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Das Zentralkomitee der KPD hielt am 30. Januar die Stunde zum Losschlagen
für gekommen und sprach die Führung der SPD und der Gewerkschaften
direkt an. An sie erging die Aufforderung, "gemeinsam mit den
Kommunisten den Generalstreik gegen die faschistische Diktatur der Hitler,
Hugenberg, Papen, gegen die Zerschlagung der Arbeiterorganisationen, für
die Freiheit der Arbeiterklasse durchzuführen". Doch eine
proletarische Einheitsfront war am 30. Januar 1933 ein aussichtsloses
Unterfangen. Angesichts von über 6 Millionen offiziell registrierten
Arbeitslosen war ein längerer Generalstreik nicht durchzuführen; ein
befristeter Generalstreik aber wäre von der neuen Regierung eher als
Schwächezeichen denn als Demonstration der Stärke begriffen worden.
Zudem war extrem unwahrscheinlich, dass die Kommunisten einem Aufruf zum
Abbruch des Ausstands gefolgt wären. Nachdem die KPD die Sozialdemokraten
jahrelang als "soziale Hauptstütze der Bourgeoisie" und als
"Sozialfaschisten" bekämpft und die "Rote Fahne" noch
am 26. Januar den Vorschlag des "Vorwärts", SPD und KPD sollten
sich auf einen "Nichtangriffspakt" verständigen, als
"infame Verhöhnung des antifaschistischen Berlin"
zurückgewiesen hatte, fehlte der kommunistischen Parole des gemeinsamen
Abwehrkampfes die elementarste Voraussetzung: die Glaubwürdigkeit.
Sozialdemokratie und Freie Gewerkschaften mussten damit rechnen, dass die
Kommunisten sofort zu jener revolutionären Gewalt greifen würden, auf
die die Nationalsozialisten nur warteten, um ihrem Terror den Schein der
Legitimation zu verschaffen. Ein Bürgerkrieg aber konnte nur mit einer
blutigen Niederlage der Arbeiterorganisationen enden: Gegenüber dem, was
die paramilitärischen Verbände der Rechten, die Polizei und die
Reichswehr aufzubieten hatten, war die gespaltene Linke chancenlos. In
dieser Situation lehnte am 30. Januar der Parteiausschuss der SPD
außerparlamentarische Aktionen nachdrücklich ab: "Wenn Hitler sich
zunächst auf dem Boden der Verfassung hält, und mag das hundertmal
Heuchelei sein, wäre es falsch, wenn wir ihm den Anlass geben, die
Verfassung zu brechen. Wenn Hitler den Weg der Verfassung beschreitet,
dann steht er an der Spitze einer Rechtsregierung, die wir bekämpfen
können und müssen, mehr noch als die früheren, aber es ist eben eine
verfassungsmäßige Rechtsregierung."
(aus:
Winkler
(2000), Der lange Weg nach Westen. Bd. 1, S. 548f., gekürzt und
bearbeitet)
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