Wie sowohl sprachliche (propositionale) als auch visuelle Wissensinhalte -
meistens aus dem Bereich des
Anwendungswissens
- im Gehirn gespeichert werden (repräsentiert werden), kann mit der
insgesamt noch nicht einheitlichen Schematheorie des Lernens
erklärt werden.
(vgl.
Jarz 1997,
S.75)
Gemeinsam ist den verschiedenen Schematheorien allerdings die
Auffassung, dass es sich bei Schemata um Organisationseinheiten von
verallgemeinertem (generischen)
Wissen handelt, die im Langzeitgedächtnis des Menschen vorhanden sind.
Neurobiologischer Hintergrund für die Bildung von Schemata ist die
Fähigkeit des Gehirns, verschiedene Reizeindrücke miteinander zu verbinden
und bei immer oder häufig an gleichem Ort und zu gleicher Zeit
wiederkehrenden Auftreten fest miteinander zu verknüpfen.
Der Begriff Schema
Der Begriff Schema kann auf eine wechselvolle Bedeutungsgeschichte
zurückschauen:
-
Der Begriff Schema stammt aus dem Griechischen und bedeutet in der
Antike Figur, Haltung bzw. Gestalt.
-
Für
Immanuel Kant (1724-1804 ) ist ein Schema dazu da, Inhalte
abstrakter Begriffe durch anschauliche (stellvertretende) Vorstellungen
zu veranschaulichen.
-
In die Gedächtnispsychologie wird der Begriff von
Frederic Charles Bartlett (1932) gebracht und dient dort zur
Beschreibung von Wissensstrukturen.
-
In der
Entwicklungspsychologie des Schweizer Psychologen und
Erkenntnistheoretikers Jean Piaget (1896-1980) bezeichnet Schema
eine kognitive Struktur, die bestimmten Aufbaugesetzen unterworfen ist
und die sich nach bestimmten Entwicklungsgesetzen (Assimilation =
Anpassung der Umweltgegebenheiten an die vorhandenen Schemata und
Akkomodation = Anpassung der Schemata an die Umwelt) verändern.
-
In der
Kognitionspychologie wird der Begriff allgemein zur
Bezeichnung komplexer Wissenseinheiten verwendet. (vgl.
Schoenke 2001, ergänzt)
Die Bedeutung von Schemata
Die Bedeutung von Schemata für die Wahrnehmung von Welt und die
Repräsentation von Wissen ist außerordentlich groß.
-
Ohne Schemata können wir die Außenwelt nicht wahrnehmen oder
erkennen. Mit Schemata können wir die unzähligen Einzelheiten zu
Gesamteinheiten organisieren, "sie ermöglichen es dem Bewusstsein, statt
des mühsamen Durchmusterns von Details (Blättern, Zweigen, Ästen, Stamm,
Rinde ...) 'auf einen Schlag' etwas als Baum wahrzunehmen und damit
umzugehen. Schemata verringern also Komplexität. Sie verleihen unseren
Vorstellungen Festigkeit und Dauer. Und sie erlauben rasches Reagieren."
(Schmidt
1992, S.119) Mit Hilfe von Schemata können wir Menschen also von
außen kommende und über unsere Sinnesorgane empfangene Informationen
wahrnehmen und zu Wissen umwandeln, indem ihnen Bedeutungen zugeordnet
werden. Dinge, denen keine Bedeutung zugeordnet werden kann, können auf
diesem Weg ausgefiltert werden.
Karl-Heinz Flechsig (1998) verdeutlicht die Funktion von Schemata
bei der Speicherung und Ordnung von Wissen im menschlichen Gehirn mit
der folgenden
Analogie: "Man stelle sich einen sehr sehr großen Schrank mit sehr
sehr vielen in sich gefächerten Schubladen vor, die mit Etiketten
versehen sind, auf denen die Bezeichnungen der Dinge stehen, die in die
Schubladen bzw. Fächer einzuordnen sind. Schemata als etikettierte und
gefächerte Schubladen, damit endet jedoch schon unsere Analogie, denn
Schubladen sind relativ starre Gebilde, während Schemata sich
entwickeln, anpassen, verändern und untereinander kommunizieren.
