Hugenberg (DNVP): "Ich bin kein Pazifist"
15.11.1925 zum Locarno-Vertrag
[...] Sachlich betrachtet ist vor allem die Auffassung
falsch, dass Locarno einen zehn- bis zwanzigjährigen Frieden bedeute.
Gerade das Gegenteil ist richtig. Ich bin kein Pazifist, aber ich muss
der Tatsache Rechnung tragen, dass Deutschland waffenlos ist, und muss
deshalb verlangen, dass die deutsche auswärtige Politik mit einer dieser
Tatsache Rechnung tragenden Vorsicht geführt wird! Seit unserem
Zusammenbruch hat mir immer als größte Sorge vorgeschwebt, dass
Deutschland der Kriegsschauplatz zwischen Russland und dem Westen
werden, dass Deutschland den Fehler einer Verfeindung mit Russland
wiederholen könnte. [...]
Manche Leute sind sich des Unterschiedes in der Struktur des Westens und
des Ostens Deutschlands nicht bewusst. Das dichtbevölkerte industrielle
Rheinland zu französieren, würde den Franzosen auch dann nicht gelingen.
wenn sie es - was Gott verhüte - eine Zeitlang beherrschten. Ganz anders
im weiten Osten mit seinem ausgedehnten Großgrundbesitz und seiner
dünnen Bevölkerung. Was wir in Polen heute sehen, kann sich für den
ganzen deutschen Osten wiederholen! Man muss auch als Gegner anerkennen,
dass alle Regierungen seit der Revolution diesen gefahrvollen. sich
jedermann aufdrängenden Tatbestand berücksichtigt haben. Es ist Herrn
Stresemann vorbehalten geblieben, mit diesem Feuer zu spielen. Denn
Locarno, wie es geworden ist. bedeutet tatsächlich und trotz aller
Vorbehalte, dass Deutschland in dem Gegensatz Westmächte - Russland
optiert und damit - waffenlos wie es ist - sich leichtsinnig mitten in
Gegensätze hineinspielt, bei deren Austragung es nur die Rolle des
furchtbar Leidenden spielen kann.[...]
(H. Michaelis/E. Schraepler (Hrsg.), Ursachen und
Folgen. Berlin 1958 ff. Band VI, S.398)
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
07.12.2024