Unser Gehirn ist das
Ergebnis einer langen Entwicklung
Das ▪
Gehirn
des Menschen ist, so wie es heute aussieht, das Ergebnis einer
langen evolutionären Entwicklung. Schon die ersten Menschenarten
verfügten
"über im Vergleich zu anderen Tieren über ungewöhnlich große
Gehirne. Säugetiere mit einem Körpergewicht von 60 Kilogramm haben
im Durchschnitt ein Gehirn mit einem Volumen von 200
Kubikzentimetern. Das Gehirn eines Homo sapiens dieses Gewichts
misst dagegen 1200 bis 1400 Kubikzentimeter." (Harari
352015, S.16) Das menschliche Gehirn ist eine etwa
1,3 Kilogramm schwere Masse aus rosa-grauem Gewebe. Auch wenn das
Gehirn gerade 2% unseres Körpergewichts ausmacht, verbraucht es aber
fast ein Fünftel unseres täglichen Energiebedarfs. Ein derart
schweres und leistungsfähiges Gehirn mit sich herumzuschleppen
verlangte von unseren Vorfahren einen hohen Preis. Sie mussten wegen
seines hohen Energiebedarfs "mehr Zeit mit der Nahrungssuche
zubringen, und zweitens bildeten sich die Muskeln zurück" (ebd.,
S.17). Statt mehr "Muskelmasse" war jetzt "Hirnschmalz" angesagt.
Längere Zeit allerdings eine Wette auf die Zukunft, deren Erfolg
keineswegs sicher war, am Ende neben anderen Faktoren aber doch das
Überleben des Homo sapiens in ihrer Konkurrenz mit anderen ihnen
rein körperlich überlegenen Menschenarten wie z. B. den
Neandertalern, gesichert hat. Wahrscheinlich waren es "zufällige
Genmutationen, die Kabel im Gehirn des Sapiens neu verschaltet
hatten" (ebd.,
S.34), die unseren Vorfahren, den Sapiens, den entscheidenden
Vorteil in der Evolution verschafft haben. Beginnend vor 70.000
Jahren lernten sie dadurch "in noch nie dagewesener Art und Weise zu
denken und mit einer völlig neuen Form von Sprache zu kommunizieren"
(ebd.)
Das Ergebnis: Die kognitive
Revolution, die etwa vor 30.000 Jahren abgeschlossen war und
dem Sapiens die entscheidenden evolutionären Vorteile sicherte.
Das Gehirn - ein
komplexes Organ in einem komplexen System
Das Gehrin ist Teil des
»Zentralnervensystems (ZNS),
das vom Gehirn und dem Rückenmark gebildet wird.
Von den Schädelknochen und von drei Hautschichten, den
Hirnhäuten (Meninge) umgeben, ist das Gehirn gut geschützt.
Mit
seinen etwa zehn Milliarden, untereinander verknüpften »Nervenzellen werden
sämtliche geistigen Funktionen gesteuert.
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Wollte man alle
Verbindungen, die in einem durchschnittlichen menschlichen Gehirn
zwischen den Neuronen bestehen, müsste man wohl mehr als drei
Millionen Jahre zählen, wenn man es auf eine Verbindung pro Sekunde
brächte. (vgl.
Seth 2013, S.8) Außer Nervenzellen (Neuronen)
sind im Gehirn auch Stützzellen
(»Gliazellen), Blutgefäße und Organe zu
finden, die bestimmte Substanzen ausscheiden.
Als Steuerzentrale für Bewegungen, Schlaf, Hunger, Durst und praktisch
alle anderen Lebensfunktionen ist das Gehirn jener Teil unseres
Organismus, ohne den wir nicht leben können.
Im Gehirn entstehen alle menschlichen Gefühle wie Liebe und Hass, Angst
oder Freude und Trauer.
Unser Gehirn empfängt über die Nerven unzählige Signale von anderen
Körperteilen und aus der Umwelt und interpretiert diese.
Vom anatomischen Aufbau her betrachtet, besteht das Gehirn aus drei
Teilbereichen, die miteinander verbunden sind:
Großhirn,
Kleinhirn und Hirnstamm. Zum
Hirnstamm, der sich an
das Rückenmark anschließt, gehören alle
Elemente und Strukturen zwischen dem
Großhirn und dem Rückenmark, also das
Zwischenhirn, das Mittelhirn, die
Brücke und das
verlängerte Rückenmark.
Alle diese Teile entstehen in der embryonalen Entwicklung des Menschen.
