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Richtig ist, dass eine Schule auf intakte Sozialformen angewiesen ist,
soll in ihr eine angemessene Arbeitsatmosphäre herrschen. Für das
vernünftige Miteinander sollten sich alle an der Schule Beteiligten
verantwortlich fühlen.
Um überhaupt Regeln einhalten zu können, bedarf es eines Regelwerkes, das
im Sinne eines Schulvertrages von allen Schülerinnen und Schülern
unterzeichnet wird. Diese fühlen sich in der Regel als Vertragspartner
ernst genommen. Falsch ist, dass ratlose Bildungsminister jetzt die
Schülerschaft pauschal der mangelnden Disziplin bezichtigen, um von
eigenen bildungspolitischen Misserfolgen und von zentralen
bildungspolitischen Fragestellungen abzulenken.
In der klassischen Halbtagsschule bleiben die notwendige soziale Erziehung
und die Persönlichkeitsbildung weitgehend auf der Strecke, weil der
Fachunterricht fast einhundert Prozent der zur Verfügung stehenden Zeit
bindet. Erst die Ganztagsschule würde den Freiraum eröffnen, um Schule in
ausreichendem Maß als soziales Gefüge wahrzunehmen. Wer die Unlust und die
damit einhergehende Disziplinlosigkeit von Schülerinnen und Schülern
beklagt, der muss auch überholte Unterrichtsmethoden und den bisweilen
fehlenden Bezug des Unterrichtsstoffes zur Realität in den Blick nehmen.
Einer Schule, der es nicht gelingt, eine Atmosphäre der Achtung und der
Anerkennung zu schaffen, wird auch Benimmunterricht nur wenig helfen. Ein
Bildungssystem, das auf Selektion und Ausgrenzung statt auf gemeinsames
Lernen setzt, schafft sich seine Probleme selbst. In skandinavischen
Staaten ist Vandalismus an Schulen ein Fremdwort. Zwischen den Lehrkräften
und den Schülerinnen und Schülern herrscht eine entspannte Atmosphäre,
weil dort der oberste Grundsatz lautet: Niemand darf beschämt werden.
Schule braucht eine vernünftige Balance zwischen Autorität und Freiheit.
Autoritäre Drillmeister sollten ebenso ausgedient haben wie diejenigen,
die dem Laisser faire huldigen ohne notwendige Grenzen zu setzen und
Orientierung zu geben. Mit der Ankündigung, eine Arbeitsgruppe mit
externen Sachverständigen einzusetzen, um Benimm-Bausteine auszuarbeiten,
spricht Schreier den Lehrerinnen und Lehrern gegenüber in
unverantwortlicher Weise ein Armutszeugnis aus.
Zur Professionalität einer Lehrerkraft gehört, dass sie um die notwendigen
Sozialkompetenzen Bescheid weiß und deren Erlernen zum integralen
Bestandteil des Unterrichts macht. Wenn aber Kinder ihre Aggressionen von
außerhalb der Schule in diese hineintragen, werden gesellschaftliche
Defizite deutlich, mit deren Behebung die Schule überfordert ist. "
(Reiner Braun, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion im
Saarland, Auszüge aus: Saar-Echo , http://www.saar-echo.de, 18.9.03, gekürzt)
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