Was
sich am Kulminationspunkt dieser Entwicklung, am so genannten
"Marlboro-Friday", dem 2.
April 1993, ereignete, schien für eine kurze Zeit lang, das
schnelle Ende der Marken
zu besiegeln.
Philipp Morris wollte den Billigmarken auf dem Zigarettensektor
mit Preissenkungen begegnen. Dafür kündigte man eine Senkung des
Preises von Marlboro-Zigaretten um 20% an, einer Marke deren
legendäre Werbekampagne seit 1954 gelaufen war.
"Die
Preissenkung trieb die Marketingexperten zum Wahnsinn, und sie
verkündeten unisono nicht nur den Tod von Marlboro, sondern den
Tod aller Markennamen. Wenn eine Mark wie Marlboro, die mit über
einer Milliarde Werbedollars sorgfältig gepflegt, aufpoliert und
herausgestellt worden war, in die verzweifelte Lage geriet,
preislich mit Weißen Marken konkurrieren zu müssen, dann, so
folgerten die Experten hatte das ganze Konzept der Markenpolitik
offensichtlich seinen Wert verloren." (Klein
2001/2005, S.31)
Kein
Wunder, dass noch am selben Tag die Aktienkurse der anderen
Haushaltsmarken (Heinz, Quaker Oats, Coca-Cola, Pepsi-Cola,
Procter and Gamble u. a.) mit in den abwärts treibenden Strudel
gerissen wurden.
Zugleich schrumpften die Werbeetats der großen Firmen, die
fortan anderen verkaufsfördernden Maßnahmen den Vorzug gaben
(Werbegeschenke, Wettbewerbe, Preissenkungen).
Die
Warnung führender Agenturen, dass ein solches Vorgehen "nicht
nur den Tod der Marken, sondern auch der Unternehmen bedeuten"
würde (ebd.
S.34), basierte dabei auf der Erkenntnis, dass jedes Unternehmen
mit seinen Produkten im Kampf auf dem "Gütermarkt", der von
Preis,
Verkaufsförderung und Sonderangeboten bestimmt werde, leicht von
der Konkurrenz, die irgendwann besser und billiger produzieren
könne, vom Markt gedrängt werden könne.
Statt
auf dem Gütermarkt, so hieß es, müsse man an einem
imageorientierten Markt teilnehmen.
Bemerkenswerter Weise sind Anfang der 90er-Jahre jedoch nicht
alle Marken in die "Markenkrise" geraten.
Mit
Nike, Apple, Body Shop, Calvin Klein, Disney, Levi's und
Starbucks machten Unternehmen in einer Zeit, in der die anderen
unter der Rezession zu leiden hatten, Gewinne. Für diese
Unternehmen stand das Marketing stets über der Preispolitik und
dementsprechend gewann die Markenpolitik bei ihnen eine immer
größere Bedeutung. Sie machten ihre Marken zum Teil einer
Lifestyle-Kultur und zeigten damit, dass es eine echte
Markenkrise gar nicht gegeben hatte, sondern "nur Marken mit
Vertrauenskrisen" (ebd.
S.41).
Naomi
Klein zieht daher das folgende Fazit aus dem Marlboro-Friday:
"Über Nacht wurde der Slogan: »Marken, nicht Produkte!« zum
Kampfruf einer Renaissance des Marketing, angeführt von
Unternehmen neuen Stils, die sich als »Sinnvermittler« und nicht
mehr als Produkthersteller betrachteten. Was sich veränderte,
war das Verständnis dessen, was - sowohl in der Werbung als auch
in der Markenpolitik - verkauft wurde. Nach dem alten Paradigma
wurde durch Marketing stets ein Produkt verkauft. Doch nach dem
neuen Modell ist das Produkt immer sekundär. Es muss gegenüber
der Marke als dem eigentlichen Produkt zurückstehen, und der
Verkauf der Marke erfordert eine neue Komponente, die man nur
als spirituell bezeichnen kann. Werbung bedeutet, mit einem
Produkt hausieren zu gehen. Bei der Markenpolitik in ihren
wahrsten und fortgeschrittensten Inkarnationen geht es um
unternehmerische Transzendenz.
Es klingt verrückt, aber das
ist der entscheidende Punkt. Am Marlboro-Friday wurde zwischen
den gemeinen Preisbrechern [gemeint ist u. a. Wal-Mart, d.
Verf.] eine Trennlinie gezogen. Die Markenpolitiker gewannen,
und ein neuer Konsens wurde geboren. Die Produkte, die in
Zukunft florieren, werden nicht mehr als »Waren« präsentiert,
sondern als Ideen: die Marke als Erfahrung, als Lifestyle." (ebd.
S.41f.)
Für
die Markenunternehmen stellt sich demzufolge als Aufgabe, eine
Unternehmensmythologie zu schaffen, "die machtvoll genug ist, um
einfachen Gegenständen durch den schlichten Namen des
Unternehmens Bedeutung zu verleihen." (ebd.
S.42)
Marketingorientierte Unternehmen wie Nike, Tommy Hilfiger,
Starbucks u. a. sind diesen Weg entschlossen gegangen. Die
Unternehmensphilosophie und -mythologie von Nike hat deren CEO
Phil Knight in den Achtzigerjahren schon dargelegt, als er
erklärte Nike sei ein "Sportunternehmen", dessen Mission nicht
darin bestehe, Schuhe zu verkaufen, sondern »den Zauber des
Sports am Leben« zu erhalten.
Und
Renzo Rosso, der Eigentümer von Diesel Jeans betonte, »wir
verkaufen einen Lebensstil. Ich glaube, wir haben eine Bewegung
geschaffen. Das Diesel-Konzept ist alles. Es ist die Art zu
leben, die Art, Kleidung zu tragen, die Art etwas zu tun.«
(zit. n.
ebd.
S.44)
So
hat, urteilt Naomi Klein, die "Markenmanie" "einen neuen Typ des
Geschäftsmannes hervorgebracht. Er verkündet mit
stolzgeschwellter Brust, die Marke X sei kein Produkt, sondern
ein Lebensstil, sei eine Haltung, ein Wertesystem, ein Aussehen,
eine Idee." (ebd.
S.43)
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Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
27.08.2023