Das Großhirn
Das Großhirn (Cerebrum) ist mit einem Anteil von etwa 85% an der
Gesamtmasse des Gehirns der größte der drei Hirnteile. Es besitzt durch
die zahlreichen Windungen eine sehr große Oberfläche, an deren Außenseite
sich die Großhirnrinde (cerebraler
Cortex) befindet. Mit seiner großen Oberfläche und der hoch
entwickelten äußeren Schicht (Großhirnrinde) ist es die Ursache dafür,
dass der Mensch den Tieren an Intelligenz überlegen ist. Das Großhirn ist
in Längsrichtung durch eine Furche in eine rechte und eine linke Hälfte
aufgeteilt (Lateralismus). Diese beiden Hälften (Hemisphären des Gehirns)
sind mit einen Strang aus weißen Nervenfasern verbunden, den so genannten
Gehirnbalken (Corpus callosum). Über diesen werden wichtige Informationen
zwischen den beiden Hirnhälften ausgetauscht. Jede der beiden Gehirnhälften besteht aus vier durch Furchen getrennte
Lappen, deren Name bei vier von ihnen von dem darüber liegenden
Schädelknochen benannt werden. Diese sind:
Die Insel, die oft auch als fünfter Lappen bezeichnet wird, ist von außen nicht
sichtbar, da sie sich im Inneren des Gehirns befindet. Die
Rolando-Furche trennt Stirn- und
Scheitellappen voneinander, ebenso werden der Scheitel- und der
Hinterhauptslappen durch eine Furche voneinander getrennt.
Die Hirnrinde (Cortex,
Kortex) mit ihrer grauen Gehirnsubstanz
ist die Außenschicht beider Gehirnhälften und ist etwa drei bis vier
Millimeter dick. Sie setzt sich aus Schichten von Zellen zusammen, die
nicht von einer Isolierschicht umgeben sind (nicht myelinisierte Zellen)
und umhüllt damit die innere weiße
Gehirnsubstanz. Diese besteht aus Zellen, die von einer
Scheide aus Myelin umhüllt sind und die das Großhirn und andere
Gehirnteile miteinander über Projektions- Diese myelinisierten
Zellen verbinden das Großhirn und andere Gehirnteile (Projektionsfasern)
und stellen in derselben Hirnhälfte über
Assoziationsfasern Verbindungen her, sowie stellen Verbindungen
den vorderen und hinteren Teil des Großhirnes, verschiedene Teile
derselben Hirnhälfte Verbindungen zwischen der rechten und linken
Gehhirnhälfte (Kommissuren).
In jeder Gehirnhälfte gibt es einen mit einer
Flüssigkeit gefüllten Hohlraum (Ventrikel).
Die beiden Seitenventrikel sind durch kleine Öffnungen (Monroe-Foramen)
mit einem dritten Ventrikel verbunden, der sich zwischen den Gehirnhälften
befindet. Dieser geht dann in einen vierten Ventrikel über, der einen
Hohlraum zwischen Pons (Brücke) und Kleinhirn bildet. Der Kanal, der
zwischen drittem und viertem Ventrikel existiert, trägt die Bezeichung
Aquaeductus cerebri oder Aquaeductus Sylvii. Die Gehirnventrikel,
der Rückenmarkskanal und der gesamte Raum zwischen Pia mater und
Arachnoidea (Subarachnoidalraum) sind mit der
Gehirnflüssigkeit (Liquor)
gefüllt, die dafür sorgt, dass das Gehirn in der Schädelhöhle schwebend
gelagert ist. Darüber hinaus schützt sie den inneren Teil des Gehirns vor
Druckschwankungen und hilft dabei, chemische Substanzen durch das
Nervensystem zu transportieren.
Der Hirnstamm
Der Hirnstamm besteht aus drei Teilen:
Durch den Hirnstamm, die vordere Verlängerung des Rückenmarks bestehend
aus Medulla,
Brücke und ventralem Teil
des Mittelhirns "laufen alle Faserbahnen, die sensorische
Informationen in höhere Hirnzentren und motorische Befehle aus den höheren
Zentren in die Peripherie senden, so dass die Übertragung von Daten eine
der wichtigsten Funktionen von
Medulla und
Brücke
sind." (Campbell/Reece
2003, S. 1246)
Die retikuläre Formation
Die retikuläre Formation (Formatio reticularis) stellt ein Geflecht von
Nervenzellen (Neuronengeflecht) dar, das aus über 90 verschiedenen Kernen
(Nuclei) besteht, die den ganzen Hirnstamm durchziehen. Ein Teil der
retikulären Formation stellt das
retikuläre aktivierende System
(RAS) dar, das u. a. den Schlaf- und Wachzustand
reguliert und nur bestimmte Informationen an die Großhirnrinde
weiterleitet (sensorische Filterfunktion). Diesem kommt bei
Aufmerksamkeitsprozessen eine große Bedeutung hat.
