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Repräsentation von Macht im höfischen Absolutismus

Höfischer Absolutismus am Beispiel Carl Eugens von Württemberg (1728-1793)

 
GESCHICHTE
Grundbegriffe der Geschichte Europäische Geschichte Frühe Neuzeit (1350-1789) Zeitalter der Renaissance (ca.1350-1450) Zeitalter der Entdeckungen (1415-1531) Reformation und Glaubenskriege (1517-1648)  Absolutismus und Aufklärung (ca. 1650-1789) Die Entstehung des frühmodernen Territorialstaats im Absolutismus [ Repräsentation von Macht im höfischen Absolutismus Höfischer Absolutismus am Beispiel Carl Eugens von Württemberg (1728-1793) ] Beginn des bürgerlichen Zeitalters  ▪ Deutsche Geschichte
 

Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation von Macht
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens

Im »Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation (919 bis 1806), das auch das Alte Reich genannt wird, aber nicht mit dem 1871 gegründeten und im Zweiten Weltkrieg endgültig untergegangenen »Deutschen Reich verwechselt werden darf, blieben die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in den großen, mittleren und kleineren bis hin zu den kleinsten Territorien lange Zeit sehr verschieden. Das ▪ Alte Reich glich, wie seine Kritiker immer wieder im Vergleich mit Frankreich oder England zum Beispiel betonten, ein "Flickenteppich" unzähliger großer, mittlerer, kleiner und kleinster Territorien und Herrschaftsgebieten, die in unterschiedlicher Weise und in verschiedenem Maße an der Dynamik eines lang anhaltenden Transformationsprozesses teilhatten, der zur Entwicklung des frühmodernen Staates führte.

Das etwa 9.000 Quadratkilometer (vgl. Fenske 1981, S. 15f.) große Herzogtum Württemberg zur Zeit ▪ Carl Eugens (1728-1793), das im Reich die Rolle einer regionalen Vormacht spielte, zählte zu den Territorialstaaten mittlerer Größe, die es lange nur zu einer "halbmodernen Landeshoheit" brachten und sich weiterhin gefallen lassen mussten, dass ▪ Reichsgerichte und ▪ Reichskreise regulierend in ihre inneren Angelegenheiten eingriffen. (vgl. Schilling 1994a. S.135)

Zudem ist das Herzogtum Württemberg ein besonders gutes Beispiel für die ▪ dualistische Ständegesellschaft im höfischen Absolutismus.

Dauerkonflikte zwischen den Landständen und dem Fürsten wegen dessen Versuchen, sich bestimmte Herrschaftsrechte anzueignen, die über die schon 1515 im ▪ Tübinger Vertrag zwischen Land und Fürst ausgehandelte Balance hinausgriffen, waren in Württemberg seitdem an der Tagesordnung.

Auch wenn der württembergische Herzog kein wirklich absoluter Herrscher ist, gilt Württemberg doch als "ein großartiges Denkmal des Absolutismus" (Lahnstein 1968, S.9), denn einige seiner Fürsten sind überzeugt vom Geist des Absolutismus und verstricken sich aus diesem Grunde immer wieder in zähe Auseinandersetzungen mit den Landständen, mit dem Kirchenregiment und der sog. "Ehrbarkeit", einer Oligarchie von etwa 30 Familien im Land, die zum eigentlichen Gegenspieler der Herzöge wurde. In diesem ständigen Kräftemessen, das oft auch mit groben Rechtsbrüchen des Fürsten verbunden war und in "langen, mit Federfuchserfleiß und arger List geführten Prozessen" (ebd.) vor Gerichten ausgefochten wurde, war es oft so, dass der Fürst und fürstliches Kabinett den Fortschritt vertraten, während die Stände in der Regel an Altehrwürdigem zäh festhielten. (vgl. ebd.).

Und fast immer geht es dabei um Geld, denn der Finanzbedarf der Fürsten wird ständig größer und entwickelt sich mehr und mehr "zur irrsinnigen, aberwitzigen Verschwendung" (ebd.). Das den Landständen vorbehaltene Steuerbewilligungsrecht bringt die beiden Pole des Landes in ihren Dauerkonflikt.