Hier hilft vielleicht eine andere Analogie weiter: Wir stellen uns
unsere Schubladen als kleine Computer vor, auf deren Festplatten Wissen
gespeichert und geordnet ist und die untereinander in Verbindung stehen.
Wenn sie Wissen haben, das für andere Computer interessant sein könnte,
reichen sie es an diese weiter, damit sie es mit ihren eigenen Schemata
verknüpfen. Und wenn sie Probleme haben, eingehende Information zu
interpretieren und zu verstehen, können sie bei anderen Computern
zurückfragen. Jeder dieser Computer ist dann für Schemata einer
bestimmten Art bzw. eines bestimmten Bereichs zuständig." (http://wwwuser.gwdg.de/~kflechs/iikdiaps3-98.htm,
22.7.03)
-
Neben der Wahrnehmung und der Informationsverarbeitung steuern
Schemata aber auch das Handeln. Mit Hilfe von Schemata können
Bestandteile von Ereignissen (Ereigniskonzepte)
dargestellt werden. Dies kann in Form von so genannten
Teil-Ganzes-Hierarchien oder auch Generalisierungshierarchien geschehen.
Statt unser Wissen über stereotype Ereignisse darauf auf Einzelheiten
(Konzepte) zu stützen, werden Schemata herangezogen, um das Handeln zu
steuern. So wird beim Besuch eines Kinos das entsprechende
Ereignisschema aktiviert, das den Weg zum Kino, das Lösen der
Eintrittskarten, das Kaufen von Süßigkeiten und Erfrischungen, das
Ansehen des Films und das Verlassen des Kinos und die Beziehung dieser
Elemente zueinander in einer Wissensstruktur organisiert. Die einzelnen
Elemente des Ereignisschemas stellen Leerstellen (Slots)
dar, die entweder mit den jeweils besonderen Ausprägungen des
stattfindenden Ereignisses oder aber mit dafür typischen Werten (Default-Werten)
besetzt werden.
Kern der schematheoretischen Vorstellung des Lernens ist die Annahme,
"dass im frühen Kindesalter durch umweltbezogenes Handeln Schemata
erworben werden und aus diesen allmählich kognitive Konzepte entstehen,
die wie Leerstellen auf verschiedene Situationen anwendbar sind. Die
Leerstellen wirken beim Lernen wie Erwartungen, sie werden aus dem neuen
Bedeutungszusammenhang heraus inhaltlich gefüllt." (Einsiedler,
1996, S.177). Dabei stellt ein Schema natürlich auch eine
Komplexitätsreduktion der Umwelt dar. Diese allerdings macht den Menschen
"überhaupt erst lebensfähig." (Jarz
1997, S.76)
Schemata sind dynamische Strukturen
Schemata stellen demnach
keine starren Strukturen dar. Sie
können sich durch ▪
Wissenszuwachs, Feinabstimmung, Umstrukturierung und
Integration weiter entwickeln. (vgl.
Einsiedler
1996, S.177)
Nach
Mandl/Friedrich/Hron
(1988) besitzen Schemata folgende Merkmale:
-
Sie organisieren als kognitive Strukturen Wissen über typische
Zusammenhänge in einem Realitätsbereich.
-
Sie besitzen Leerstellen, die unterschiedlich aufgefüllt werden
können.
-
Sie können ineinander eingebettet sein.
-
Sie speichern
generisches
und
episodisches
Wissen.
-
Sie besitzen nicht nur eine Struktur, sondern können auch andere
Schemata aktivieren (Prozesskomponente).
-
Sie speichern ganz unterschiedliche Wissensinhalte. (vgl.
arz
1997,
S.75)
Schematheoretische Ansätze in den
verschiedenen Wissensgebieten
Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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