Das Zwischenhirn
Das Zwischenhirn (Dienzephalon) besteht aus
dem Thalamus
und dem Hypothalamus, die ganz verschiedene Funktionen haben.
Thalamus
Der Thalamus, der zum Zwischenhirn zählt, liegt genau in der Mitte des
Gehirns zwischen den beiden Großhirnhälften und besteht aus zwei
rundlichen Massen grauen Gewebes. Er ist ein Nucleus (Kern im Nervensystem
mit zahlreichen Synapsen), in dem Neuronen für alle Sinnesmodalitäten
außer dem Geruchssinn auf ihrem Weg zu ihren primären sensorischen Arealen
durch Synapsen verschaltet sind. Damit ist er das "Haupteingangszentrum
für sensorische Information zum Großhirn" (Campbell/Reece
2003, S. 1249) fungiert also als Schaltstelle für ankommende
Signale der Sinne und ausgesandte motorische Signale, die dann zur
Großhirnrinde (Cortex) hin bzw. von ihr weg geleitet werden. Mit
Ausnahme des Geruchs laufen alle Sinneswahrnehmungen auf dem Weg zum
Gehirn zunächst durch eigene Nuclei (Gruppen von Nervenzellen) im Thalamus.
Der Hypothalamus
Der Hypothalamus stellt "die Schnittstelle zwischen dem Nervensystem
und dem Hormonsystem dar." (Gegenfurtner
2005, S.12) Er wirkt bei der Steuerung zahlreicher wichtiger
Körperfunktionen, steht in enger Verbindung mit der
Hypophyse (Hirnanhangdrüse), der zentralen
Regelstation für die Ausschüttung von Hormonen, und arbeitet
koordiniert mit der
Retikulärformation
zusammen. Er befindet sich in der Mitte der Gehirnunterseite unmittelbar
unter dem Thalamus
und besteht aus mehreren von einander abgegrenzten Feldern und Kernen (Nuclei).
Der Hypothalamus ist die Triebkraft für das Überleben und die
Fortpflanzung und regelt damit unsere Nahrungsaufnahme, unsere
Körpertemperatur, den Schlaf, Gefühle und die Sexualität. Darüber
hinaus regelt er über das unwillkürliche Nervensystem die Funktion von
inneren Organen.
Das Mittelhirn
Das Mittelhirn (Mesenzephalon), das sich
über der Brücke befindet, besteht aus dem
Mittelhirndach (Tectum), und dem
Tegmentum. Das Mittelhirndach stellt ein
Schaltzentrum dar, das die codierten sensorischen Informationen an
bestimmte Regionen des Vorderhirns sendet (vgl.
Campbell/Reece
2003, S. 1246f.) Die
Großhirnschenkel stellen
Fasersysteme dar, die Impulse zum Großhirn und von ihm weg leiten können.
Vier Gewebekörper (Corpora
quadrigemina) bilden gemeinsam die Vierhügelplatte bilden und leiten optische Signale über die beiden
oberen Hügel (colliculi superiores) und akustische Signale über die beiden unteren Hügel
(colliculi inferiores) an die
Nervenbahnen weiter. Die schwarze
Gehirnsubstanz (Substantia nigra) etnhält Zellen, die den
Botenstoff Dopamin ausschütten. Im Tegmentum
befindet sich auch der Aquaeductus Sylvii, ein Kanal mit
Flüssigkeit um den herum sich graue Gehirnsubstanz befindet, der für das
Empfinden von Schmerz, unter Umständen aber auch für Suchtzustände
Bedeutung besitzen. Außerdem befinden sich auch die Nuclei (Kerne) des
dritten und vierten Gehirnnervs im Mittelhirn.
Das Kleinhirn
Im hinteren Teil des Schädels unter dem
Großhirn liegt das Kleinhirn,
das eine Art Anhängsel der
Brücke ist. Es besteht außen aus grauen, nicht myelinisierten Zellen und
hat innen weiße Zellen, die
eine Myelinschicht aufweisen. Seine zwei Hälften sind durch den
Kleinhirnwurm (Vermis)
aus weißen Nervenfasern verbunden und stehen darüber hinaus auch mit
anderen Gehirnteilen über drei Faserbündel in Verbindung. Diese so
genannten Kleinhirnstiele führen zum
Mittelhirn, zur (Gehirn-)Brücke und
zum verlängerten Rückenmark.