Ursache dafür ist das kostspielige, in der Konkurrenz der europäischen Höfe stehende Repräsentationsbedürfnis des Fürsten, das Kosten verursacht, die das Steueraufkommen und Wirtschaftskraft des Landes immer wieder um ein Vielfaches übersteigen.

Außer seinen privaten Einnahmequellen und der Kriegskasse, die von der herzoglichen Hof- und Rentenkammer verwaltet wurden, konnte ▪ Herzog Karl Eugen (1728-1793) nicht eigenmächtig über Finanzmittel verfügen. Das galt jedenfalls solange, bis er sich auf anderem Weg eigene, von den Landständen einigermaßen unabhängige Finanzquellen erschließen konnte. Dies geschah z. B. durch  durch "Vermietung" von ausgerüsteten Soldaten an andere Mächte (Subsidienverträge z. B. mit Frankreich oder der niederländischen Ostindien-Kompanie).

Um sich nicht mit den Landständen über höhere Steuern verständigen zu müssen, ließ er seine berüchtigten Zwangsaushebungen vornehmen und überstellt die zum Militärdienst gezwungenen Männer für ein Kopfgeld als sogenanntes »Miet- bzw. Subsidienregiment an die »Niederländische Ostindien-Kompanie, einem der größten Handelsunternehmen des 17. und 18. Jahrhunderts mit besonderen Hoheitsrechten beim Landerwerb, bei Kriegsführung und Festungsbau. Ihr "vermietete" er eine ca. 3.200 Mann starke Truppe, die die Niederländer als das sogenannte »Kapregiment (1786-1808), an das »Kap der guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas verschifften, um die Kolonialinteressen der Kompanie gegen britische Ansprüche militärisch zu sichern, und von dahin hinaus bis nach Ostindien. Um die 100 Mann kehrten später von dieser Mission wieder zurück. Die meisten anderen sind wohl an Krankheiten umgekommen, wurden Opfer gewaltsamer Auseinandersetzungen und blieben nach Ablauf ihrer Dienstzeit in den niederländischen Kolonien.

Aber auch dieser Weg, sich eigene Finanzquellen zu erschließen, führte zu  Auseinandersetzungen zwischen dem Herzog und den Ständen, die darauf pochten, in auswärtigen Angelegenheiten des Landes mitreden zu dürfen. Zudem waren die Zwangsaushebungen bei der Landbevölkerung gefürchtet und verhasst und sorgten für sozialen Sprengstoff, der andernorts, wie z. B. in Bayern »1706 zu einem Aufstand ganzer Regionen gegen den habsburgischen Kaiser Joseph I. (1678-1711) führte, der als Strafaktion gegen das auf französischer Seite kämpfende und unterliegende Kurfürstentum solche Zwangsrekrutierungen angeordnet hat.

Für einen Herzog wie Carl Eugen, der sich an der absolutistischen Herrschaft des französischen Sonnenkönigs Ludwig XIV. (1638-1715) und seiner Nachfolger orientierte, waren  ies alles natürlich Einschränkungen, die seinem eigenen Selbstbild und dem von ihm anvisierten absolutistischen Konzept von Herrschaft grundlegend widersprechen.

Wenn von Mitspracherechten der Landschaft die Rede ist, muss freilich klargestellt werden, dass die Landstände, die sich nur auf Geheiß des Herzogs versammeln dürfen, keineswegs als Volksvertretung im heutigen Sinne angesehen werden dürfen. Wer im Landtag Sitz und Stimme erhält, ist nicht vom Volk gewählt, sondern ist Vertreter eines bestimmten Standes bzw. der Ehrbarkeit im Lande, repräsentiert eine bestimmte Verwaltungseinheit wie z. B. Städte und Ämter, Verwaltungsbezirke, deren führende Funktionen von Mitgliedern der Ehrbarkeit bekleidet werden. Der „gemeine Mann“, gewöhnliche Untertan, wird von dieser Versammlung jedenfalls nicht repräsentiert.

