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Anhänger wie Gegner der KPD erwarteten am 30. Januar 1933 von der
größten Abteilung der Kommunistischen Internationale außerhalb
Sowjetrusslands die oft angekündigte ‚machtvolle' Mobilisierung der ‚Massen'
gegen die faschistische Diktatur. Nichts dergleichen geschah. Die Reaktion
der deutschen Kommunisten auf die nationalsozialistische Machtergreifung
offenbarte eine Unsicherheit und Handlungsschwäche, die sich bereits
zuvor zwischen den Zeilen ihrer pausenlosen Kampfappelle angedeutet
hatte.[...] Als wider Erwarten [...] General Schleicher zurücktreten
musste und Koalitionsverhandlungen unter Einschluss Hitlers begannen, war
die Irritation der KPD hinter den starken Worten ihrer Aufrufe spürbar.
[...] Ein 'Einheitsfrontangebot' wandte sich ausschließlich an die 'unteren
SPD-Organisationen', die mit ihrem Anschluss an die Aktionen der KPD 'einen
neuen Verrat der SPD-Führer' verhindern sollten .- eine nicht neue
Kombination von Angebot und Angriff, die weder die sozialdemokratischen
Adressaten besonders beeindrucken noch die unteren kommunistischen Kader
zu weitergehenden Zugeständnissen an die angesprochenen
SPD-Organisationen anspornen mochte. [...]
Am 31. Januar verloren die Appelle der KPD etwas von ihrer Zweideutigkeit.
Jetzt wandte sich das Zentralkomitee [....] an die gesamten Organisationen
von SPD und Gewerkschaften, einschließlich ihrer Führungen. [...] Die
KPD hatte zwar am 30. Januar auf weitergehende Kampfaktionen gedrängt,
als ihre Anhänger zu leisten bereit waren. Aber sie scheute auch jetzt
genauso vor einer entscheidenden Aktion zurück [....]. Die KPD versuchte
allerdings, am 30. und 31. Januar Streiks auszulösen, die ihrem
Generalstreiksappell Nachdruck verliehen hätten. [...] Da zwischen 80 und
90% der eingeschriebenen Kommunisten zu jener Zeit erwerbslos waren, ist
es nicht verwunderlich, dass eine isolierte Aktion der KPD keinen
umfassenden Streik auslösen konnte. Dennoch bleibt die vollkommene
Wirkungslosigkeit der Aufrufe auch in solchen Betrieben, in denen die
kommunistischen Betriebsräte über sichere Mehrheiten verfügten,
erklärungsbedürftig.
Es scheint, dass der ZK-Appell an SPD und ADGB zum gemeinsamen
Generalstreik die kommunistischen Arbeiter eher gelähmt als mobilisiert
hat; denn ihren wurde suggeriert, dass ein gemeinsamer Streikbeschluss
aller Richtungen möglich und wünschenswert sei. [...] Die Führung der
KPD hatte mit ihrem Einheitsfrontappell zwar den ‚'schwarzen Peter' an
die SPD weitergeschoben, sich aber gleichzeitig an deren Strategie
gebunden. Somit machten beide Fraktionen der Arbeiterbewegung ihre
Handlungsfähigkeit von externen Faktoren abhängig: die SPD wollte erst
bei einem offensichtlichen Verfassungsbruch der Regierung Hitler zu
außerparlamentarischen Mitteln greifen; die KPD abwarten, ob die
sozialdemokratische Führung, die sie jahrelang als 'Sozialfaschisten'
angegriffen hatte, sich zu gemeinsamem Vorgehen durchrang.
(aus:
Peukert,
Detlev (1980), S.30-35, gekürzt)
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