Das Kleinhirn koordiniert unsere Bewegungen und motorischen Tätigkeiten
aller Art, ist insbesondere für das Erlernen neuer Bewegungen zuständig und arbeitet als Steuerungszentrale, ohne dass wir es bemerken,
an der Aufrechterhaltung des Gleichgewichts. Ferner sorgt das Kleinhirn auch
für die willentliche Muskelanspannung, die für Körperhaltung und
Gleichgewicht verantwortlich ist.
Die Brücke
Die Brücke (auch: Gehirnbrücke,
Pons) befindet sich zwischen verlängertem Mark und
Mittelhirn
und sitzt damit unmittelbar vor dem
Kleinhirn. Einige ihrer
neuronalen Kerne (Nuclei) gehören zur
Retikulärformation (Formatio reticularis).
Die Brücke besteht
überwiegend weißen Nervenfasern, die quer und längs verlaufen und zu
einer komplexen Struktur verflochten sind. Von den Kleinhirnstielen geht
eine Querbrücke aus Fasern aus, die beide Hälften verbindet. Dazu kommt
noch ein komplexes System von Längsfasern, das sich vom verlängerten
Mark zu den Großhirnhälften erstreckt. Außerdem liegen die Nuclei (Kerne)
des fünften, sechsten, siebten und achten Gehirnnervs in der Brücke.
Das verlängerte Mark
Das verlängerte Mark (Medulla oblongata)
liegt zwischen Rückenmark und Brücke. Es stellt im Prinzip einen
pyramidenförmiger Fortsatz des Rückenmarks dar. Einige Kerne (Nuclei)
gehören dabei auch zur Retikulärformation Im
verlängerten Mark befinden sich zudem die Ausgangspunkte des neunten,
zehnten, elften und zwölften Gehirnnervs. Die Nervenimpulse werden im
verlängerten mit auf- und absteigende Fasern zwischen Rückenmark und
Gehirn weitergeleitet. Darüber hinaus steuert das verlängerte Mark auch
den Wechsel von Schlaf- und Wachzustand, die Körpertemperatur, den Herzschlag, die Verengung von Blutgefäßen, die Atmung und andere
unwillkürliche Funktionen unseres Körpers mit.
Limbisches System
Einige Teile von
Thalamus,
Hypothalamus,
Hippocampus, Mandelkern (Amygdala), Schweifkern, Septum cervicale und
Mittelhirn bilden zusammen das limbische System. Diese Funktionseinheit
des Gehirn ist über Nervenfasern miteinander verknüpft. Es spielt eine
zentrale Rolle bei einigen Verhaltensweisen,
-
vermittelt primäre
Emotionen
(z. B. Lachen, Weinen)
-
färbt bestimmte
lebenswichtige, basale Verhaltensprogramme des
Hirnstamms emotional ein
(z. B. Esstrieb, Aggressivität, Sexualität)
-
regelt die emotionale
Bindungsfähigkeit an andere Individuen
-
spielt eine große Rolle bei
der Speicherung und dem Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis
Damit stellt es das Fundament
der im höheren Cortex angesiedelten höheren kognitiven Funktionen dar.
(vgl. Campbell/Reece 2003, S.
1254)
Die Gehirnnerven
An der Unterseite des Gehirns entspringen zwölf Paare symmetrisch
angeordneter Nerven, die zu verschiedenen Teilen von Kopf und Hals laufen.
Manche dieser von hinten nach vorn durchnummerierten Nerven steuern
Muskelbewegungen, andere sind für die Sinneswahrnehmung da.
Die Blutgefäße
Das Gehirn wird von zwei Gruppen von Gehirnschlagadern mit Sauerstoff und Glucose versorgt. Die beiden
Kopfschlagadern verzweigen sich am Halsansatz in einen inneren und einen
äußeren Ast. Der äußere bringt Blut zur Außenseite des Schädels, der
innere transportiert Blut in den vorderen Teil des Gehirns. Das übrige
Gehirn wird von den Wirbelschlagadern versorgt. Diese verbinden sich an
der Unterseite des Gehirns mit den inneren Kopfschlagadern zum
Willis-Ring. Von dort fließen 25
Prozent des vom Herzen gepumpten Blutes durch das äußerst fein verästelte
Geflecht der Arterien im
Groß- und
Kleinhirn. Gert Egle, zuletzt bearbeitet am:
17.12.2023
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