 

In der Verfassungswirklichkeit haben allerdings nicht etwa die Gemeinden, sondern nur etwa 30 Familien das Sagen. Diese Oligarchie, die württembergische "Ehrbarkeit", wird damit auch zum wahren Gegenspieler der Herzöge. Zu ihr zählt, wer ein Amt in der Gemeinde, der Landschaft, der Staatsverwaltung, der Kirche oder auch der Universität innehat. Ohne Ausbildung, Besitz und verwandtschaftliche Beziehungen ist indessen kein Amt zu erlangen, so dass sich das eine stets aus dem anderen ergibt. Die Vorstellung der Ehrbarkeit, was den württembergischen Staat ausmacht, steht dabei absolutistischen Vorstellungen vom Territorialstaat klar entgegen. Die Ehrbarkeit und die württembergischen hohen Beamten sehen im Staat eben "kein einheitliches, sondern immer noch eher ein körperschaftliches Gebilde", in dem jede Körperschaft gewisse unveräußerliche Rechte besitzt. (vgl. Vann 1986, S.210)  1514 ist nicht abzusehen, wie sich die Landschaft weiterentwickeln würde
So ist die Herrschaft der Fürsten in Württemberg, sehr zu ihrem Leidwesen doch beträchtlich eingeschränkt, zumal jeder neue Herzog, bevor ihm gehuldigt wird, die im Tübinger Vertrag von 1514 verbrieften Rechte der Landschaft mit seiner Unterschrift anerkennen muss. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen des Herzogs mit der Landschaft steht fast immer das Geld, und das den Landständen vorbehaltene Steuerbewilligungsrecht bringt die beiden Pole des Landes in einen Dauerkonflikt.

Fürstliche Repräsentationsbedürfnisse und Prasserei

Insbesondere wenn es darum ging, die Unsummen verschlingende absolutistische Repräsentationslust einzugrenzen, zeigen sich die "Ehrbarkeit“ im Bunde mit pietistischen Strömungen ungern zu Kompromissen bereit.

Was später ▪ Herzog Carl Eugen zu schaffen macht, wird bereits »Herzog Eberhard III.(1614-1674) vorgeworfen: Genusssucht und hemmungslose Prachtentfaltung.

