanken Palmen" die Rede ist. Auch in
diesem Satz wird das Wort "ihre" verwendet, allerdings wieder
mit einer völlig anderen Bedeutung. Es ist nicht die Frau, sondern die
Palmen gemeint. Dieses Textstück erstreckt sich bis zum Ende des ersten
Abschnitts. Der Anfang des 2. Abschnitts erstreckt sich bis hin zu der
Stelle, wo es heißt und spielt um verlassene Dorfkirchhöfe". Wieder
wird von Brunhild berichtet, die vor dem Klavier sitzt und ihre Lieder
spielt, die bis weit in die Ferne zu hören sind. Der folgende Satz stellt
wieder eine Einfügung dar, die von den Jahreszeiten und der Natur
handelt.
Der folgende Teil erstreckt sich über den Abschnitt bis "winterliche
Heide". Es wird der Winter und Weihnachten mit ihrer Schönheit und
ihrer Umgebung beschrieben. Der Rest des Satzes und der Anfang bis
"Goldhaus des 2. Satzes handelt zwar ungefähr vom gleichen Thema,
der Satzbau unterscheidet sich jedoch von dem anderen. Dadurch ist
anzunehmen, dass er von einem anderen Verfasser stammt. Das gleiche ist im
letzten Satzteil des letzten Satzes der Fall. Das Satzstück "und die
Sterne wandeln durch die Winternacht" würde wieder eher zu dem
vorherigen Teil mit der Weihnacht passen. Nun sieht man ganz deutlich,
dass das überhaupt nichts mehr mit dem Anfang, also Meer und Palmen usw.
zu tun hat.«