Als dieser 1638 aus dem Straßburger Exil nach Stuttgart zurückkehrt, etabliert er eine Hofkultur, die sich am französischen Sonnenkönig Ludwig XIV.  orientiert: "Sein Hofzeremoniell, die märchenhaften Feste, Schau-Essen, Trauer- und Hochzeitsfeierlichkeiten waren in Europa bekannt und hoben sein Prestige. Von Gold und Silber strotzende Kutschen ließ er sich für teures Geld aus Paris kommen, Die Remisen füllten sich mit phantastisch gestalteten Kutschen und Schlitten. Sie waren verziert mit ausgespannten Segeln, Meerhunden und Meerfräulein, mit Mohren; Blumen, Walfischen, Hirschen und anderem Galllionsgetier. Ebenso wie die berüchtigten, mit ungeheurem Personalaufwand betriebenen, rücksichtslos über die Fluren brausenden Parforcejagden und die höfischen Karnevals- und Maskenfeste nach venezianischer Manier, wurden auch die Ausfahrten der Hofgesellschaft als mythologische Galavorstellungen überirdischer Wesen für das staunende und murrende Volk inszeniert.“ (Rainer 1979, S.128)
Auch in der Regierungszeit Carl Eugens gibt es bis zum Jahre 1770 einen Dauerkonflikt mit den Ständen. Und auch das ist keine echte Besonderheit. Tausende solcher Rechtsfälle werden nämlich vor dem Reichskammergericht oder dem inoffiziellen Wiener Reichshofrat verhandelt, abertausende werden als ungeklärte Fälle geführt. Deren Urteilssprüche zu forcieren liegt im Allgemeinen nicht im Interesse der Landesherren, so dass sie ihren Beitragszahlungen für den Unterhalt des Gerichts häufig nicht oder nur sehr zögerlich nachkommen. Auf diese Weise fehlen Richter und Beamte, die die Rechstreitigkeiten, die meist wegen der Verletzung landständischer Privilegien durch die Souveräne angestrengt werden, entscheiden. Geschieht es doch, dann sind Urteile gegen die Landesherren durchaus möglich.
Auch Herzog Carl Eugen von Württemberg muss sich 1770 sagen lassen, dass er seine Kompetenzen bei seinen ständigen Steuer- und Abgabeerhöhungen willkürlich überschritten hat. (vgl. Alt Bd. I, 2004,, S. 18ff.) Am Wiener Reichshofrat kommt die Steuerpressung, mit der Carl Eugen seine Verschwendungssucht finanziert, unter Leitung des kaiserlichen Reichsvizekanzler Fürst Franz Colloredo zur Verhandlung, an deren Ende der widerstrebende Herzog gezwungen ist, die alte Landesverfassung von 1514 zu bekräftigen, unrechtmäßige Steuererhöhungen rückgängig zu machen und eine deutliche Einschränkung seiner finanzpolitischen Spielräume hinzunehmen. (vgl. ebd., S. 38) Allerdings verliert auch der württembergische Landtag wegen seiner Tendenz zu eigenem Absolutismus, Geheimniskrämerei und Vetternwirtschaft sehr schnell die in den Auseinandersetzungen mit dem Herzog gewonnene Popularität (vgl. Fenske 1981, S.17ff.)
Aber auch, wo die Verschwendungssucht des Landesherrn nicht so ausgeprägt ist wie bei Carl Eugen von Württemberg sind die Einzelstaaten des Reiches Mitte des 18. Jahrhunderts hoffnungslos verschuldet. Hofhaltung, Baupolitik, der wachsende Beamtenapparat und die stehenden Heere verschlingen nicht selten ein Vielfaches von dem, was den Landesherrn nach Recht und Herkommen zusteht. Die Prachtentfaltung der vielfach absolutistisch regierenden Fürsten ist allerdings nicht allein ihrer persönlichen Geltungssucht geschuldet, entspricht auch nicht einfach nur einem herrschenden Zeitgeist. Dies betont auch Duchardt (1998, S. 532). "Die Repräsentation im Hof und durch den Hof", betont er, "Quantität und Qualität des höfischen Aufwandes wurden für den barock-absolutistischen Fürsten zu einem politischen Mittel, um im innerreichischen und internationalen Kionkurrenzkampf der Dynastien zu bestehen, einem Wettbewerb, dessen Schwerpunkt sich immer mehr auf die Architektur verlagerte. Die Bautätigkeit des Herrschers, die im Residenzschloss gipfelte und in der Anlage von Opernhäusern, Orangerien, Lustschlössern, ja ganzer geometrisch angelegter Residenzstädte ihre Ergänzung fand, [...] kann gerade als Gradmesser seiner politischen Macht eingestuft werden."
Darüber hinaus dient der Fürstenhof im Barock, wenngleich dies für die württembergischen Verhältnisse kaum zutrifft,  auch dazu, den Adel in seine unmittelbare Umgebung zu ziehen und von da aus besser zu kontrollieren.
Die verschiedenen Formen absolutistischer Prachtenfaltung sind verschwenderisch, daran darf auch diese Betrachtung nichts ändern, sie erscheinen aber den Fürsten und vielen Zeitgenossen als zumindest legitim. Ihre Funktion zur Repräsentation von gottgegebener Macht wird auch in der politischen Theorie des 17. und 18. Jahrhunderts betont. Sie  legitimiert den für unverzichtbar erklärten höfischen Aufwand rational, indem sie erklärt, dass die höfische Pracht dem Volk jene starken sinnlichen Reize liefere, die es zum Verständnis der Rechtmäßigkeit der Herrschaft benötige. Ein besonders anschauliches Beispiel für solche rationalen Legitimationsstrategien höfischer Prachtentfaltung gibt der Rechtshistoriker Johann Christoph Lüding 1718 in seinem weit verbreiteten "Musterbuch" zeremonieller Regeln am Hof: "Die meisten Menschen, vornehmlich aber der Pöbel, sind von solcher Beschaffenheit, dass bei ihnen die sinnliche Empfind- und Einbildung mehr als Witz und Verstand vermögen, und sie daher durch solche Dinge, welche die Sinne kitzeln und die Augen fallen, mehr als durch die bündig- und deutlichsten Motiven commoviret werden. Wenn man dem gemeinen Volk hundert und aberhundert mal mit auserlesensten Worten und Gründen vorstellte, dass es seinem Regenten deswegen gehorchen sollte, weil es dem göttlichen Befehl und der gesunden Vernunft gemäß wäre, dieser aber sich in Kleidung und sonsten in allem schlecht, als ein gemeiner Führer aufführte, so würde man wenig ausrichten. Allein man stelle demselben einen Fürsten vor, der prächtig gekleidet, mit vielen Hofleuten umgeben, von verschiedenen auswärtigen Prinzen und Gesandtschaften verehrtet, auch von einer ansehnlichen Guarde bedecket ist, so wird es anfangen, sich über dessen Hoheit zu verwundern, diese Verwunderung aber bringet Hochachtung und Ehrfurcht zuwege, von welcher Untertänigkeit und Gehorsam herkommen." (zit. n. Oßwald-Bargende 2004, S.98f.)
Wo immer es geht, so will es das zeitgenössische (Selbst-)Verständnis absolutistischer Fürsten, muss die fürstliche Machtvollkommenheit in Szene gesetzt werden, damit die Öffentlichkeit in Erstaunen über die Exklusivität des Hofes versetzt werden kann. Diesen Zielen sind auch die zahlreichen Regeln untergeordnet, die einen zeremoniellen Hof mit seinen oft bis ins Detail festgelegten immer wiederkehrenden Ritualen ausmachen wie z. B. das herzogliche Lever, das morgendliche Aufstehen und Anziehen des Herzogs,  oder die penibel geplanten Tischordnungen bei Tischgesellschaften. Aber auch die prachtvoll üppigen Hoffeste, ja die ganze Pracht dieser Hofkultur, haben hierin ihre rationalen Wurzeln. Allerdings kann auch dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich angesichts der sonst herrschenden misslichen Lebensverhältnisse der meisten Untertanen um Verschwendung handelt.
Die Hof haltenden Fürsten versuchen ihrem finanzpolitischen Fiasko durch alle erdenklichen Formen von Steuern und Abgaben Herr zu werden. Da sind Abgaben zu zahlen, wenn Waren verkauft werden, dort werden Nutztiere oder der Verbrauch von Grundnahrungsmittel besteuert, und wenn Waren über die Landesgrenze gehen, sind Zölle fällig, die sich bei der Kleinstaaterei in Deutschland für einen Händler schnell zu großen Beträgen summieren können. 33 Zollstationen müssen z. B. passiert werden, wenn Waren auf einer Strecke von ca. 220 Kilometern zwischen Bamberg und Mainz auf dem Main verschickt werden, an 32 Landesgrenzen gilt es Gebühren zu entrichten, wenn Waren rheinabwärts von Straßburg an die holländische Grenze gehen und elbaufwärts von Hamburg nach Magdeburg sind es noch 14 solcher Grenzstationen, die die Kassen der Landesherren füllen sollen (vgl. Alt Bd. I, 2004, S. 11)
Herzog Carl Eugen betreibt dazu noch eine profitable Ämterpatronage und Pfründenwirtschaft, die in einem Umfeld das ganz entscheidend vom Pietismus geprägt ist, ebenso wie die herzögliche Verschwendung unter besonderer Beobachtung steht. Dabei hat die pietistische Kritik an solchen Auswüchsen schon Tradition. »Herzog Eberhard Ludwig (1676 - 1733), hat das schon 1717 erfahren müssen. Sein eigener Hofprediger Samuel Urlsberger hält ihm da eine regelrechte "Gardinenpredigt", schimpft "von der Kanzel der Schlosskirche herab gegen die »Sittenverderbtheit« des Hofes" und deutet "Katastrophen, Missernten und Kriege [...] als Gottestrafen für die Sündhaftigkeit des »höfischen Babels«". (Oßwald-Bargende 2004, S.102)
Wenn jedenfalls Carl Eugen Geld braucht, das nicht mehr durch Steuerpressungen oder durch Kredite seines bevorzugten Bankiers Aron Seligmann hereingeholt werden kann, entwickelt er mit seinen Beamten stets eine außergewöhnliche Kreativität, um alles Mögliche zu Geld zu machen. Ämter jeder Art werden verkauft, Steuern jahrelang einfach doppelt eingetrieben, Abgaben auf Salz und Zucker in schwindelnde Höhen getrieben; von Pferdebesitzern werden Akzisen eingezogen, es sei denn das Tier wird dem Herzog zu einem Sonderpreis überlassen; wer wegen seiner überaus hoch besteuerten Getreidevorräte in Rückstand gerät, muss damit rechnen, binnen kurzer Zeit geplündert zu werden. (vgl. ebd., S.37) Mit dem ehemaligen Kirchenrätlichen Expeditionsrat und Kirchenkastenverwalter Kaspar Lorenz Wittleder aus Thüringen steht ihm ein äußerst erfolgreicher Organisator des Ämterhandels zur Seite, der inmitten der Stadt "eine offene Verkaufsbude für den Ämterhandel" eröffnen und betreiben darf. " Da wurden Ämter jeder Art, von den höchsten bis zu den niedrigsten, schriftlich und mündlich als feile Ware angeboten und an den Meistbietenden verkauft. Statt der Befähigung und des Verdienstes galt hier allein die Höhe des Angebots. Wer Geld besaß, konnte sich jede Stellen auswählen, die ihm gefiel. [...] Knaben wurden zu Oberamtleuten, Jägerburschen zu Expeditionsräten gemacht." (Sting 2005, S.197)
Berüchtigt und im Land verhasst sind auch die von Oberst Rieger in herzöglichem Auftrag durchgeführten Zwangsaushebungen von Soldaten, die, gegen ihren Willen, in das stehende Heer des Herzogs gepresst, zur Konsolidierung der Staatsfinanzen für ein Kopfgeld Söldnerheeren der britischen Krone verkauft werden (vgl. Alt Bd. I, 2004, S. 27) Das alles geschieht gegen den erklärten Widerstand der Landstände, der sog. "Ehrbarkeit", die es aber letztlich hinnehmen müssen, wenn der Herzog eine Staatslotterie ausschreiben lässt, bei der jeder Bürger zum Kauf eines Loses verpflichtet wird oder einfach neue Monopole festlegt. (vgl. Sting 2005, S.219)
Nach 1770 und dem Wiener Richterspruch gegen ihn, in der dritten Periode seiner Regierungszeit (1770-1793), die von einer vorsichtigen Annäherung des Herzogs an die Aufklärung gekennzeichnet ist (vgl. ebd., S.33), zeigt sich Carl Eugen in den Auseinandersetzungen mit den Ständen kompromissbereiter, umgibt sich mit seriösen Fachleuten als Berater und schränkt seine höfischen Ausgaben ein. Unter dem Einfluss des aufgeklärt-human gesinnten Geheimrats Albert Jakob Bühler naht das Ende der bisherigen Pfründenwirtschaft. Es kommt sogar so weit, dass der Herzog ein Schuldbekenntnis von den Kanzeln des Landes verlesen lässt, in dem er eigene Fehler, während seiner "wilden Jahre“ einräumt. "Da wir aber Mensch sind“, erklärt er, "und unter diesem Wort von dem so vorzüglichen Grad der Vollkommenheit beständig weit entfernt geblieben und auch vor das Künftige bleiben müssen, so hat es nicht anders sein können, als dass teils aus angeborener menschlicher Schwachheit, teils aus nicht genugsamer Kenntnis und sonstigen Umständen sich viele Ereignisse ergeben, die, wenn sie nicht geschehen, wohl vor jetzt und das Künftige eine andere Wendung genommen hätten, Wir bekennen es freimütig, denn dieses ist die Schuldigkeit eines Rechtschaffenen, und entladen uns damit einer Pflicht, die jedem Rechtdenkenden, besonders aber den Gesalbten dieser Erden, beständig heilig sein und bleiben sollte.“ (zit. n. Alt Bd. I, 2004, S. 40f.) So gewinnt das Bild eines cholerisch-unberechenbaren Tyrannen (Heinrich Roller) in den späten Regierungsjahren Züge eines aufgeklärt-toleranten Regenten, die jenes Bild des nur "barocke Sinneslust, Verschwendungssucht und diktatorische Rücksichtslosigkeit“ praktizierenden Despoten (ebd., S.28) zwar nicht korrigieren, aber wohl doch modifizieren.

Württemberg zur Zeit Herzog Carl Eugens (1728-1793)
Konkurrenzkampf und Prasserei: Absolutistische Repräsentation von Macht
Fürst und Land - Verfassung in Württemberg
Versailles in Schwaben: Ludwigsburg zur Zeit Carl Eugens
Höfische Festkultur zur Zeit Carl Eugens

Gert Egle, zuletzt bearbeitet am: 30.01.2024

   
 

 
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